Finale der Frauenfußball-EM:Die Lokomotive rollt

Mit dem Finale gegen England beginnt für den DFB die Konzentration auf die eigene Frauen-WM 2011. Ziel ist die Präsentation des eigenen Fußballs als Premium-Produkt.

Kathrin Steinbichler

Das Café Engel in der Altstadt von Helsinki ist an Vormittagen unter der Woche ein gut besuchter, aber dennoch lauschiger Ort. An diesem Montag aber drängten sich mehr als 50 Vertreter nationaler und internationaler Medien über das Kopfsteinpflaster des kleinen, über 200 Jahre alten Innenhofs und blickten zu Doris Fitschen, die zu einer Pressekonferenz zum Stand der Vorbereitungen der Frauen-WM 2011 gebeten hatte.

"Das Interesse, dem wir hier begegnen, ist beeindruckend", sagt die Managerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, "und dass die Einschaltquoten zu Hause so hoch sind und mehr als vier Millionen das Halbfinale gesehen haben, bekommt die Mannschaft natürlich mit. Zum Finale gegen England erwarten wir uns noch mehr, und da können die Mädels stolz drauf sein."

"Nicht vergleichbar mit dem, was wir vorhaben"

Am selben Tag noch sah sich Finnlands Staatspräsidentin Tarja Halonen bemüßigt, einen Tadel an ihre Landsleute loszuwerden. Sie finde es bedauerlich, ließ die Staatschefin vor ihrem Besuch des EM-Halbfinales der Deutschen über ihre Sprecherin ausrichten, dass nur so wenige Menschen bei dieser Frauen-EM in Finnland ins Stadion fänden.

Rund 5000 Zuschauer im Schnitt haben die EM-Vorrundenspiele besucht, eine für deutsche Stadionverhältnisse bescheidene Zahl. Doch Fitschen will nichts von einem Rückschlag für das öffentliche Interesse am Frauenfußball wissen: "Fußball spielt in Finnland nicht die Rolle, wie er sie in Deutschland hat, da kommen auch zu einem Ligaspiel der Männer nur 3000 Zuschauer. Die EM hier kann man nicht vergleichen mit dem, was wir bei der WM 2011 vorhaben."

2011 will der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zu seiner Frauen-WM zigtausend Menschen zu den Spielen und in die Fanzonen locken, die Rekordpartie gegen Brasilien im April in der Frankfurter Arena, als erstmals 44825 Menschen zu einem Frauen-Länderspiel kamen, gilt als gelungener Testlauf. Umfangreiche Schulsport-Initiativen und Werbekampagnen sind geplant, der Anteil fußballspielender Frauen im Verband wächst seit Jahren kräftiger als der der Männer, und so setzen auch der Weltverband Fifa und der europäische Verband Uefa in den nächsten Jahren auf die Zugkraft der deutschen Auswahl.

"Seit der WM 2006 wissen wir, was die Deutschen können. Das kann 2011 doch nur gut werden", meinte Uefa-Präsident Michel Platini im Herbst 2007, als der DFB nach der Frauen-WM in China den Zuschlag für 2011 erhielt. "Wir betrachten die Mannschaft als Lokomotive einer Entwicklung, die dem ganzen Verband zugute kommt", sagt die Marketingfachfrau Doris Fitschen, die früher in 144 Länderspielen selbst etliche Titel holte und vor der EM vom DFB als Äquivalent zu Oliver Bierhoff, dem Manager der Männer-Nationalelf, zur Mannschaft geholt wurde.

Präsentation als Premiumprodukt

Die nationalen und internationalen Erwartungen an den DFB und die nächste Frauen-WM sind hoch, das Turnier 2011 soll den Frauenfußball auf ein neues Level hieven, von dem aus der Fußball noch mehr Gesellschaftsschichten erreichen und neue Marketingfelder beackern will. Da passt es gut ins Konzept, dass sich die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid mit dem erneuten Erreichen eines EM-Finales, dem fünften hintereinander, auch weiterhin als Premiumprodukt präsentiert.

"Ich bin sehr, sehr stolz auf diese Mannschaft. Sie tut sehr viel für den deutschen Fußball insgesamt und natürlich im Besonderen für unser Ziel, Mädchen zum Fußball zu bekommen", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger sichtlich erleichtert und verschwitzt nach dem spannenden, weil erst nach einem Rückstand erzielten Halbfinalsieg über Norwegen. Doch "ob wir jetzt den EM-Titel holen oder nicht, tut dem Erfolg unserer Mannschaft keinen Abbruch", sagt Fitschen, "ich habe mich eher gefreut, dass es jetzt gegen Norwegen mal knapp war, das tut dem Frauenfußball nur gut."

Noch knapper könnte es am Donnerstag im EM-Finale gegen England werden (18 Uhr/ live in ZDF und Eurosport). Dessen Fußballerinnen haben den Deutschen schon in der WM-Vorrunde 2007 (0:0) einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Immer wieder bedient Spielmacherin Kelly Smith, die ihr Geld wie vier Mitspielerinnen in der US-Profiliga verdient, die schnellen Flügelspielerinnen Karen Carney oder Anita Asante, Stürmerin Eniola Aluko (drei Treffer) peilt ebenso wie Deutschlands Inka Grings (vier Treffer) die EM-Torjägerkrone an.

Während Englands Abwehrchefin Faye White auflaufen und ihren frisch operierten Jochbeinbruch mit einer Maske schützen wird, fällt bei den Deutschen Innenverteidigerin Ariane Hingst mit einem Meniskus- und Knorpelschaden aus, Spielmacherin Linda Bresonik dagegen kann trotz ihrer Kapselverletzung spielen. "Wenn wir das spielen, was wir können - und wir können ganz viel - dann sind wir nur ganz schwer zu schlagen", glaubt Neid. Die Deutschen sind ins Rollen gekommen.

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