Finale von Wimbledon:Murray lässt den Eisblock schmelzen

Finale von Wimbledon: Andy Murray schreit seine Freude heraus nach seinem Sieg gegen Milos Raonic im Wimbledon-Finale.

Andy Murray schreit seine Freude heraus nach seinem Sieg gegen Milos Raonic im Wimbledon-Finale.

(Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Nach dem gewonnen Wimbledon-Finale gegen Milos Raonic bricht Andy Murray in Tränen aus. Der Erfolg berührt sogar seinen kauzig-stählernen Trainer.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Ivan Lendl saß cool, ohne Regung, auf seinem Sitz, während um ihn herum die Hölle losbrach. Sein Spieler, Andy Murray, den er schon einmal zum Sieg bei diesem bedeutendsten Tennisturnier geführt hatte, 2013, hatte gerade tatsächlich wieder triumphiert. Mit 6:4, 7:6 (3), 7:6 (2) gewann Murray gegen den Kanadier Milos Raonic. "Let's go, Andy, let's go", sangen die Fans.

Der 29-Jährige fing zu weinen an, er schluchzte dann. Minutenlang. Da erhob sich Lendl, der Ex-Profi, der Eisblock früherer Tage. Der Coach hatte feuchte Augen. Ja, sie waren gerötet.

Murray hat damit eine Niederlagenserie beendet und eine ernüchternde Bilanz aufgebessert. Er hatte von zehn Grand-Slam-Finals acht verloren. Er hatte in diesem Jahr die Finals von Melbourne und Paris erreicht und jeweils gegen den Serben Novak Djokovic verloren.

Der Regen bleibt aus

Nachdem der Weltranglisten-Erste in der dritten Runde ausgeschieden war und Roger Federer im Halbfinale Milos Raonic unterlag, war dieser Sonntag die Chance. Es war das erste Grand-Slam-Endspiel, in dem Murray weder auf Djokovic noch auf Federer traf.

Als das Match begann, schien die Sonne in den Centre Court und auch in die Royal Box hinein, in der an diesem speziellen Tag noch speziellere Gäste als sonst saßen. Die Schauspieler Bradley Cooper, Benedict Cumberbatch und Hugh Grant gaben sich die Ehre, die einstigen Tennisgrößen Björn Borg und Roy Emerson nahmen Platz, Kate und William führten die Prominentenwertung an. Am Himmel rückten derweil Wolken über dem All England Club heran, doch der Regen, der in der ersten Woche für Unterbrechungen gesorgt hatte, blieb aus.

Die ersten Ballwechsel zeigen den Charakter der Partie

Dieses Finale hatte, auch wenn in Federer der Liebling aller Tennis-Aficionados fehlte, viele Reize, die sich zum einen aus den Gegensätzen der Spieler in Spielanlage und Temperament, aber auch aus den Gegensätzen beider Trainer ergaben, die eben keine ganz unbedeutenden Namen besitzen; Raonic hatte ja John McEnroe angeheuert. Schon die ersten Ballwechsel zeigten den Charakter dieser Partie: Raonic suchte bei jeder Gelegenheit den Weg ans Netz; Murray versuchte, hellwach zu sein, um sein Kontertennis zu entfalten.

Für beide war der Einsatz hoch, Murray wollte endlich seine Endspiel-Trauma- Serie beenden und hatte dafür Lendl zurückgeholt. Der 56-Jährige hatte ihn bereits drei Jahre lang gecoacht, sehr erfolgreich mit seiner kauzig-stählernen Art. Raonic sieht sich seinerseits auf einem Niveau, auf dem er Anspruch auf einen Grand-Slam-Titel erhebt. McEnroe, 57, Lendls alter Rivale, die beiden hassten sich ja wirklich, wie McEnroes früherer Doppelpartner John Fleming der Times verriet, sollte ihm die letzten Tricks verraten, wie er sein aggressives Serve&Volley-Powertennis gewinnbringend umsetzen kann.

Murrays kritischer Augenblick

Bekanntlich entscheiden auf diesem Niveau oft kleine Momente, Chancen tauchen nicht im Überfluss auf. Murray hatte im ersten Satz diesen Augenblick der Entschlossenheit, er nutzte den dritten Breakball zum 4:3 und entschied den Satz für sich. Im zweiten Satz vergab Murray vier Breakbälle, mit den Aufschlägen - einmal erreichte Raonic' Ball 236 km/h - rettete sich der 25-Jährige in den Tie-Break. Murray reagierte cool auf den Stresstest: Er dominierte, 3:0, 6:1, 7:3.

Im dritten Satz hatte Murray einen kritischen Augenblick zu überwinden, bei 2:2, 15:40 hatte Raonic zwei Breakbälle. Er hielt dem Druck stand, Tie-Break. 6:1, fünf Matchbälle. Er nutzte den zweiten. Lendls Augen wurden feucht. Das muss einer erst mal schaffen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: