Formel 1:Eine Zündkerze würgt die Spannung ab

Formel 1: Sebastian Vettel (rechts) und Lewis Hamilton zu Saisonbeginn - damals war es noch ein echtes Duell.

Sebastian Vettel (rechts) und Lewis Hamilton zu Saisonbeginn - damals war es noch ein echtes Duell.

(Foto: AFP)

Die Formel 1 hat schon viele Duelle erlebt - auch das zwischen Hamilton und Vettel sollte legendär werden. Doch dann stellt Ferrari sich zu dilettantisch an.

Kommentar von Philipp Schneider

Stirling Craufurd Moss, 1929 in London als Sohn eines Zahnarztes geboren, wird der Menschheit noch lange in Erinnerung bleiben. Zehn Jahre fuhr er in der Formel 1, wurde viermal Zweiter und ist so der erfolgreichste Fahrer, der nie Weltmeister wurde. Als Moss 1958 die besten Chancen auf den Titel hatte, da gab er seinem Rivalen Mike Hawthorne in Porto einen gut gemeinten Ratschlag: Hawthorne sollte seinen Rennwagen nach einem Dreher entgegen der Fahrtrichtung bergab und neben der Strecke wieder zum Laufen bringen. Das war allerdings verboten, Hawthorne wurde disqualifiziert. Moss indes verteidigte seinen Rivalen und stimmte die Rennleitung um, wodurch Hawthorne Weltmeister wurde. Mit einem Punkt Vorsprung. "Wenn ich mich nicht so für ihn eingesetzt hätte, wäre ich Champion. Aber ich würde das jederzeit wieder tun, es war fair", sagte Moss kürzlich.

Ja, ja, lange her alles. Hin und wieder lohnt aber die Erinnerung, wenn in der Gegenwart Prognosen darüber abgegeben werden müssen, wie erinnerungswürdig ein soeben beendetes Schauspiel mal werden wird.

Die großen Formel-1-Duelle waren selten fair

Wenn der Autódromo Hermanos Rodríguez in Mexiko nicht von Blitzeis überzogen werden sollte, wird Lewis Hamilton nach dem Rennen vier Weltmeister-Titel mehr gewonnen haben als sein von Königin Elizabeth II. zum Knight Bachelor erhobener Landsmann Sir Stirling Moss. Hamilton ist vom Ritterschlag noch ein paar Runden entfernt, doch in Mexiko muss er nur Fünfter werden, dann ist sein Duell mit Sebastian Vettel vorzeitig beendet.

Was bleibt von ihm? Die Erinnerung an eine Zündkerze, verbaut in Vettels Ferrari, ausgefallen vor dem Start eines Rennens in Suzuka. Ein defektes Zweihundert-Euro-Teil hat der hoch technisierten Formel 1, in der sich die Teams mit millionenschweren Budgets duellieren, den Motor abgewürgt (es gab bei Ferrari auch noch ein gerissenes Kabel am Turbolader). Das kann man schon ein bisschen schade finden. Wer weiß, was es noch zu erzählen gegeben hätte vom Kampf Hamilton gegen Vettel?

Piquet versteckte das Klopapier vor Nigel Mansel

Die größten Duelle der Renngeschichte waren ja selten fair. Meist waren sie ungemein unterhaltsam. Nelson Piquet prügelte nach einem Rennunfall auf den Chilenen Eliseo Salazar ein, versteckte das Klopapier vor Nigel Mansell, als dieser in Mexiko 1986 von Durchfall geplagt wurde. Einmal hörte Piquet auch den Boxenfunk seines Teamkollegen ab und kam selbst statt Mansell an die Box, dessen Ehefrau er zudem als hässlich bezeichnete. Prost und Senna schossen sich mit Raffinesse von der Piste. 1990 in Suzuka fand Senna, dass Prost als Zweiter zu Unrecht von der sauberen Seite der Strecke starten durfte. Er räumte ihn einfach ab - und war Weltmeister.

Als im Vorjahr der Titelkampf zwischen Nico Rosberg und Hamilton bis zum letzten Rennen offen war, da leistete sich sogar der nicht für Gewitztheit bekannte Deutsche eine Gemeinheit: In Malaysia parkte er seinen Privatwagen auf dem Parkplatz so weit links, dass sich Hamilton mit seinem Geländewagen reinquetschen musste und die Fahrertür kaum öffnen konnte.

Vettel und Hamilton? Sind vergleichsweise anständig miteinander umgegangen. Gut, es gab den kleinen Wutrempler von Vettel in Baku. Und Vettels Petzerei in Spielberg, Hamiltons Kollege Bottas habe einen Fehlstart begangen. Es gab sogar eine faire Geste des Briten, als er seinen Wasserträger Bottas in Ungarn kurz vor Ende des Rennens passieren ließ und freiwillig Punkte verschenkte. Doch es bleibt die Erinnerung an eine Zündkerze. Und das Gefühl, dass eine gute Geschichte nicht anständig zu Ende erzählt wurde.

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