Flügelflitzer:Keine Ahnung? Kein Problem!

Frankreichs Rugby-Coach geht in die Politik. Auch hierzulande haben Hackl-Schorsch & Co. diesen Schritt schon gewagt. Die USA sind uns aber wieder mal weit voraus.

Lars Spannagel

"Bernie der Beknackte" ist jetzt also Staatssekretär. Frankreichs Rugby-Nationaltrainer Bernard Laporte, bekannt für Wutausbrüche und Schimpfkanonaden, wechselte am Montag direkt nach der vergeigten Weltmeisterschaft vom Spielfeldrand ins französische Ministerium für Gesundheit und Sport. Nach eigenen Angaben versteht Laporte nichts von Politik. Seine neue Vorgesetzte, Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot, findet das prima: "Der Junge hat keine politische, aber sportliche Erfahrung. Das wird frischen Wind in die Politik bringen. Er wird viel lernen, beispielsweise wie eine Republik funktioniert, ein Budget, ein Parlamentsvorgang."

Gegen die Dominanz der grauen Männer

Was für ein Argument: Keine Erfahrung! Frischer Wind! Wer könnte dem widersprechen! Nicolas Sarkozy zeigte sich bei der Rugby-WM auffallend oft mit der französischen Mannschaft (besonders nach Siegen). Der kleine Mann im Élysée-Palast hat die Zeichen der Zeit erkannt: Nur Sportler können der Politikverdrossenheit, der Dominanz der grauen Männer in Parlamenten und Kabinetten ein Ende bereiten. Hierzulande haben es zwar einige ehemalige Athleten in politische Ämter geschafft, leider brachten sie wenig Glamour mit. Eberhard "Ebse" Gienger, Reck-Weltmeister 1974, ist seit 2002 CDU-Bundestagsabgeordneter, unter anderem ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und in der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe. So richtig nach frischem Wind hört sich das nicht an.

Georg "Schorsch" Hackl sitzt seit 2002 für die CSU im Kreistag des Berchtesgadener Lands. Auch er konnte bislang nicht aus seinem Ruhm von sechs Olympiateilnahmen und unzähligen legendären Fernsehauftritten politischen Profit schöpfen. Vom Politiker Georg Hackl hat man weitaus weniger gehört als von der Rodler-Ikone Hackl-Schorsch.

Bernard Laporte hat noch nicht verkündet, was seine Ziele als Sport-Staatssekretär sind. Der Sarkozy-Intimus hatte sich noch am Wochenende gegen Vorwürfe der Steuerhinterziehung wehren müssen. Gegen eine Restaurantkette, an der Laporte beteiligt ist, wird wegen des Verdachts doppelter Rechnungsführung und Schwarzarbeit ermittelt. Der Ex-Rugby-Trainer ist außerdem an Spielcasinos, Campingplätzen und einer Keksfabrik beteiligt und verdiente Millionen durch lukrative Werbeverträge. Ob Madame Gesundheitsministerin diese Art des "frischen Winds" auch zu schätzen weiß?

Vom Profi-Wrestler zum Gouverneur

Wie in so vielen Dingen sind uns die USA auch hier wieder einmal einige Schritte voraus. Arnold Schwarzenegger regiert Kalifornien mit terminatorenhaftem Selbstvertrauen. Der ehemalige Footballer Gerald Ford brachte es einst sogar zum Präsidenten. Jesse "The Body" Ventura war von 1999 bis 2003 Gouverneur des US-Bundesstaats Minnesota. Vorher verdiente er sein Geld als Profi-Wrestler. Ihm gelang es, die Körper-Show mit der politischen Inszenierung zu verbinden. Besonders die große Klappe nahm er aus dem Ring mit in den Gouverneurssitz.

Als Ventura einmal on air vom Talkshow-Moderator David Letterman gefragt wurde, welche der beiden größten Städte in seinem Staat ihm besser gefiele, sagte Ventura unverblümt, er ziehe Minneapolis seinem Regierungssitz St. Paul eindeutig vor. Die politisch unkorrekte Begründung: "Die Straßen von St. Paul müssen von besoffenen Iren entworfen worden sein." Venturas Anhänger feierten ihren Regierungschef mit dem Slogan "My Governor can beat up your Governor", bei Umfragen erreichte er Zustimmungswerte von 73 Prozent. In einem Playboy-Interview gab Ventura zu Protokoll, jede Religion sei "ein Schwindel und eine Krücke für willensschwache Menschen". Er setzte sich für die Schwulenehe und den öffentlichen Nahverkehr ein und pumpte Geld in Minnesotas Schulsystem. 1999 agierte Gouverneur Ventura zudem als Schiedsrichter beim Wrestling-Großkampftag "WWF Summer Slam" unter anderem beim Match "The Rock" gegen "Mr. Ass". Das sollen ihm Bernie, Schorsch und Ebse erstmal nachmachen.

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