Formel-1-Duell Vettel - Alonso:Der spanische Samurai beschwört den Kampf

Trotz vier Niederlagen in Serie gibt sich Fernando Alonso vor dem Formel-1-Rennen in Abu Dhabi kämpferisch: Er stichelt gegen seinen Titelrivalen Sebastian Vettel, der seine Position lieber im Stillen stärkt und der womöglich einen neuen Verbündeten hat.

René Hofmann, Abu Dhabi

Formula One Grand Prix of Abu Dhabi

Fernando Alonso sitzt während des ersten Trainings in der Garage seines Teams Ferrari.

(Foto: dpa)

Fernando Alonso trägt eine Sonnenbrille. Natürlich trägt er eine Sonnenbrille, auch wenn das ziemlich dämlich aussieht in diesem Moment. Am Yas Marina Circuit bewohnen die Formel-1-Teams zweistöckige Pavillons. Zwischen den in einem Wüstenbraun getünchten Häuschen gibt es schattige Gassen. In einer davon hat Ferrari eine dünne rote Wand mit allen Sponsorennamen errichtet und einen Hocker aufgestellt, der an einen Barstuhl erinnert. Auf diesem kauert Alonso mehr als er sitzt. Mit beiden Händen umklammert er ein Mikrofon, das seine Stimme verstärken soll, es aber nicht wirklich tut.

Der Andrang ist groß. In der Gasse drängen sich viel zu viele Reporter. Es geht ein bisschen zu wie bei einem Blues-Konzert, das in einem viel zu kleinen Club stattfindet. Hitze, Geschiebe - und vorne sitzt eine gebeugte Gestalt mit dunkler Brille, die Beschwörungsformeln murmelt.

Im Titel-Duell mit Sebastian Vettel werde er wie ein Samurai kämpfen, hat Alonso jüngst getönt. Doch dann schlug Vettel ihn nicht nur in Japan, sondern auch in Südkorea, womit der Red-Bull-Fahrer die Führung in der WM-Wertung übernahm. In Indien war Vettel erneut der Schnellste; Alonso stand plötzlich mit einem ziemlich schartigen Schwert da. Egal, verkündete er daraufhin, selbst wenn man ihm die Arme abhacken oder die Zähne ausschlagen werde - er werde nie aufgeben, versicherte der Spanier. So martialisch war es in der Formel 1 lange nicht mehr zugegangen.

Vor dem Großen Preis von Abu Dhabi, Rennen 18 von 20 der Saison 2012, schaltet Alonso nun aber wieder in einen anderen Modus. Sticheln statt stechen, raunen statt poltern - der Tonfall hat sich geändert. Die Botschaft aber bleibt die gleiche. Zu "hundert Prozent" sei er nach wie vor sicher, die 13 Punkte Rückstand auf Vettel aufholen zu können, sagt Alonso. In jeder Runde will er den Rivalen dafür ans Limit treiben, denn "der Red Bull ist manchmal ein bisschen anfälliger", so Alonso. Das klingt nicht besonders frech. In einem Sport, in dem es zum guten Ton gehört, dem Gegner keine Silbe zu widmen, sind aber auch das eindeutige Aussagen.

Wie unterschiedlich die beiden Favoriten die finalen Saisonrennen angehen, ist im direkten Gegenschnitt zu erkennen. Alonso nutzt nicht nur so gut wie jede Gelegenheit, um Vettel öffentlich eine mitzugeben, auf der gleichen Klaviatur schlägt der 31-Jährige auch ständig neue Töne an, die das eigene Team antreiben sollen. "Für alle Teams geht es in dieser Saison auf und ab. Nur bei Red Bull ging es zuletzt viermal bergauf", sagt er in Abu Dhabi und mahnt: "Wir brauchen jetzt Höchstleistungen von allen. Von jedem Mechaniker, von jedem Ingenieur. Und vom Fahrer."

Vettel nimmt sich dagegen auffällig zurück. "Man kann nicht davon ausgehen, dass man immer alles gewinnt", sagt er, "sich selbst als Maß aller Dinge zu sehen, halte ich für falsch." Im direkten Vergleich klingt er fast altväterlich, so, als sei nicht er der sechs Jahre Jüngere. Obwohl Alonsos vielfältige Attacken sorgfältig dokumentiert sind, besteht Vettel darauf: "Bei dem, was man so liest oder hört, weiß man nie, wie das aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Zu mir direkt hat er noch nichts gesagt." Seine Conclusio deshalb: "Wir respektieren uns sehr."

Vettel befindet sich in der komfortableren Lage

Für die demonstrative Gelassenheit gibt es mehr als einen Grund. Nach dem Aufschwung in den jüngsten Rennen befindet Vettel sich in der komfortableren Lage. Er braucht lediglich die eigene Stärke zu konservieren und muss nicht angreifen. Die Neigung, über Bande zu spielen und öffentlichen Druck aufzubauen, ist bei ihm aber generell nicht so ausgeprägt. Im Umgang mit dem Team setzt er auf die direkte Ansprache. "Es gibt viele Wege, die nach Rom führen", sagt er, auf den Unterschied zu Alonso angesprochen, dazu in Abu Dhabi sibyllinisch.

In einem Punkt brauchen die beiden Titelrivalen sich keine Sorgen zu machen: Im eigenen Stall ist jeder unumstritten das Alphatier. Felipe Massa hat mit seinem Ferrari so wenige WM-Punkte gesammelt, dass er keine Titelchance mehr hat. Dennoch wurde der Vertrag des 31 Jahre alten Brasilianers vor kurzem noch einmal verlängert - um ein Jahr. Er fährt quasi auf Bewährung, was ihn zum idealen Helfer macht. Beim Rennen in Indien spendete er in der Qualifikation artig Windschatten, um Alonso auf bessere Rundenzeiten kommen zu lassen. Bei Red Bull, und das ist neu, ist ähnliches nun auch denkbar.

Webber könnte Vettel unterstützen

Mark Webber hat 73 Punkte Rückstand auf seinen Teamkollegen Vettel - und damit nur noch theoretisch Titelchancen. Vor zwei Jahren, als die Konstellation umgekehrt war und der Australier mit der deutlich besseren Ausgangsposition ins WM-Finale in Abu Dhabi zog, verfügte Firmenchef Dietrich Mateschitz: Eine Teamorder gibt es nicht, beide Piloten dürfen frei fahren. Aktuell klingt das etwas anders.

Teamchef Christian Horner lobt Webber, der im fortgeschrittenen Rennfahrer-Alter von 36 Jahren für 2013 ebenfalls nur über einen Einjahresvertrag verfügt, als "starken Kämpfer und großen Teamspieler". Er, so Horner, sei überzeugt, dass Webber wolle, "dass das Team das bestmögliche Resultat erreiche". Mit anderen Worten: dass Vettel Alonso auf der Piste schlägt.

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