Footballer Michael Sam:Mit Trippelschritten in die Macho-Liga

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Unter ständiger Beobachtung: der Footballer Michael Sam von den St. Louis Rams (Foto: L.G. Patterson/AP)

Michael Sam gibt in einem Testspiel sein Debüt in der NFL. Der Football-Profi bekommt sogleich mit voller Wucht zu spüren, dass er als Homosexueller kein normaler Anfänger ist.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es waren kleine Schritte, mit denen Michael Sam den gegnerischen Spielmacher verfolgte. Die Tippelei wirkte etwas ungelenk, schließlich ist Sam 1,87 Meter groß und 119 Kilogramm schwer, sie war jedoch effizient: Der Defensivspieler der St. Louis Rams attackierte Ryan Griffin von den New Orleans Saints so sehr, dass dieser den Ball vorsichtshalber ins Aus warf, um eine Kollision zu vermeiden.

Wenig später gelang Sam noch eine schöne Aktion, er hielt einen Laufspieler der Saints auf. "Ich war nervös, ich hätte besser spielen können", sagte Sam nach dem 24:26 im Testspiel gegen die Saints: "Das Wichtigste, was ich von dieser Partie mitnehme: Ich kann in dieser Liga spielen."

Es waren kleine Schritte für Michael Sam, aber riesige für - nun ja, für wen eigentlich? Die ganze Menschheit? Die nordamerikanische Profi-Footballliga NFL? Die kann positive Nachrichten gebrauchen nach Prozessen um die Vertuschung der Folgen von heftigen Zusammenstößen, einem gewaltigen Dopingproblem und Akteuren, die abseits des Spielfelds mit dem Herumwedeln von Waffen oder Gewalt gegenüber Frauen auffallen.

Sein Trikot hat sehr gute Verkaufszahlen

Oder doch nur für diesen Footballspieler, der sich im Februar zu seiner Homosexualität bekannte? Sam wurde im Mai von den Rams bei der jährlichen Talentauswahl verpflichtet und kämpft nun in der Saisonvorbereitung um einen Platz im 53-Mann-Kader. Dabei muss er mit der Aufmerksamkeit zurechtkommen, die er als erster offen homosexueller Akteur in einer Macho-Liga erhält.

Um Sams Debüt am Wochenende wurde in den USA mindestens so viel Aufhebens gemacht wie um die ersten Partien des Neulings Johnny Manziel (Cleveland Browns), dem eine große Karriere prophezeit wird. Sam gilt derzeit bestenfalls als Ersatzmann. "Ich will nur als Footballspieler gesehen werden", betonte Sam immer wieder. Doch so einfach ist das nicht: Sein Trikot mit der Rückennummer 96 war in den vergangenen vier Monaten ligaweit das mit den sechsbesten Verkaufszahlen. Im Juli wurde er mit dem "Arthur Ashe Courage Award" ausgezeichnet, den vor ihm unter anderem Muhammad Ali, Billie Jean King und Nelson Mandela bekommen haben. Es scheint ausgeschlossen zu sein, diesen Michael Sam nur als Footballspieler zu sehen.

Genau deshalb gibt es durchaus Kritik: Sein ehemaliger Mitbewohner an der Universität von Missouri, Eric Waters, will eine Veränderung bei Sam festgestellt haben: "Er ist nicht mehr die gleiche Person wie noch vor ein paar Monaten, er spricht nun von sich in der dritten Person." Sam gibt Interviews, schüttelt Hände in den Nachtclubs von St. Louis, schreibt Autogramme bis zum Handkrampf. Wer ihm gesonnen ist, bewundert seinen Umgang mit der Öffentlichkeit; wer ihn nicht mag, findet, er bade in der Aufmerksamkeit.

Der einstige Trainer Tony Dungy erklärte in einem Interview mit der Tampa Tribune: "Ich hätte ihn nicht genommen - nicht, weil ich glaube, dass Michael Sam keine Chance bekommen sollte. Ich würde mit all der Aufregung nicht umgehen wollen." Hätten freilich die Los Angeles Raiders 1989 auch so gedacht und einen anderen Trainer als den Afroamerikaner Art Shell eingestellt, hätte Dungy keine Chance gehabt, 2007 als erster afroamerikanischer Coach den NFL-Titel zu gewinnen. Nach öffentlichem Furor ruderte Dungy zurück: "Ich wünsche Michael das Beste und hoffe, er kann sich auf Football konzentrieren und nicht auf seine sexuelle Orientierung."

Er beweist, dass er in der Liga mithalten kann

Vielleicht ist es nach dem ersten Testspiel tatsächlich Zeit, sich mit dem Footballspieler Michael Sam zu beschäftigen. Ihm gelangen zwar einige Aktionen, er wirkte jedoch auch orientierungslos und wurde von Gegenspielern allzu leicht gestoppt. Für die Position des Defensive Ends, auf der die Rams ihn einsetzten, wirkt er nicht athletisch genug - mit seinen Tippelschritten kam er dem gegnerischen Spielmacher aber immer wieder nahe. Er bewies, dass er in dieser Liga mithalten kann, nicht mehr, nicht weniger.

Der erste Auftritt eines offen homosexuellen Spielers war deshalb kein großer Schritt für die NFL oder die Menschheit. Es war ein kleiner Schritt für Michael Sam auf seinem langen Weg, in den Kader aufgenommen zu werden und am 7. September beim ersten Punktspiel gegen die Minnesota Vikings ein paar Minuten auf dem Feld stehen zu dürfen.

© SZ vom 11.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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