Flügelflitzer:Alcatraz für EM-Touristen

Obwohl keine englischen Hooligans zur Europameisterschaft reisen werden, haben die Schweizer ein neues Sicherheitskonzept entwickelt. Es trägt den schönen Namen "Schällemätteli".

Peter Stein

Die Europameisterschaft wird eine ausgesprochen friedliche Veranstaltung. Ganz bestimmt. Schließlich haben sich die Urväter des Hooliganismus erst gar nicht qualifiziert. Die Engländer bleiben auf ihrer Insel und damit auch ein großer Teil der gefürchteten Krawallbrüder.

Flügelflitzer: Das EM-Alcatraz: Schweizer Soldaten errichten ein Holzgefängnis für Randalierer.

Das EM-Alcatraz: Schweizer Soldaten errichten ein Holzgefängnis für Randalierer.

(Foto: Foto: Reuters)

Aber irgendwie trauen die Alpenländer dem Frieden nicht. 1700 deutsche Polizisten werden deshalb die Gastgeber während der EM unterstützen. Schließlich sind die Deutschen 2006 mit einem noch viel größeren Turnier fertig geworden, an dem nahezu alle Nationen mit sogenannten Problemfans teilgenommen haben: Kroatien, Italien, Polen, die Niederlande, sogar Engländer und Deutsche hatte man gut im Griff.

Ganz verlassen wollen sich Österreicher und Schweizer aber nicht auf den ungeliebten Nachbarn. Und mit dem "Schällemätteli" könnten sie eine Revolution in der Sicherheitspolitik von Großveranstaltungen angestoßen haben. Was wie der Name eines eidgenössischen Faschingskostüms oder einer Bergidylle klingt, ist genau das Gegenteil: eine Art Alcatraz für EM-Touristen.

Abschieben leicht gemacht

Hinter dem harmlosen Namen "Schällemätteli" verbirgt sich eine stillgelegte Haftanstalt in Basel, die während des dreiwöchigen Turniers zum Hochsicherheitstrakt werden soll. Das Gefängnis am Rand der Innenstadt musste vor vier Jahren geschlossen werden, weil es nicht mehr den Menschenrechtskonventionen entsprach.

Derzeit errichten Schweizer Soldaten Zellen aus massivem Holz auf dem Gelände. Insgesmat 350 Randalierer sollen in ihnen Platz finden. Und damit man nicht wegen Überfüllung schließen muss, ist auch dafür gesorgt, dass man die unerwünschten Gäste schnell wieder los wird: Der Haftrichter und das Amt für Migration, das für Ausweisungen zuständig ist, ziehen gleich mit ins "Schällemätteli". Abschieben leicht gemacht.

Unklar ist noch, ob den inhaftierten Unruhestiftern nach guter Alpentradition Glocken um den Hals gehängt werden. Daher kommt nämlich der Name der Anstalt: Wenn die Gefangenen früher auf den umliegenden Feldern arbeiteten, trugen sie Glocken, Schellenwerk wie der Schweizer sagt. Dadurch sollte ein Fluchtversuch frühzeitig verraten werden.

Eine Idee, über die die Fußballverbände unbedingt nachdenken sollten, auch mit Blick auf zukünftige Großveranstaltungen. Biometrischer Fingerabdruck und Iris-Abgleich war gestern, Kuhglocke ist heute: Bekannte Randalierer bekommen schon an der Grenze eine Glocke um den Hals geknotet und jeder wüsste: Achtung! Mann mit Kuhglocke! Gefahr!

Stellt sich nur noch die Frage der Zelleneinteilung: Wird nach Vorrunden-Gruppen sortiert? Da würden Polen, Kroaten und Deutsche zusammengepfercht. Und Holländer, Franzosen und Italiener. Lieber nicht. Vielleicht finden die mit der Landesverteidigung eher mäßig ausgelasteten Schweizer Soldaten ja noch Zeit, die Zellen in den jeweiligen Landesfarben anzupinseln. Könnte eine bunte Liga werden. Und vielleicht kommt es auf derart engem Raum ja doch mal zu so etwas wie Völkerverständigung.

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