Finale der NBA:Warriors gegen Cavaliers - die letzte Schlacht der NBA

Golden State Warriors at Cleveland Cavaliers

Nach der Bauchlandung wieder aufstehen: Den Cavaliers um LeBron James (l.) ist das mit dem 3:3-Ausgleich in der Serie gegen Steph Currys Warriors gelungen.

(Foto: Larry W. Smith/dpa)
  • Im entscheidenden Spiel der Finals zählt heute Nacht nicht nur, welche Mannschaft den Ball besser in den Korb wirft.
  • Es geht auch darum, wer wen kreativer beleidigt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es war der Moment, in dem der Verantwortliche für die Anzeigetafel in der Basketballarena von Cleveland auch nicht mehr wusste, was er noch zeigen sollte. Die Amerikaner verlassen gewöhnlich mit dem Ertönen der Schlusssirene - bisweilen auch schon viel früher - die Hallen, doch nun waren sie immer noch alle da.

15 Minuten, nachdem die Cleveland Cavaliers mit einem Sieg gegen die Golden State Warriors ein entscheidendes siebtes Spiel in der NBA-Finalserie erzwungen hatten, sahen die Menschen also auf dem überdimensionalen Videowürfel eine Szene aus der Baseball-Komödie "Die Indianer von Cleveland" (1989). "I guess there's only one thing left to do", sagt Tom Berenger zu den Spielern dieses Außenseiter-Vereins: "Win the whole fucking thing."

Cleveland kann das Scheiß-Ding mit einem Auswärtssieg gewinnen

Die Cavaliers, das war die eindeutige Botschaft, sollen das Scheiß-Ding gewinnen und zum ersten Mal seit 52 Jahren wieder eine Trophäe in einer bedeutsamen Sportart nach Cleveland bringen. Sie sollen Meister in der nordamerikanischen Basketballliga NBA werden nach einer Saison, in der sie nach einer 98:132-Niederlage gegen die Warriors im Januar ihren Trainer David Blatt entlassen haben.

In der auch Blatts Nachfolger Tyronn Lue die Warriors-Offensive nicht stoppen konnte. In der die Cavaliers die ersten beiden Spiele der Finalserie deutlich (89:104 und 77:110) verloren und nach einer Heimniederlage bereits mit 1:3 zurücklagen. Nun können sie das Scheiß-Ding mit einem Auswärtssieg gewinnen.

Ein fantastischer Nebeneffekt dieses Comebacks und dieser herrlich verrückten Finalserie - und gleichzeitig der Beweis, dass Facebook und Twitter doch segensreiche Erfindungen sein können - ist die Möglichkeit, auf diesen Portalen nun all die Einträge der selbst ernannten Basketballgurus der vergangenen zwei Wochen zu lesen und dabei festzustellen: Niemand hatte nach den ersten beiden Partien prognostiziert, dass diese Serie derart intensiv werden und in einem Entscheidungsspiel kulminieren würde.

Deshalb hier eine kurze Aufzählung der Ereignisse nach dem zweiten Spiel, die freilich keinesfalls der kompletten Dramatik gerecht wird:

• Cleveland gewinnt das dritte Spiel der Serie mit 120:90. LeBron James wird dabei ertappt, wie er seine Mitspieler dazu auffordert, jenen Akteur anzuspielen, den Stephen Curry gerade deckt. Es ist der Beginn einer wunderbaren Feindschaft. Nach dem Spiel sagt Warriors-Trainer Steve Kerr: "Wir haben heute ganz schön aufs Maul bekommen." In Guru-Kreisen gilt diese Partie als Ausrutscher der gelangweilten Warriors auf dem sicheren Weg zum Titel. Kerr merkt aber an: "Die anderen bekommen auch Millionen von Dollar, dass sie diesen Sport betreiben."

Draymond Green bezeichnet LeBron James als "Bitch"

• Im vierten Spiel wird deutlich, dass es in dieser Serie keinesfalls nur darum geht, welche Mannschaft den Ball besser in den Korb des Gegners werfen kann. Draymond Green bezeichnet LeBron James als "Bitch", in diesem Zusammenhang also als Weichei. Später drückt er James den Ellenbogen ins Gemächt, als der nach einer Rangelei über ihn hinweg steigt. Golden State gewinnt das Spiel, aber Green wird für die fünfte Partie gesperrt.

• Klay Thompson von den Warriors sagt über James: "Das ist eine Männerliga - ich habe auch schon ein paar krasse Sachen auf dem Platz gehört." James sagt über Thompson, dass er lieber nichts sagen will. Die Frau von Stephen Curry beschimpft James bei Twitter.

