American Football:Alles außer gewöhnlich

American Football: Auf sie kommt es am Sonntag an: Matt Ryan (Atlanta Falcons), Aaron Rodgers (Green Bay Packers), Ben Roethlisberger (Pittsburgh Steelers) und Tom Brady (New England Patriots) (im Uhrzeigersinn).

Auf sie kommt es am Sonntag an: Matt Ryan (Atlanta Falcons), Aaron Rodgers (Green Bay Packers), Ben Roethlisberger (Pittsburgh Steelers) und Tom Brady (New England Patriots) (im Uhrzeigersinn).

(Foto: AP, Reuters (3))

Im Halbfinale der amerikanischen Football-Liga tritt das wohl beste Spielmacher-Quartett der NFL-Geschichte an. Sie repräsentieren auf verblüffende Art die verschiedensten Quarterback-Typen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt auf jedem handelsüblichen Bolzplatz diesen einen Typen, dem brauchen die Mitspieler nicht mit Taktik und kunstvoll ausgearbeiteten Spielzügen zu kommen. Wenn das Spiel kurz vor dem Ende auf der Kippe steht, dann bekommt er den Ball. Fertig. Er wird etwas anstellen mit diesem Spielgerät. Fertig. Er wird diese Partie gewinnen. Aus. Es sind diese Protagonisten, bei denen das Außergewöhnliche derart gewöhnlich daherkommt, weil sie selbst alles außer gewöhnlich sind. Roger Federer ist so ein Typ. Cristiano Ronaldo. LeBron James. Und die NFL-Spielmacher Aaron Rodgers (Green Bay Packers), Tom Brady (New England Patriots), Ben Roethlisberger (Pittsburgh Steelers) und Matt Ryan (Atlanta Falcons).

Bei allem Respekt für andere Halbfinal-Spielmacher-Quartetts der Vergangenheit (Ken Anderson, Dan Fouts, Danny White und Joe Montana aus dem Jahr 1981 etwa oder Jim Kelly, Dan Marino, Troy Aikman und Steve Young elf Jahre später), und welche Statistik man auch immer bemühen mag: Das eingangs genannte Quartett ist die wohl erlesenste Zusammenstellung an Quarterbacks in der Geschichte der NFL-Conference-Finals. Am Sonntag werden vier außergewöhnliche Spielmacher auf der Höhe ihres Schaffens zu bestaunen sein, deren Herangehensweise an diesen Sport die unterschiedlichen Typen auf einem Bolzplatz repräsentiert.

Aaron Rodgers erkennt Ordnung im Chaos

Rodgers, 33, gibt dabei das verrückte Genie mit dem fotografischen Gedächtnis, das im Chaos auf dem Spielfeld eine Ordnung erkennt und seinen Verein zur Meisterschaft im Jahr 2011 geführt hat. "Es ist erstaunlich, wie gelassen er in wichtigen Momenten ist - wahrscheinlich deshalb, weil er etwas sieht, das andere nicht sehen. Und weil er weiß, dass er etwas sieht, das andere nicht sehen", sagt Mitspieler Randall Cobb.

Am vergangenen Sonntag warf Rodgers kurz vor dem Ende den entscheidenden Pass zu seinem Mitspieler, der das Field Goal zum 34:31-Sieg über die Dallas Cowboys vorbereitete - und niemand hätte ihm vor diesem 36-Yard-Wurf mit Taktik kommen dürfen. "Das war kein einstudierter Spielzug", sagt Cobb: "Er hat jedem einzelnen Mitspieler gesagt, wohin er laufen soll - wie ein Kind auf dem Bolzplatz, das Laufwege in den Sand malt." Als jemand anmerkte, dass sowas in einem derart perfektionistisch geplanten Sport wie American Football geradezu lächerlich sei, da antwortete Cobb: "Nein, es ist magisch."

