Finalsieg im Elfmeterschießen:"Ganamos!" Chiles größte Feier

Chile's Alexis Sanchez celebrates after scoring the winning penalty kick in their Copa America 2015 final soccer match against Argentina at the National Stadium in Santiago

Dann trifft er doch noch: Alexis Sánchez chippt den letzten Elfmeter für Chile lässig ins Tor und jubelt über den Gewinn der Copa América.

(Foto: Marcos Brindicci/Reuters)
  • Der Gastgeber gewinnt das Endspiel der Copa América gegen Argentinien im Elfmeter-Krimi und damit erstmals einen Titel.
  • Gonzalo Higuaín wird zur tragischen Figur.

Von Javier Cáceres, Santiago de Chile

"Sind wir eigentlich darauf vorbereitet, zu triumphieren?" Das war die bange Frage, die sich Chiles größte Zeitung, El Mercurio, am Tag des Finales der Copa América stellte. Chile und die internationalen Turniere - das ist ja fast in jeder Sportart eine Geschichte des Scheiterns. Fast hundert Jahre gibt es den Südamerikapokal der Nationalmannschaften schon - gewonnen hat ihn Chile nie. Bis zu diesem Samstag!

Nach dem letzten, entscheidenden Elfmeter von Alexis Sánchez sank Argentiniens Gonzalo Higuaín am Mittelkreis zu Boden. Er hatte den letzten Elfmeter der Argentinier verschossen. Die chilenischen Spieler dagegen rannten auf Sánchez zu, die Fans auf den Tribünen schwenkten rund 40.000 chilenische Fahnen. Auf der Ehrentribüne jubelte Chiles Präsidentin Michelle Bachelet. "Ganamos! Ganamos" - "Wir haben gewonnen", stammelte sie immer wieder.

Messi weiter ohne Titel mit der Nationalmannschaft

Die goldene Generation Chiles siegt gegen die goldene Generation der Argentinier - und das völlig verdient. Sie war besser organisiert, bissiger, hat wirkungsvoller verteidigt. Und hatte die besseren Elfmeterschützen. Nach dem 4:1 im Elfmeterschießen hat Chile seine titellose Zeit beendet - und Lionel Messis Misere im Nationaltrikot fortdauern lassen. Er bleibt weiter ohne Titel mit der Nationalmannschaft.

Die Zuschauer hatten zuvor ein torloses Spiel gesehen. Nach 120 Minuten fanden die Chilenen aber ihre Torgefahr wieder: Matías Fernández trat an - und traf. Arturo Vidal? Traf. Charles Aránguiz? Drin. Alexis Sánchez: Tor und totale Freude.

Für Argentinien traf nur Messi. Gonzalo Higuaín und Enver Banega verschossen. Vor allem Higuaín wurde zur tragischen Figur des Spiels. Noch in der letzten Sekunde der Nachspielzeit hätte er die Verlängerung verhindern können. Nach einem von Messi eingeleiteten Konter hatte er einen Pass des eingewechselten Ezequiel Lavezzi erhalten - und den Ball am langen Pfosten ans Außennetz gesetzt.

Higuaín vergibt - wie bei der WM gegen Deutschland

Bei Higuaín und den Argentiniern dürften Erinnerungen an das WM-Finale in Brasilien aufgekommen sein. Denn schon in Rio de Janeiro hatte er gegen Deutschland aus aussichtsreicher Position versagt. Unmittelbar vor dem Ende der ersten Halbzeit der Verlängerung unterlief Alexis Sánchez ein ähnliches Malheur: Nachdem Argentiniens heimlicher Kapitän Javier Mascherano an der Mittellinie in die Luft getreten hatte, lief der bei der Copa glücklose Stürmer Sánchez allein auf Torwart Sergio Romero zu - und schoss übers Tor. Doch die Entscheidung sollte, sie musste wohl auf die dramatischste Art fallen, im Elfmeterschießen.

Wie sehr das Gastgeberland in Wallung war, hatte man vor Spielbeginn beobachten können. Fast hätte man befürchten müssen, dass die chilenische Elf zu spät zum Anpfiff kommt: Der Mannschaftsbus konnte den größten Teil der Strecke vom Mannschaftsquartier in der Sportstadt Juan Pinto Durán bis zum Stadion nur im Schritttempo zurücklegen. Fahnenbewehrte Menschen säumten die Straßen, warfen sich dem Bus in den Weg, liefen mit. Sie kamen noch pünktlich an, das war die eine Nachricht. Die andere: Chile beeindruckte mit Beginn der Partie durch ein Pressing, das brutal war für den Gegner und die eigene Physis. In den ersten 20 Minuten erkämpfte sich Chile mit der schon von der WM 2014 bekannten Kamikaze-Spielweise einen absurd hohen Ballbesitzanteil.

Doch diese starke Drangphase war die einzige wirklich hochklassige Sequenz der Partie. Sie war von großer Intensität geprägt, spielte sich aber die meiste Zeit zwischen den Strafräumen ab. Auch Messi konnte der Partie keinen Impuls verleihen. Er war lange Zeit Opfer einer gut gestaffelten chilenischen Verteidigung, die der Hamburger Marcelo Díaz diesmal als Libero umsichtig organisierte.

Díaz rettet auf der Linie

Díaz war es auch, der die erste Großchance der Partie vereitelte. Der ehemalige FC-Bayern-Profi Martín Demichelis, der für Ezequiel Garay ins Team gerückt war, köpfelte eine Freistoßflanke von Messi aufs Tor; Díaz rettete auf der Linie (20. Minute). Nur drei Minuten später hatte Chiles Mittelstürmer Eduardo Vargas zu viel Zeit, zu überlegen, als er nach einem langen Pass einen Konter über die rechte Bande setzte; zwanzig oder dreißig Meter allein auf Torwart Sergio Romero zulief - und den Ball übers Tor setzte. Ähnlich erging es dem nach knapp 30 Minuten eingewechselten Ezequiel Lavezzi, als er in der 44. Minute frei im Strafraum der Chilenen zum Torschuss kam. Chiles Torwart Claudio Bravo, beim FC Barcelona in den Ligaspielen Stammtorwart, klärte mit den Fäusten.

Das fiel in eine Phase, in der das bis dahin gut organisierte Spiel der Chilenen zunehmend zerfranste und sich die Ungenauigkeiten im Passspiel häuften. Eine Ursache dafür, dass Chiles Dreierkette - Gery Medel, Marcelo Díaz und Francisco Silva - vor der Pause noch Gelb sahen. Das hätte eigentlich eine gefährliche Hypothek für die Chilenen sein müssen. Doch weil der Spieler mit dem größten Organisationstalent bei den Argentiniern, Javier Pastore, abgemeldet war, blieben Chancen für die Gäste Mangelware. Auch den Chilenen gelang nicht mehr viel. Ein druckloser Kopfball aus14 Metern durch Arturo Vidal kurz nach Wiederbeginn war eigentlich alles - bis zu der gigantischen Chance von Higuaín.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: