Flüchtlinge beim SV Babelsberg:Welcome United

SV Babelsberg Flüchtlinge

Gruppenbild in der Babelsberger Kabine: die für Flüchtlinge gegründete Fußball-Mannschaft "Welcome United 03".

Fußball-Regionalligist SV Babelsberg setzt ein Zeichen: Er hat eine eigene Mannschaft für Flüchtlinge gegründet. Asylbewerber müssen erst einige bürokratische Hürden bewältigen, um einen Spielerpass zu erhalten.

Von Sebastian Fischer

Der Fußballtrainer Zahirat Juseinov hat ein Problem, und es interessiert ihn gerade nicht, dass andere Trainer sein Problem gerne hätten: Juseinov ist sauer. Deshalb ist er aus der Kabine gestapft und steht jetzt draußen vor dem Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg. Er schüttelt den Kopf, seufzt, sein Atem kondensiert in der kalten Luft. Er rafft seine Daunenjacke zusammen, verschränkt die Arme. Dann sagt er: "Die wollen alle spielen. Alle auf einmal."

Die Spieler von "Welcome United 03" bekommen dazu nicht oft die Gelegenheit. Wenn, dann haben sie eine Aufgabe, ausnahmsweise. Dann dürfen sie sich beweisen, haben Spaß. Welcome United ist die dritte Mannschaft des Regionalligisten SV Babelsberg 03, die Spieler sind Flüchtlinge aus Afrika, Osteuropa, dem Nahen Osten. Menschen die in Deutschland nach Schutz und einer Zukunft suchen. Menschen, die in Deutschland vor allem warten müssen, wie andere über ihre Zukunft entscheiden. Ihre Geschichte ist an diesem kalten Winterabend gerade ein halbes Jahr alt, doch sie ist bereits besonders: Sie zeigt was Sport kann, wenn man ihn lässt.

200 000 Erstanträge auf Asyl erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in diesem Jahr in Deutschland, die Zahlen steigen. In Brandenburg sind 2014 knapp 4000 Flüchtlinge eingetroffen. Johnson, 32, aus Nigeria, kam bereits 2011. "Deutschland ist sicher", sagt er. Doch als geduldeter Flüchtling darf er hier nicht arbeiten, seiner Talente und Qualifikationen zum Trotz, er arbeitete als politischer Berater der Opposition und wurde nach den Präsidentschaftswahlen in Nigeria bedroht. Nun lebt er in Deutschland vor sich hin, die Tage sind lang und öde. Im Sommer wollte Johnson raus, sich bewegen, Fußball spielen - wenigstens eines seiner Talente mal wieder zeigen dürfen. Johnson traf Manja Thieme.

Edwin aus Kenia taucht unter

Der SV Babelsberg hat eine Tradition als politisch engagierter Fußballverein. Seine Anhänger kämpfen seit Jahren gegen Rassismus und Homophobie. Thieme, ehrenamtliche Helferin bei der Ausländerseelsorge Babelsberg, ist seit Jahren Fan. Sie fragte nach einem Platz für Johnson - und sie bekam mehr. Der Verein sammelte Spenden, die Nordkurve engagierte sich als Trikotsponsor, die erste Mannschaft ließ sich "Refugees Welcome" auf die Trikotärmel sticken, die Flüchtlinge wurden Mitglieder. Im Oktober fand im Karl-Liebknecht-Stadion das erste Heimspiel statt. Und zur neuen Saison will Babelsberg die Mannschaft für den Spielbetrieb anmelden.

Natürlich ist der Fußball allein keine Lösung. Edwin, 24, aus Kenia, hagere Figur, hat die erste Halbzeit gespielt, jetzt steht er am Rand. Seine Stimme zittert, als er seine Geschichte erzählt, Geschichten, wie sie seine Teamkollegen ähnlich erzählen können. Edwin spricht von einer Kindheit ohne Eltern auf der Straße, religiöser Diskriminierung, Flucht als einziger Perspektive. Er landete in Paris, im März.

