First Vienna FC:Österreichs ältester Klub stürzt ab

FUSSBALL Erste Liga Vienna vs Parndorf WIEN AUSTRIA 09 JUN 11 FUSSBALL Erste Liga Relegation

Sehnsuchtsort für Fußball-Romantiker: Im Stadion Hohe Warte wird bis heute vor einer naturbelassenen Tribüne gekickt.

(Foto: imago)
  • Der First Vienna FC ist er älteste Klub Österreichs, doch nun erlebt er die größte Krise in der 123-jährigen Geschichte: Der Verein bangt um die Existenz.
  • Der Hauptgrund sind wohl viele Managementfehler, die in den vergangenen Jahren gemacht wurden.
  • An diesem Sonntag tritt Rapid Wien beim Drittligisten zum "Rettungsspiel" an.

Von Johannes Kirchmeier

"Managementfehler", sagt Gerhard Krisch immer wieder in den Telefonhörer. Managementfehler habe sein Verein in den vergangenen Jahren viele gemacht. Sein Verein ist der First Vienna FC 1894, Krisch ist seit Januar Geschäftsführer des ältesten Fußballklubs Österreichs, einst von englischen und österreichischen Pionieren gegründet. Noch in seine Einarbeitungszeit fällt nun die größte Krise in der 123-jährigen Geschichte, der Verein bangt um die Existenz.

Die goldenen Zeiten des Klubs, der mittlerweile in der dritten Liga, der Regionalliga Ost spielt, liegen weit zurück: Der Verein hat einen ehrenamtlichen Historiker, Alexander Juraske, der darüber Bücher schreibt. Als österreichischer Regionalligist! Man stelle sich vor, in Deutschland käme ein Drittligist wie die Sportgemeinschaft Sonnenhof Großaspach oder der Sport-Club Paderborn auf diese Idee.

Die Vienna steht als Sinnbild für die wechselhafte Geschichte des ganzen Landes

Bei den Wienern geht das. 1931 gewann die Vienna, wie sie den Klub in Österreich nennen, den Mitropacup, einen Vorgängerwettbewerb des Europapokals. Und die Vienna steht auch als Sinnbild für die wechselhafte Geschichte Österreichs. Sie ist der einzige Verein, der österreichisch-ungarischer, österreichischer und deutscher Pokalsieger wurde - 1943 gewann die Vienna den Pokal, ein Jahr davor verlor sie das Meisterschaftsfinale gegen Schalke. 1955 wurde sie letztmals Meister. Als Titelsammler macht sie keine Schlagzeilen mehr - wenn man mal das Wiener Stadthallenturnier 2009 ausnimmt, als der heutige Kölner Peter Stöger das Team trainierte.

Seit Jahren befindet sich die Vienna nach den eingangs erwähnten Managementfehlern im finanziellen Schlingerkurs. Der letzte Fehler war zu viel: Vor zwei Jahren stieg Martin Kristek, Inhaber eines Billigstromanbieters mit Sitz in Hamburg, als Hauptsponsor ein. Sein Vater wurde Präsident, der Verein war vollkommen abhängig vom Sponsor, der am Anfang verkündete, das "Hoffenheim Österreichs" werden zu wollen. Aber an Zahlungszusagen hielt er sich schon in der vergangenen Saison nicht immer, im Januar verstarb er. Seine Firma meldete im Februar Insolvenz an, der Verein im März. Seit Dezember kriegen Spieler und Trainer kein Geld. "Die März-Gehälter werden wir vermutlich wieder zahlen", sagt Krisch.

Er war bis Dezember Banker bei Unicredit, 31 Jahre lang. Man darf davon ausgehen, dass er weiß, wie man mit Geld umgeht. Nun muss er zeigen, dass er auch weiß, wie man ohne Geld überlebt. "Für uns heißt das: Kosten runter und Einnahmen rauf", sagt er, "an dem arbeiten wir sehr heftig."

Einfach wird die Rettung dennoch nicht, nachdem im Januar eine 700 000-Euro-Lücke im Budget entstand und statt der 700 bis 800 Zuschauer pro Spiel künftig ein Schnitt von etwa 1000 erreicht werden soll: "Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass das eine gmahde Wiesn ist, wie man bei uns sagt." Früh hat sich Krisch daher mit den anderen Wiener Klubs in Verbindung gesetzt, Austria Wien sammelte beim Derby gegen Rapid Geld, Rapid tritt am Sonntag zum "Rettungsspiel" an, das dem Motto folgt "Tradition verbindet".

Das Team könnte als Meister absteigen

18,94 Euro kostet eine Karte, angelehnt ans Gründungsjahr der Vienna. Mit 5000 Zusehern kalkuliert Krisch, 3000 der 7500 Karten sind bisher verkauft für das Spiel auf der Hohen Warte, einem der traditionsreichsten Sportplätze der Welt. In den 1930er-Jahren zauberte dort Österreichs sogenanntes Wunderteam um Mittelstürmer Matthias Sindelar - vor 90 000 Zuschauern. Das Stadion war damals die größte Naturarena Europas, noch heute erhebt sich gegenüber der Haupttribüne ein grasbewachsener Hügel. Die Hohe Warte ist ein Sehnsuchtsort für Fußball-Romantiker, es gibt Touristen, die Wien nur wegen ihr besuchen.

Dass dort auch in der kommenden Saison Fußball gespielt wird, dafür soll Krisch sorgen. Eine internationale Sponsorengruppe half in den vergangenen Wochen, den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Man kennt die Vienna im Ausland. "Doch auf die eine Gruppe werde ich mich nicht alleine verlassen", sagt Krisch. Er wolle nicht den gleichen Managementfehler wie seine Vorgänger machen, sondern mehrere Sponsoren akquirieren: Sein Ziel lautet "150 für 5000" - mindestens 150 Sponsoren sollen je 5000 Euro geben.

Mit Rapid strebt die Vienna zudem eine engere Beziehung an, sie will im Merchandising vom Bundesligisten profitieren. Denn die Vienna, der Oldtimer auf der Hohen Warte, hat nicht nur Liebhaberwert. Sie ist immer noch Zubringer für die anderen Wiener Vereine. 300 Kinder und Jugendliche werden in den Nachwuchsteams ausgebildet, so wie früher etwa Rapids Torhüter Tobias Knoflach.

Gelingt Krisch die Neustrukturierung, müsste die Vienna nach den Regularien des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) trotzdem eine Liga tiefer antreten, in der viertklassigen Wiener Liga; so tief sank sie noch nie. Ihr Geschäftsführer will mit dem ÖFB über einen Verbleib in der Regionalliga sprechen, "Managementfehler" will er sich nicht nachsagen lassen: "Ich habe mich mit der Wiener Liga noch nicht angefreundet, wir planen zweigleisig." Sollte der ÖFB nicht Gnade walten lassen, steigt die Vienna ab, möglicherweise als Meister. Denn sportlich läuft es gut wie lange nicht. Beim Titelkonkurrenten Ritzing gewann sie jüngst 5:0.

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