Formel 1:Deutscher Denker

Der siebenmalige Weltmeister Michael Schumacher genießt die Leidenschaft, mit der die Formel 1 über seine Zukunft debattiert.

René Hofmann

Fernando Alonso ist das Gegenbeispiel. Es ist kurz vor 15 Uhr, als er zu einer Grundsatzerklärung anhebt. "Das ist der Grund, warum ich meinen Wechsel zu McLaren so früh bekannt gegeben habe: Ich wollte mich darauf konzentrieren, Rennen zu gewinnen und nicht bei jedem Grand Prix einen Kommentar über meine Zukunft abgeben müssen" - der 24-Jährige spricht mit der Abgeklärtheit des Weltmeisters. Erst auf Englisch. Dann auf Spanisch.

Schumacher

Das Lachen eines siebenmaligen Weltmeisters: Michael Schumacher.

(Foto: Foto: AFP)

Das Motorhome von Renault platzt fast, so viele Reporter haben sich hineingezwängt. Kurz zuvor hat Alonso das Gleiche schon einmal gesagt, ein paar Meter weiter, vor der Sponsorenwand seines Teams - vor Dutzenden TV-Kameras.

Und ein paar Meter weiter wird Michael Schumacher kurz darauf vor mindestens ebenso vielen Kameras "Forza Ferrari!" rufen.

Die Formel 1 ist ein seltsames Spiel. Es ist Donnerstag. Noch hat sich kein Rad gedreht, und doch ist der Stapel der Zeitungsberichte, die sich mit dem Großen Preis von San Marino beschäftigen, schon 72 Seiten dick.

Renault hat die ersten drei Wettfahrten der neuen Saison gewonnen, Alonso führt die WM-Wertung souverän vor seinem Teamkollegen Giancarlo Fisichella und McLaren-Mann Kimi Räikkönen an, aber die meisten Geschichten beschäftigen sich mit etwas anderem - mit Michael Schumacher und der Frage: Bleibt er nun bei Ferrari, oder hört er auf? Täglich gibt es neue Kommentare, die sich interpretieren lassen. In jede Richtung.

Verrückte Gerüchte

Falls er weiterfahre, dann zu 99,9 Prozent bei den Roten, hat Schumacher im Winter mitgeteilt; die Bedingung dafür aber sei, dass er ein siegfähiges Auto habe. Nach Platz zwei im Auftaktrennen von Bahrain lag deshalb der Schluss nahe, die Vertragsverlängerung sei lediglich Formsache.

Nach dem Motorschaden in Malaysia sah es ein wenig anders aus, und als Schumacher seinen Wagen in Melbourne im Übereifer gegen eine Mauer setzte, verstiegen sich ehemalige Szenegrößen wie Jackie Stewart und Niki Lauda zu der Behauptung: Der siebenmalige Weltmeister wisse nicht mehr so recht, was zu tun sei, weshalb es an der Zeit sei, ans Karriereende zu denken, oder zumindest an einen Teamwechsel.

Eine Beschäftigungsalternative brachte umgehend Red-Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz ins Gespräch, indem er ankündigte, Schumacher im Juli ein Angebot unterbreiten zu wollen - falls der Deutsche dann noch zu haben sei. Aus den Beteuerungen von Ferrari-Teamchef Jean Todt und Technikboss Ross Brawn, sie erwarteten eine Entscheidung vor dem Herbst, und der Aussage von Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz, er freue sich auf die Zukunft, wuchs in Windeseile das Gerücht, Schumacher habe sich seinem bisherigen Arbeitgeber bereits versprochen.

"Ist doch schön, wenn man offenbar überall willkommen ist"

Und die Bekanntgabe der Bündnisverlängerung stehe beim Großen Preis von Europa in zwei Wochen in der Eifel an. Als Schumacher aus Melbourne umgehend zum Testen eilte und dort der Times erzählte, dass seine Zuneigung für Ferrari und die Rennfahrerei ungebrochen sei, war das für einige Medien der Beweis, dass die Beziehung weitergehe. In großen Lettern schickten sie die Nachricht durchs Land.

Die Aufgeregtheit, mit der die Debatte geführt wird, kann Michael Schumacher nicht wundern. Er weiß, wie viele Kameras im Fahrerlager stehen. Bisweilen kokettiert er vor ihnen wie ein Schauspieler. Einige Zeitungen haben ihn schon bei McLaren gesehen, sein Manager Willi Weber brachte Toyota ins Gespräch, die wildesten Spekulanten sehen ihn seit neuestem gar zu Renault wechseln.

"Ist doch schön, wenn man offenbar überall willkommen ist", sagt Michael Schumacher dazu in Imola mit einem Lächeln - was sich wieder prima interpretieren lässt. Ironie? Versteckter Hinweis? Wer sich an den Wortlaut hält, kommt zu dem Schluss, dass Schumacher noch voll bei der Sache ist und so gut wie keinen Gedanken über eine Zukunft abseits der Rennstrecke äußert.

"Noch habe ich den roten Overall an"

Zu der Aussage von Jackie Stewart, jeder Champion wolle seine Karriere auf einem Höhepunkt beenden, sagt Schumacher: "Das sehe ich nicht so. Für mich ist es am wichtigsten, dass ich Spaß habe, und natürlich macht Gewinnen immer mehr Spaß als Verlieren." Damit der WM-Titel in Reichweite bleibt, sei das Rennen in Imola "wichtig, aber nicht entscheidend".

- "Wir vertrauen darauf, dass unsere Leute und unser Paket gut sind", sagt Schumacher, was wiederum - je nach Sichtweise - als Durchhalteparole oder als Treueschwur verstanden werden kann. Derzeit ist Schumacher wahrscheinlich der am meisten interpretierte deutsche Denker, was auch daran liegt, dass noch offen ist, wer 2007 den zweiten Ferrari lenken darf.

Kimi Räikkönen soll sich dem Team versprochen haben, was eine brisante, aber sündteure Mischung ergäbe. Die italienischen Zeitungen drucken täglich Pro-und-contra-Listen, was für welche Konstellation spricht, und Quoten, wie wahrscheinlich welche ist. Die Kurse aus der Repubblica vom Freitag: Schumacher&Räikkönen 50 Prozent, Schumacher&Felipe Massa 25 %, Räikkönen& Massa 15 %, Räikkönen&Motorradweltmeister Valentino Rossi 10 %. "Noch habe ich den roten Overall an", hat Schumacher gerufen, als er auch dazu befragt wurde: "Forza Ferrari!"

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