• Bei den Cavaliers spielen neben James noch einige andere mit, die Millionen von Dollar verdienen. Einer von ihnen sogar 19,5 Millionen in dieser Saison, um genau zu sein. Er heißt Kevin Love und bildet mit James und Kyrie Irving die so genannten Big Three.

• Die Cavaliers gewinnen die fünfte Partie in Oakland, die Big Three erzielen dabei 84 Punkte. James und Irving kommen jeweils auf 41 Punkte, Love auf zwei. Ein Cleveland-Fan startet eine Crowdfunding-Aktion, durch die Love auf die Ersatzbank verbannt werden soll.

• Warriors-Trainer Steve Kerr sagt: "Wir führen noch immer mit 3:2, bei der nächsten Partie darf Draymond wieder mitspielen - also finde ich unsere Lage eindeutig besser als die der Cavaliers."

Curry pfeffert seinen Mundschutz in den Magen eines Kindes

• Während der sechsten Partie leistet sich Love zwei schnelle Fouls, spielt insgesamt nur knapp zwölf Minuten und schafft einen Korb aus dem Feld. Die restliche Zeit über sitzt er auf der Bank - was den Crowdfunding-Fan gefreut haben dürfte. James sagt danach über ihn: "Wir brauchen ihn." Er verrät nicht, wofür sie ihn brauchen.

Curry fliegt vom Feld

• Im Schlussviertel blockt James einen Korbleger von Curry - und lässt ihn danach wissen, wen er für den besseren Spieler hält. Das ärgert Curry derart, dass er sich zehn Sekunden später sein sechstes Foul leistet und seinen Mundschutz dem Sohn eines Cavaliers-Fans in den Magen pfeffert. Curry wird zum ersten Mal in seiner Karriere des Feldes verwiesen.

• Die Cavaliers gewinnen. James kommt wieder auf 41 Punkte, dazu schafft er acht Rebounds, elf Zuspiele und sieben Steals. Zur Erinnerung: Der wertvollste Spieler der regulären Saison, zum ersten Mal übrigens ohne Gegenstimme gewählt, heißt Stephen Curry. Dazu hatte James schon vor Wochen angemerkt, dass es wohl einen Unterschied zwischen den Superlativen der Adjektive wertvoll und gut gebe. James tritt auf, als wäre er das Ungeheuer in einem Film - und die zu zerstörende Stadt ist die Defensive der Warriors. Bei denen ist derzeit kein Superheld in Sicht.

• Kerr findet die Lage seiner Mannschaft noch immer ganz in Ordnung. Was er nicht in Ordnung findet: die Leistung der Schiedsrichter. Für seine Kritik wird er mit einer Strafe von 25 000 Dollar belegt - wie übrigens vorher auch Cleveland-Trainer Lue nach der vierten Partie. Die Frau von Curry hat auch mal wieder etwas zu twittern: Sie unterstellt der NBA Betrug. Ihr Vater übrigens wird vor dem Spiel von der Polizei vernommen, weil ihn das Sicherheitspersonal für einen Betrüger hält. Ayesha Curry nennt das eine "traumatische Erfahrung".

• Der Berater von Love trifft sich einen Tag nach der sechsten Partie mit den Boston Celtics. Es heißt, dass sich ein Tauschgeschäft anbahne. Auf diversen Crowdfunding-Seiten ist noch keine Aktion zu finden, auf der so ein Trade von den Cleveland-Fans unterstützt wird.

• Es heißt, dass bei den Warriors neben Andrew Bogut (Knie) auch Andre Iguodala (Rücken) ausfallen könnte. Iguodala gilt als der Einzige, der diese ohnehin angeschlagene Stadt noch vor der endgültigen Zerstörung durch das Ungeheuer James bewahren könnte.

• Wer wissen möchte, wer die entscheidende Partie am Sonntag (17 Uhr Ortszeit, in Deutschland um zwei Uhr morgens) sicher gewinnen wird, der möge bitte die zahlreichen Facebook- und Twitter-Einträge der selbst ernannten Gurus lesen. Bislang lauten die Prognosen etwa 49-49: die Warriors wegen Heimvorteil und die Cavaliers wegen des Comebacks. Die restlichen zwei Prozent weisen verzweifelt darauf hin, dass sich keinesfalls ein Sieger prognostizieren lässt.

• LeBron James sagt: "Das sind zwei der schönsten Wörter, die es gibt: Spiel sieben." Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht: Möge die am Sonntag bessere Mannschaft das fucking thing gewinnen.

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