Formel 1:Ende im Tunnel

Beim Großen Preis von Monte Carlo nutzt Renaults Jarno Trulli einen Unfall Michael Schumachers zum Sieg.

Von René Hofmann

Monte Carlo - Michael Schumacher wird in der Formel-1-Saison 2004 nicht alle 18 Rennen gewinnen. Ein neuer Startrekord von sechs Siegen in Serie bleibt für ihn zunächst ebenso unerreicht wie Sennas Bestleistung von sechs Triumphen in Monte-Carlo. Denn den Großen Preis von Monaco 2004 hat der 29-jährige Renault-Fahrer Jarno Trulli (Italien) gewonnen, vor Jenson Button (England/BAR-Honda) und Rubens Barrichello (Brasilien/Ferrari). Schumacher, der zuvor bei allen fünf Rennen vorausgefahren war und im Fürstentum bereits fünfmal gesiegt hat, erreichte das Ziel nicht. Als Führender musste er seinen Ferrari mit zertrümmerter Nase abstellen, was dem Wettbewerb einen Hauch von Spannung zurückbringt. In der Fahrerwertung liegt Schumacher mit 50 Punkten jetzt zwölf Zähler vor seinem Teamkollegen Barrichello, 18 vor Button und 19 vor Trulli, dessen erster Sieg sich nach einer Reihe guter Platzierungen und 116 Rennen Wartezeit angedeutet hatte.

Der erste Ausfall Schumachers seit dem Großen Preis von Brasilien am 6. April 2003 ereignete sich hingegen unvermittelt. Nach 47 von 77 Runden schlitterte er hinter dem Safety Car im Tunnel unter dem Grand Hotel in die Leitplanke. Die Dunkelheit verhüllte den genauen Unfallhergang, auf den grobkörnigen Fernsehbildern war nur zu erkennen, wie Schumacher bremst, an seinem linkem Vorderrad Rauch aufsteigt und der überrundete BMW-Williams-Pilot Juan-Pablo Montoya ihm kurz darauf zu nahe kommt. Erst die Befragung der Augenzeugen brachte Licht in die Angelegenheit. Trulli, der sich unmittelbar hinter Montoya und Schumacher befand, sagte nach der Siegerehrung: ¸¸Die beiden versuchten, ihre Bremsen auf Temperatur zu halten und deshalb abwechselnd verzögert und beschleunigt." Dabei kam es zu einer Berührung, die Schumacher links in die Begrenzung abbiegen ließ.

¸¸Er hat unvorhersehbar hart gebremst, und der Tunnel ist nicht unbedingt der günstigste Ort, um das zu tun", verteidigte sich Montoya, der Schumacher vor vier Wochen in Imola schon einmal als dumm beschimpft hatte. Der Händel zwischen dem Kolumbianer und dem Titelverteidiger geht also weiter und dürfte in den nächsten Tagen noch für einigen Gesprächsstoff sorgen. Denn auch Schumacher sieht sich im Recht. ¸¸Alle anderen sind nicht mir zusammengestoßen. Das war also möglich", griff er Montoya mit feiner Ironie an: ¸¸Ich glaube nicht, dass es Absicht war. Aber ein bisschen dumm war es schon." Nach Attacken steht es damit 1:1. Gute Freunde werden die beiden nicht mehr, was auch eine weitere Schumacher-Spitze ahnen lässt: ¸¸Dass er kein Problem mit mir hat, kann ich verstehen." Die Stewards des Automobilweltverbandes Fia luden die beiden Streithansel, studierten die Szene auf Video und verhörten den beistehenden Streckenposten. Dann entschieden sie: Es war ein Vorfall, wie er in jedem Rennen vorkommen kann. Keiner wird bestraft. Schumacher verließ die Szene mit den Worten: ¸¸Gut, dass das nächste Rennen schon in einer Woche stattfindet. Jetzt freue ich mich erst recht darauf."

Sein kurioser Ausrutscher hinter dem silbernen Serienfahrzeug bildete den Höhepunkt eines ereignisreichen Nachmittags, an dem lediglich neun von 20 Startern das Ziel erreichten. Die Turbulenzen begannen bereits am Start. Olivier Panis würgte den Motor seines Toyotas. Ein zweiter Startversuch wurde nötig, was den Druck auf Jarno Trulli mächtig erhöhte. Am Samstag hatte er sich zum ersten Mal den besten Startplatz gesichert. Obwohl sich deshalb besonders viele Blicke auf ihn richteten, startete Trulli wie zuletzt oft: problemlos und schnell. Für die meiste Aufregung sorgte in der Anfangsphase Takuma Sato. Am Start zwängte sich der BAR-Pilot an beiden Ferraris vorbei. Drei Runden später folgte das nächste Spektakel: In der Hafenpassage spuckte Satos Honda-Motor zunächst blaue Wölkchen, dann einen Schwall grauen Rauch. Kimi Räikkönen, Michael Schumacher und Rubens Barrichello manövrierten mit viel Glück heil durch die Nebelbank, Giancarlo Fisichella nicht: Er kollidierte mit McLaren-Mercedes-Chauffeur David Coulthard und parkte seinen Sauber seitwärts hochkant vor dem Schwimmbad. Verletzte hinterließ das Malheur nicht.

25 Minuten nach der ursprünglich geplanten Startzeit gab das Safety Car die Strecke wieder frei, und das Rennen durch das Fürstentum verfiel in seinen üblichen Rhythmus: Es glich einer Prozession. Erst ab Runde 25 kam wieder Spannung ins Spiel. Das Trio Jarno Trulli, Fernando Alonso und Michael Schumacher hatte sich zu diesem Zeitpunkt an der Spitze etabliert. Die interessante Frage lautete: Wann würden die Protagonisten tanken? In Barcelona und in Imola hatte Schumacher die Gelegenheit genutzt, um seine Rivalen abzufangen. Ein paar Runden später stoppen, dazwischen ein paar schnelle Umläufe - das ist die einfachste Formel, sich vorbeizumogeln. In Monaco ging sie nicht auf. Schumacher bog zwar tatsächlich später ab als Trulli und Alonso, doch der Rückstand, den er zuvor gesammelt hatte, war zu groß. Die beiden hellblauen Autos blieben vor ihm. Bis in Runde 41.

Als Ralf Schumacher für Fernando Alonso zur zweiten Überrundung anstand, beging der Spanier einen fatalen Fehler. Er fuhr den Tunnel allzu schwungvoll an, woraufhin sein Renault die Leitplanke touchierte und rückwärts zurück in die Sonne rutschte. Jarno Trulli legte postwendend seinen zweiten Stopp ein, Michael Schumacher rückte auf der Ergebnisliste an Platz eins. Das zweite Mal an diesem Tag kam das Safety Car zum Einsatz und sammelte das Feld ein. Bis Alonsos Wrack geborgen war, sollte es Ordnung bringen. Tatsächlich brachte es die große Überraschung.

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