Rodgers selbst hält nicht viel von Magie oder davon, dass ein Spielmacher einem Pass kurz vor dem Ende einer Partie ein Gebet hinterherschicken sollte (weshalb die Amerikaner so einen Spielzug auch "Hail-Mary-Pass" nennen). Rodgers kümmert sich lieber um irdische Regeln wie Wurfwinkel, Wetter und Positionierung der Gegner - er hat dafür vor Jahren sogar einen Physiker befragt. Er selbst sagt dazu: "Es ist keine Magie und keine göttliche Fügung - es ist eine mathematische Gleichung mit vielen Variablen, darunter auch Erfahrung und Gefühl." Fertig. Aus.

Matt Ryan hatte eine Serie von Playoff-Niederlagen, weil er stets verkrampfte

"An die großen Spielmacher erinnert man sich nicht wegen ihrer Statistiken", sagt Rodgers: "An die wirklich Großen erinnern sich die Leute wegen ihrer außergewöhnlichen Leistungen in den Playoffs und wegen ihrer Meisterschaften." Das führt zu jenem Spielmacher, der am kommenden Sonntag die gegnerische Offensive orchestrieren wird: Matt Ryan, 31, ist der hochbegabte Quarterback der Falcons, der endlich auch hocherfolgreich sein möchte. Er war bislang auf dem Bolzplatz der Typ, bei dessen Leistungen die Beobachter genüsslich mit der Zunge schnalzen und dem alle eine grandiose Zukunft prognostizieren - dessen Team jedoch die wichtigen Spiele regelmäßig verliert.

In dieser Saison orchestriert Ryan die explosivste Offensive der Liga, mehr Punkte als die Falcons (540) in der regulären Saison haben in der langen NFL-Geschichte nur sechs Teams produziert und Ryan damit zu einem aussichtsreichen Kandidaten auf die Auszeichnung zum MVP, dem wertvollsten Spieler dieser Saison gemacht (die anderen Favoriten übrigens: Brady und Rodgers). Mehr noch: Am vergangenen Wochenende nahmen sie eine der besten Defensiven der Liga, jene von Seattle, auseinander und gewannen souverän mit 36:20. "Ich dachte immer, dass ich in den Playoffs noch besser spielen muss, deshalb war ich in der Vergangenheit häufig verkrampft", sagt Ryan: "Ich muss jedoch gar nicht mehr machen als sonst - ich muss einfach nur ich selbst sein und meinen Fähigkeiten vertrauen. Dann wird das schon."

Tom Brady und Ben Roethlisberger haben insgesamt sechs Finals gewonnen

Das zweite Duell findet zwischen Patriots-Quarterback Tom Brady (39 Jahre, vier Meisterschaften) und Steelers-Spielmacher Ben Roethlisberger (34, zwei Titel) statt. Brady gibt dabei den Streber, der die gegnerische Defensive mit chirurgischer Präzision seziert, selbst auf kleine Fehler mit einem wütenden Kopfschütteln reagiert und nach einem souveränen Sieg wie am Wochenende (34:16 gegen die Houston Texans) sagt: "Wir müssen viel besser spielen."

Roethlisberger dagegen ist der intuitive Haudegen, der Kollegen mit bösen Blicken straft und persönliche Statistiken so nützlich findet wie Zahnbelag. Er schaffte am vergangenen Wochenende keinen eigenen Touchdown, die Steelers gewannen dennoch 18:16 gegen die Kansas City Chiefs. Roethlisbergers Kommentar: "Völlig egal. Wir haben gewonnen."

Die NFL wird am Sonntag zum Bolzplatz der erfahrenen Spielmacher. Jeder einzelne von ihnen hat in dieser Spielzeit 20 Millionen Dollar verdient. Ihr Erfolg wird als endgültiger Beweis dafür gesehen, dass der Quarterback die bedeutsamste Position in sämtlichen Mannschaftssportarten ist. Natürlich kann es mal passieren, dass ein Verein die Meisterschaft nicht wegen, sondern trotz seines Spielmachers gewinnt (man schlage im Lexikon der vergangenen Saison die Begriffe "Broncos, Denver" und "Manning, Peyton" nach), das sind aber die Ausnahmen, die diese Feststellung bestätigen. Nicht die Defensive gewinnt Titel, sondern der Quarterback. Fertig. Aus.

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