Finanzkrise bei 1860 München:"Dann wäre das Kapitel 1860 beendet"

Der Berliner Investor Nicolai Schwarzer will sein Engagement beim Zweitligisten TSV 1860 München ausbauen. Der Klub ist längst von ihm abhängig.

G. Kleffmann und M. Schäflein

Nicolai Schwarzer kennt die Zahlen genau. Der Berliner Unternehmer ist nicht nur Immobilienhändler und Spielerberater, sondern auch Investor beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, und als solcher durfte er detailliert Einblick nehmen ins Rechenwerk des klammen Klubs. "Ich bin in die Prozesse, die mich betreffen, eingebunden und daher ganz nah am Verein dran", sagt Schwarzer, "ich habe auch die Lizenzauflagen eingesehen."

Die KGaA, die ausgegliederte Profifußballabteilung, muss bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) spätestens am 13. Januar 5,3 Millionen Euro zusätzliche Liquidität nachweisen. Schwarzer möchte nun - neben dem Millioneninvestment in die Löwen Sportrechte VermarktungsGmbH (LSV) - auch direkt in die KGaA größer einsteigen.

Die Gelegenheit ist gut, der benötigte Betrag wird über Einsparungen und Stundungen alleine bei Weitem nicht zu erreichen sein; es ist davon auszugehen, dass der TSV noch rund drei Millionen Euro frisches Geld von außen braucht. Schwarzer hat nach eigenen Angaben bereits etliche Gespräche mit den Verantwortlichen geführt: "Wir sind ständig im Austausch."

In der LSV bekommt Schwarzer sein Darlehen formal fest und gut verzinst, dort ist sein Gewinn unabhängig vom Erfolg des Klubs. Bei einem weiteren Investment in die KGaA wäre er noch stärker mit den Geschicken der Löwen verknüpft. Auf die Frage, weshalb er trotz der schlimmen Lage und der räumlichen Distanz weiterhin Geld in 1860 stecken möchte, sagt Schwarzer: "Das ist eine gute Frage."

Er überlegt lange, dann sagt er, er sei "mit allen Beteiligten im Austausch", es habe "keiner Interesse, das Schiff untergehen zu lassen", "der sportliche Erfolg ist - Gott sei Dank - da", und außerdem habe neulich beim 1:0 gegen Berlin sein "emotionales Sechzgerherz höher geschlagen als das Herthaherz". Schwarzer betont, er besitze eine Ausstiegsoption, die er trotz der derzeit misslichen Lage nicht wahrzunehmen plane. "Wenn ich das tun würde", sagt Schwarzer, "wäre das Kapitel 1860 beendet."

Auch das erfolgreiche Jugendzentrum muss sparen

Einige damalige 1860-Aufsichtsräte wie Oberbürgermeister Christian Ude hatten vor einer solchen Abhängigkeit gewarnt, als Schwarzer Anfang 2009 bereits KGaA-Anteile erwerben wollte. "Die DFL hat damals nur Passagen kritisiert, aber das Modell an sich nicht", sagt Schwarzer heute. "Vielmehr waren die Bedenken aus dem damaligen Vereinsumfeld entscheidend."

Schwarzer ermöglichte damals nach dem Antritt von Sportdirektor Miroslav Stevic dessen Begrüßungstransfers Rukavina und Gulan mit einem Zuschuss von 300.000 Euro. Ude verließ das Gremium, über das er heute sagt: "Der Aufsichtsrat von 1860 ist nach meiner Kenntnis der einflussloseste Aufsichtsrat der deutschen Wirtschaftsgeschichte, er zeichnet sich vor allem durch fehlende Kompetenzen aus." Schwarzer stieg über die LSV, an die der Verein Transferrechte seiner Spieler abtritt, indirekt doch bei den Löwen ein.

Geschäftsführer Robert Schäfer hatte schon am Montag betont: "Wenn bei so einer Sanierung ein wichtiger Partner wegbricht, kann man sich vorstellen, was dann passiert." Und Schwarzer zählt zu den wichtigsten Partnern. Verprellen wollen Schäfer und Vizepräsident Dieter Schneider den Berliner also auf keinen Fall, dennoch halten sie sich für das dringend benötigte Investment auch noch andere Kandidaten warm.

Noch in dieser Woche steht nach SZ-Informationen ein detailliertes Gespräch mit einem Investor aus, der bereits bei einigen anderen Bundesligaklubs beteiligt ist. Es soll bereits einen ersten Austausch mit dem potentiellen Geldgeber gegeben haben, im Verein soll man durchaus angetan gewesen sein. Nun geht es offenbar darum zu prüfen, mit welchem Modell ein Einstieg dieses Investors bei 1860 möglich wäre. Wie zu hören ist, versucht der Verein derweil weiterhin intensiv, namhafte Unternehmen als Unterstützer für Sechzig zu gewinnen. Bisher soll es aber nur Absagen gegeben haben.

Unterdessen wird immer deutlicher, dass der Sparkurs künftig wohl auch den erfolgreichen Juniorenbereich trifft. "Unser Nachwuchsleistungszentrum kostet jährlich drei Millionen Euro, der SCFreiburg macht das für 1,8 Millionen, und er macht es auch hervorragend", sagt Schäfer. Bei der U23, dem Ausbildungsteam in der Regionalliga, soll schon in der Winterpause mit dem Sparen begonnen werden.

Als Kandidaten für einen Weggang gelten die 19-jährigen Stürmer Ideal Iberdemaj und Marcel Ebeling sowie der Verteidiger Damir Kurtovic, ebenfalls 19, der zu Saisonbeginn von Rot-Weiß Ahlen gekommen war. Auch Kushtrim Lushtaku, 21, und Tarik Camdal, 19, die formal schon dem Profikader angehörten, aber in der Regionalliga spielten, dürfen wohl gehen - falls sie im Winter neue Vereine finden.

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