Seit ein paar Wochen ist er in Deutschland und hat statt der Aussicht auf eine bessere Zukunft Angst vor der Abschiebung. Ohne Medikamente kann er nicht schlafen. Fußball? "Das hilft mir auch nicht", sagt er. Ein paar Tage nach dem Spiel wird Manja Thieme eine SMS schreiben, Edwin sei untergetaucht. Doch an diesem Abend wird er noch mal eingewechselt, schießt ein Tor, feixt mit den Mitspielern. Lacht.

"Schießt aufs Tor - dann wird es besser!"

"Es geht darum, dass die Flüchtlinge den Kopf frei kriegen, Energie ablassen und Selbstbewusstsein tanken. Aber auch darum, dass sie Freunde finden und ein Netzwerk aufbauen", sagt Sozialarbeiterin Caroline Gaffron. Sie betreut in Berlin die ausgezeichnete Initiative "Champions ohne Grenzen", die mehrmals in der Woche Trainingseinheiten für Flüchtlinge anbietet und sie auch abseits des Platzes betreut, bei Behördengängen oder der Jobsuche. Es gibt ähnliche Projekte in anderen Großstädten, doch Gaffron würde sich insbesondere von Sportvereinen mehr Initiative wünschen. Gerade für größere Vereine, sagen sie in Babelsberg, müsste das doch einfach sein. Sie konnten es kaum glauben, als sie ihre Geschichte im Sommer bekannt machten, dass sie die Ersten waren.

Bürokratische Hürden hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erst spät als Problem erkannt. Für einen Spielerpass müssen Flüchtlinge eine Meldebestätigung mit Mindestlaufzeit vorlegen - allerdings sind sie meistens nur für wenige Monate in Deutschland geduldet. Außerdem muss 30 Tage lang eine Reaktion vom Fußballverband im Heimatland des Flüchtlings abgewartet werden.

Ende November organisierte der DFB ein Treffen der Vertreter der Landesverbands-Passstellen zum Thema, ein Mitarbeiter des BAMF referierte über die rechtlichen Rahmenbedingungen von Passvergaben an Flüchtlinge. Anfang 2015 soll es eine Handreichung an die Vereine geben: "Für mehr Handlungssicherheit." Der Landesverband in Brandenburg hat den Babelsbergern ein unkompliziertes Aufnahmeverfahren in Aussicht gestellt.

2:7 gegen Hansa 07

Die Förderung von Sportangeboten für Flüchtlinge in Deutschland hängt von der Initiative Einzelner ab, das zeigt eine Nachfrage beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Der feierte jüngst in Berlin gemeinsam mit dem BAMF das 25. Jubiläum seines Förderprogramms "Integration durch Sport", pro Jahr stehen dafür 5,4 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderung von Angeboten für Flüchtlinge, heißt es, spielt in den Förderrichtlinien keine Rolle. Das BAMF bestätigt dies auf Anfrage: Der Bund fördere mit dem Programm die Integration von rechtmäßig auf Dauer in Deutschland lebenden Ausländern. Nicht die von Geduldeten und Asylbewerbern.

Zahirat Juseinov, der Trainer, den seine Spieler Hassan nennen, ist selbst mit Frau und drei Kindern nach Deutschland geflüchtet. In seiner Heimat Mazedonien wurde die Familie als ethnische Minderheit diskriminiert. Juseinov freundete sich mit Babelsberger Fans an, die sein Flüchtlingsheim besuchten, ging mit ihnen ins Karl-Liebknecht-Stadion, wo er kurz als Hausmeister jobbte. Die Stelle verlor er aus bürokratischen Gründen. Nun hat er in einem Krankenhaus Arbeit gefunden, die er langfristig ausüben darf. Und rechnet nach vier Jahren endlich mit einer Aufenthaltsgenehmigung für seine Familie. Die Plattform für viele mühsame Schritte auf seinem langen Weg: Fußball.

Welcome United hat 2:7 gegen den Kreisligisten Hansa 07 verloren, vor dem Anpfiff standen 13 Spieler auf einmal auf dem Platz, Juseinov hat sich das anders vorgestellt. Trotzdem lächelt er. Was der Fußball den Flüchtlingen bringt? Er grinst. Die Spieler kämen mit vielen Problemen zum Training, mit Langeweile, Wut. "Ich sage ihnen: Schießt erst einmal aufs Tor! Dann wird es besser."

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