Fördersystem des deutschen Sports:Was passiert mit den 130 Millionen Euro des Bundes?

"Völlig daneben", "raffen das gar nicht mehr", "Pixiewolkenkuckucksheim": Fechterin Imke Duplitzer hat mit ihrer Kritik am Deutschen Olympischen Sportbund aufhorchen lassen. Die Funktionäre aber winken die harten Worte fast widerstandslos durch - dabei geht es um das Grundsatzproblem des deutschen Sports.

Thomas Hahn

Schade drum, die Debatte läuft schon wieder zielstrebig ins Leere. In der allgemeinen Aufregung um die paar harte Worte der Fechterin Imke Duplitzer gegen das deutsche Leistungssportsystem ist jedenfalls nicht zu erkennen, dass sehr ausführlich auf den Prüfstand kommt, was wirklich auf den Prüfstand gehört. Stattdessen geben viele Betrachter der Szene den Hinweis, dass die Lautsprecherin Duplitzer demnächst ein Buch herausbringe.

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Für Kritik unempfänglich: Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Thomas Bach (l.) und Generaldirektor Michael Vesper.

(Foto: dapd)

Manche Sportler mahnen, kurz vor dem Spiele-Auftakt in London leide die Konzentration unter so einem Gepoltere, auch der Chef de Mission Michael Vesper hat zunächst gesagt, Duplitzers Schelte sei zur Unzeit gekommen. Und selbst von denen, die Duplitzers Kritik gut finden, hört man bisweilen: Hätte sie das nicht alles etwas vornehmer sagen können statt mit so kraftvollen Ausdrücken wie "völlig daneben", "gar nicht mehr raffen" oder "Pixiewolkenkuckucksheim"?

Alles Quatsch. Wer es ernst meint mit seinen Ansichten und zumindest eine kleine Chance haben will, damit etwas zu bewirken, der muss die Vorruhe des Großereignisses nutzen, altes Sportmedienlandschafts-Gesetz. Werbung für ein Buch mit interessanten Inhalten ist sowieso kein Fehler. Und was Duplitzers Wortwahl angeht: anschaulich, präzise, auf den Punkt. Es stimmt nämlich, das deutsche Leistungssportsystem ist völlig daneben. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), und Generaldirektor Vesper machen tatsächlich den Eindruck, als rafften die das Problem gar nicht mehr. Weil beide fernab der Sportplätze in ihrem Pixiewolkenkuckucksheim leben.

An Medaillen muss man den Reformbedarf nicht festmachen. Kann schon sein, dass das System wieder die ein oder andere abwirft, vielleicht sogar den ersehnten fünften Platz im Medaillenspiegel. Es geht auch nicht nur um Einzelthemen wie Trainer- oder Talentförderung. Es geht um das Grundsatzproblem des deutschen Sports, das nämlich in der Art besteht, wie der DOSB die 130 Millionen Euro Jahresfördergeld des Bundes an seine Verbände verteilt: nach Zielvorgaben und Projekten, welche Dach- und Fachverband einzeln hinter verschlossener Tür aushandeln.

Feste, für jeden Steuerzahler nachvollziehbare Kriterien für die Mittelvergabe gibt es nicht. Die Fördersumme ist damit in schlechten Fällen eine Frage von persönlichen Interessen und Seilschaften. Kompetente Kontrolle von außerhalb? Fehlanzeige. Da kann es schon sein, dass auf der Strecke bleibt, in was der deutsche Sport wirklich investieren müsste für eine bessere Zukunft; in höhere Trainergehälter zum Beispiel.

Das Thema ist spannend, es spielt mit dem Gedanken, den deutschen Sport grundlegend zu verändern, um ihn fitter zu machen für die nächsten Jahrzehnte. Aber Bach und Vesper finden das Thema offensichtlich nicht spannend, sonst hätten sie die Duplitzer-Kritik nicht so leidenschaftslos durchgewinkt. Sie haben nicht mal richtig Widerrede geleistet. Als wäre ihnen im Grunde alles egal.

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