Formel 1:Defilee im Ferrari-Land

Michael Schumacher gewinnt in Imola das vierte Saisonrennen vor Button. Kollege Pablo Montoya beleidigt ihn hinter der Zielleinie mit einer eindeutigen Geste.

Imola - Konkurrenz ist Michael Schumacher bei seinem 74. Sieg nicht erwachsen, aber Ärger. Juan Pablo Montoya erhob nach Schumachers Sieg beim Großen Preis von San Marino schwere Vorwürfe. ¸¸Die Regeln sollten für alle die gleichen sein", knurrte der Kolumbianer, ¸¸unfair", ¸¸er kommt immer ungeschoren davon", ¸¸er muss blind sein, wenn er mich da nicht sieht". Montoyas Unmut gründete in einer Szene, die sich in der dritte Kurve nach dem Start ereignet hatte. Nach eigenen Angaben erspähte Montoya dort einen kleinen Fahrfehler des unmittelbar vor ihm auf Platz zwei gestarteten Michael Schumacher. Montoya platzierte seinen BMW-Williams neben dem Ferrari des Weltmeisters, um auf der Außenbahn an ihm vorbeizuziehen. Eine Idee, die Schumacher gar nicht gefallen konnte. Auch er wählte einen weiten Bogen und drängte Montoya ins Gras. ¸¸Ich habe ihn in dem Moment nicht gesehen", entschuldigte Schumacher die Wahl der Linie, die ihn am Ende zum Triumph vor BAR-Honda-Pilot Jenson Button führte und Montoya den dritten Platz einbrachte.

Jenson Button, der am Samstag das Qualifying für sich entschieden hatte, bewies auch am Sonntag Nervenstärke. Unbeeindruckt jagte er vom ersten Platz an der Startampel in die erste Kurve und enteilte den Händeln, die hinter ihm losbrachen. David Coulthard verlor seinen Frontflügel im Getümmel vor der ersten Biegung - der Tamburello. Eine Kurve weiter - in der Tosa - nötigte Schumacher im schon beschriebenen Manöver Montoya auf den Randstreifen. Montoya gab den Ärger darüber direkt an Michael Schumachers jüngeren Bruder Ralf weiter. Kaum auf dem Asphalt zurück, drängte er seinen Teamkollegen ins Gras neben der Strecke. Wie ein wildes Pferd bäumte sich dessen blau-weißer Bolide beim anschließenden Ritt über den Rasen auf. Ähnlich viel Aufregung hat es in den ersten Minuten eines Grand Prix lange nicht mehr gegeben. Statt der üblichen Solo-Nummer von Michael Schumacher bekamen die Zuschauer auf den gut gefüllten Tribünen ein lautes, kunterbuntes Durcheinander geboten.

Zehn Runden lang blieb Button an der Spitze. Dann bog er zum Tanken und Reifenwechseln ab. Seine Standzeit: 9,7 Sekunden. Michael Schumacher, der sich bis dahin brav in die Verfolgerrolle gefügt hatte, gab zur gleichen Zeit mächtig Gas. Ohne Button vor sich drehte er eine extrem schnelle Runde. Die Stoppuhr notierte 1:20,411 Minuten. Als Schumacher einen Umlauf später seinerseits Sprit und neue Pneus holte, kostete ihn das lediglich 7,8 Sekunden. Als er auf die Strecke zurückbog, war von Jenson Button weit und breit nichts mehr zu sehen. Ein Überholvorgang ohne gewagtes Manöver, kühl und strategisch - so legte Michael Schumacher den Grundstein für seinen sechsten Imola-Erfolg, der ihm im Fahrerklassement nach vier von 18 Rennen schon einen beruhigenden Vorsprung von 16 Punkten gegenüber Teamkollege Rubens Barrichello bringt.

An der Spitze angekommen, musste Schumacher nicht mehr tun, als seinen Vorsprung geschickt zu verwalten. Während sich weiter hinten sein Bruder Ralf mit Renault-Pilot Fernando Alonso anlegte, sich Rubens Barrichello mit Jarno Trulli beharkte und Nick Heidfeld in der 50. Runde mit einem Motorschaden ausschied, enteilte Michael Schumacher. Bereits nach 27 von 62 Runden überrundete er Kimi Räikkönen, an dessen McLaren am Samstag wegen eines defekten Auslassventils der Mercedes-Motor gewechselt werden musste. Die Pechsträhne der Silberpfeile nahm damit auch in Italien kein Ende. Defektfrei aber glanzlos rollten sie am Sonntag als Achte (Räikkönen) und Zwölfte (Coulthard) ins Ziel - hinter den beiden Renaults (Fernando Alonso/Vierter, Jarno Trulli/Fünfter), den beiden BMW-Williams (Juan Pablo Montoya/Dritter, Ralf Schumacher/Siebter), dem BAR-Honda von Jenson Button (Zweiter) und den beiden Ferraris (M. Schumacher/Erster, Rubens Barrichello/Sechster). An der Erkenntnis, mit Mühe fünfte Kraft zu sein, führt für die letzten Vor-Ferrari-Weltmeister derzeit kein Weg vorbei.

Die Kräfteverhältnisse in der Serie wirken zementiert. Am Samstag noch vier Zehntelsekunden voraus, kam Jenson Button Michael Schumacher im Rennen nach dem ersten Boxenstopp nie mehr gefährlich nahe. Auch der 24-jährige Brite ist mit seinem BAR-Honda im Moment offensichtlich nicht in der Lage, den Klassenbesten und seinen Ferrari ans Limit zu treiben. Wie schon in Bahrain, in Malaysia und in Australien konnte es Michael Schumacher schon früh ausrollen lassen. Auf den letzten Runden im Autodromo begnügte er sich mit Rundenzeiten von 1:25 Minuten, die Zieleinfahrt glich einem gemächlichen Defilee zwischen den aufgereihten Mechanikern und den aufgesprungenen Tifosi hindurch. Nur einer mochte sich über den Ferrari-Triumph im Ferrari-Land auf der nach Enzo und Dino Ferrari benannten Strecke partout nicht freuen: Juan-Pablo Montoya. Er grüßte den Sieger auf der Ehrenrunde mit einer Geste, die im normalen Straßenverkehr viel Geld kostet.

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