Formel 1:Einstürzende Neubauten

BMW-Williams hat ein Auto entworfen, das Nick Heidfeld nicht geheuer ist und Mark Webber räuchert.

Von Elmar Brümmer

Am Einfallsreichtum soll es nicht scheitern. In den Kneipen rund um Silverstone pflegen sie gerade jetzt, da das Formel-1-Team von Williams nach dem Alleingang von BMW ums Überleben kämpft, ein Mut machendes Histörchen. Es erzählt davon, wie dem jungen Teamchef Frank Williams auf dem Weg zur Rennstrecke der Sprit ausgeht. Er macht sich auf den Weg zum nächsten Pub, versetzt seine Hose und ist pünktlich zum Rennen da. Die klare Botschaft: Das ist einer, der nie aufgibt, einer, dem immer etwas einfällt. Seit 19 Jahren befehligt der Sir aus dem Rollstuhl heraus ein Team, das es zu neun Konstrukteurs- und sieben Fahrer-Titeln gebracht hat. Das ist eine gewaltige Tradition, auf die sich schön zurückschauen lässt. Doch zuletzt musste der 63-Jährige auch auf der Rennstrecke immer öfter den Blick nach hinten richten.

Beim Großen Preis von Frankreich, als zur Saisonmitte eine runderneuerte Version des Rennwagentyps FW 27 debütierte, löste sich in Mark Webbers Cockpit die Isolierschicht von den Seitenkühlern. 80 Grad heiße Luft streifte die Hüfte des Australiers. Pragmatisch bekam er beim Nachtanken einfach einen Eimer Wasser über den Overall gekippt. Webber hielt trotz der Verbrennungen durch, und auch Nick Heidfeld ließ sich von den sechs Boxenstopps - üblich sind maximal drei - nicht entnerven. Die beiden Piloten wurden mit den Rängen zwölf und 14 eher bestraft als belohnt. Beim Grand Prix von Großbritannien wurden am Sonntag die Plätze elf und zwölf für sie notiert. Webber hatte schon vor dem Start lediglich von ¸¸Schadensbegrenzung" gesprochen. Heidfeld ließ den Teammanager Dickie Stanford am Freitagnachmittag bei den Sportkommissaren eine Ausnahmegenehmigung einholen: Der Deutsche wollte lieber mit der alten Version des Rennautos - Stand Ende Mai - antreten. Die neuen Teile waren ihm nicht ganz geheuer.

Rückschritt als Fortschritt, das ist eine technische Bankrotterklärung. Aussichten auf Besserung bestehen nicht. Dem Team bleiben drei Testtage in dieser Woche in Jerez - die müssen wegen der Sommerpause für die nächsten drei Rennen reichen. Erst Ende August darf wieder geübt werden. Williams-Technikchef Sam Michael sieht deutlich mehr Nachholbedarf: ¸¸Wir haben noch nicht ganz herausgefunden, wo das Problem liegt." Den einzelnen Elementen fehlt es an Harmonie, womit das Problemauto zum Abbild des ganzen Rennstalls wird. Die personellen Verantwortlichkeiten wechselten in den vergangenen Jahren, als man den eigenen Ansprüchen und denen des Partners BMW nicht mehr genügte, bei Williams so häufig wie die Frontflügelkonstruktionen. Es wundert nicht, dass BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen keine Leistungs-Prognosen für das anstehende Heimspiel in Hockenheim abgeben möchte. Nach den letzten Rennen ließ er stets nur ausrichten: ¸¸Motorenseitig gab es keine Probleme . . ."

Einstürzende Neubauten

Beim Test in Jerez soll der neu vorgeschriebene Achtzylinder-Motor seinen ersten Probelauf im Williams absolvieren - das Aggregat, das ab 2006 einen von BMW gebauten Boliden zum Titel treiben soll. Beide Seiten sind zu der Übergangslösung gezwungen: BMW kann noch nicht über die Sauber-Rennwagen verfügen; Williams hat gar kein anderes Triebwerk, um wichtige Daten für die Neukonstruktion des nächstjährigen Chassis zu sammeln. Das Provisorium könnte durchaus haltbarer sein als man denkt, zumindest noch für ein Jahr. Wird sich Williams nämlich nicht mit Honda oder Toyota über Motorenlieferungen einig, wäre ein Leasingabkommen mit BMW die vernünftigste Lösung.

Frank Williams sträubt sich noch, allerdings nicht aus prinzipiellen, eher aus finanziellen Gründen. Bisher ist er meist von den Herstellern dafür bezahlt worden, die Motoren einzusetzen. Muss er künftig Aggregate leihen, würde das bis zu 20 Millionen Euro pro Saison kosten. Die sportliche Überlebensfrage ist auch eine finanzielle. Keiner weiß, ob und wie viele Verbindlichkeiten WilliamsF1 hat. BMW-Direktor Mario Theissen zeigt keine Genugtuung darüber, dass die aktuelle Schwäche den Konzernentscheid unterstreicht, auf Sauber umzusatteln. Er hätte nur gern bis in drei Wochen Bescheid, ob in Milbertshofen Kapazitäten für Leasingmotoren benötigt werden. Etwaige Abstandszahlungen für den vorzeitig beendeten Werksvertrag können damit nicht verrechnet werden, der Kontrakt ist erledigt. Bei einem neuen Vertrag gibt es durchaus noch Spielraum für Entgegenkommen. Williams besitzt die Transferrechte für Nick Heidfeld, an dem BMW Interesse hat. Auf einer ähnlichen Ebene operiert Frank Williams mit dem BAR-Honda-Team. Dort besitzt er die Vertragshoheit über Jenson Button, der ebenfalls zum Tauschobjekt gegen Motoren taugt.

In Silverstone erzählen sie die Geschichte, wie Frank Williams einst Ayrton Senna zum Testen einlud. Als er das Talent des Brasilianers realisierte, ließ Williams sofort 70 Liter Sprit ins Auto pumpen, um es langsamer zu machen. Entsprechend konnte er Sennas Ansprüche drücken. Jetzt steht Williams selbst unter Druck.

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