Fina:Ein skurriles Schauspiel

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Die Schwimmer bestätigen den 81-jährigen Uruguayer Julio Maglione im Amt des Weltpräsidenten. Gegen die Europäer, die abgeschmettert werden.

Von Claudio Catuogno

Julio Maglione war nun also feierlich als alter, neuer Präsident des Schwimm-Weltverbands Fina ausgerufen, vor allem wohl in jeder Hinsicht als alter: Der ehemalige Schwimmer aus Uruguay hat stolze 81 Lebensjahre hinter sich, und die Fina führt er jetzt auch schon seit acht Jahren. Küsschen rechts, Küsschen links, Maglione riss die Umstehenden geradezu an sich vor Freude, und dann wollte Cornel Marculsecu, der Exekutivdirektor, eigentlich im Programm fortfahren beim Fina-Kongress in Budapest, als schon wieder ein Zwischenrufer den Ablauf störte.

"Was wollen Sie?", knurrte Marculescu unwirsch vom Podium herab, musste dann aber erkennen, dass der Störer kein ganz abwegiges Anliegen vorzubringen hatte. "Ach so, ich soll das Wahlergebnis vorlesen." Tja, manchmal kommt es halt auch in einem Sportverband auf die demokratischen Details an. Und so blätterte Marculescu noch mal in seinen Unterlagen. 258 Stimmen waren für Maglione abgegeben worden, 77 für seinen Herausforderer, den Italiener Paolo Barelli, 63, der mit dem Ansinnen Wahlkampf gemacht hatte, in der Fina "Transparenz" und "gute Geschäftsführung" einzuführen.

Von einer Altersbeschränkung ist keine Rede mehr

Aber nur 23 Prozent der Delegierten hielten Transparenz und gute Geschäftsführung offenkundig für notwendig, fast alle von ihnen kamen aus Europa. Und Marculescu hatte es nicht einmal für nötig gehalten, das Resultat der Abstimmung öffentlich zu machen, so sehr freute er sich, dass er auch weiterhin den eher programmfreien Greis Maglione an seiner Seite hat.

Später erzählte der alte, neue Präsident dann in jedem Interview, dass er ja gar nicht anders könne, als dem Ruf der Schwimmfamilie in eine dritte Amtszeit zu folgen, wenn diese ihn "mit 90 Prozent" wiederwähle. Keine Rolle spielte da mehr, dass es eben Maglione war, der 2009 mit dem Versprechen ins Amt gekommen war, in der Fina eine Altersbeschränkung einzuführen. 2015 hatte er dann eine Satzungsänderung durchgesetzt und die Altersbeschränkung wieder abgeschafft. In eigener Sache. Wieso denn aufhören, wenn man sich fit und vor allem dermaßen geliebt fühlt? Neben Maglione saß der Kuweiter Hussein al-Musallam und verfolgte das skurrile Schauspiel mit einem feinen Lächeln.

"Sie müssen verrückt sein!"

Auf die Frage der SZ, ob er, wie es informierte Kreise für ausgemacht halten, nur einen Teil seiner Amtszeit zu absolvieren gedenke, entgegnete Maglione entrüstet: "Sie müssen verrückt sein!" Wie kann denn jemand, der für sich 90 Prozent Zustimmung wähnt (selbst wenn es in Wahrheit nur 77 Prozent sind), vorzeitig seinen Posten räumen? Was passieren würde, falls Maglione doch vorzeitig abtritt, steht in den Statuten - und es ist dieses Szenario, das die Fina jetzt in die Zukunft begleitet wie ein Sprengsatz, der jederzeit hochgehen kann. Al-Musallam würde ins Präsidentenamt nachrücken. Und die Fina würde dann wohl ebenso in den Strudel der aktuellen Weltsportskandale hinein gesogen wie die Fifa, das IOC oder die Leichtathleten mit dem ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack, der derzeit in Frankreich unter Hausarrest steht.

"Meine Sorge ist, dass die Infektion auch unseren Verband erreicht", sagte Barelli später auf einer spontan einberufenen eigenen Pressekonferenz. "Wenn Sie eine Infektion haben, müssen sie ins Krankenhaus, und entweder sie sterben dann oder sie werden wieder gesund. Aber weil sie das vorher nicht wissen können, sollten sie versuchen, die Infektion zu vermeiden."

Mitverschwörer Nr. 2 - Mitverschwörer Nr. 3

Zur Erinnerung: Nicht nur, dass sogar Kuweits Schwimmverband die Fina aufgefordert hatte, al-Musallam nicht als Vizepräsidenten zu bestätigen; er habe gar nicht den Rückhalt seiner Heimatorganisation. Al-Musallam steht auch gleich mehrfach unter konkretem Korruptionsverdacht.

In einer Anklageschrift der US-Justiz gegen den Fußballfunktionär Richard Lai aus Guam, in der es um Korruption und Geldwäsche geht, wird al-Musallam als "Mitverschwörer Nr. 3" geführt. 850 000 Euro sollen aus seinem Einflussbereich an Lai geflossen sein, mutmaßlich Schmiergeld. Al-Musallam wiederum gilt als rechte Hand des kuwaitischen Scheichs Ahmed al-Sabah, einem der einflussreichsten Strippenzieher im Weltsport; al-Sabah wird in der US-Anklage als "Mitverschwörer Nr. 2" geführt. Seinen Vorstandsposten im Welt-Fußballverband Fifa lässt der Scheich ruhen. In der olympischen Welt ist er hingegen weiter in allen Ämtern, unter anderem sitzt er der Vereinigung aller nationalen olympischen Komitees der Welt (Anoc) vor und verwaltet, gemeinsam mit al-Musallam, den eine halbe Milliarde schweren IOC-Entwicklungsfonds. Beide, al-Musallam wie al-Sabah bestreiten jedes Fehlverhalten.

Doch nun war auch noch bekannt geworden, dass al-Musallam durch einen Tonbandmitschnitt aus dem Jahr 2012 belastet wird - in einem anderen Kontext. Diesmal geht es um mutmaßliche Korruption in seinem Amt als Chef des Olympischen Rats von Asien (OCA). In dem Gespräch mit einer chinesischen Sportmanagerin, die mit der OCA einen Sponsorendeal einfädeln will, schildert er detailliert, welchen Betrag sie bitte als "Kommission" abzweigen soll: 18 Prozent. "Zehn Prozent gehen an uns, acht Prozent an Sie." Er rät der Frau sogar, diskret eine Firma in Hongkong zu gründen, um die Transaktion abzuwickeln. Die Londoner Times, Spiegel Online und das Branchenmagazin SwimVortex hatten über den Fall zuerst berichtet. Auch hier bestreitet al-Musallam Korruption.

Die Fina-Spitze spielt mit dem Feuer

Die Fina teilte mit, man habe sich die Sache angesehen, es seien aber "keine Fina-Belange" betroffen. Keine Bedenken also gegen al-Musallams Wiederwahl. Aber sind nicht ganz automatisch Fina-Belange betroffen, wenn ein Fina-Vizepräsident sich derart konkreter Vorwürfe erwehren muss?

Paolo Barelli hätte das vor den Delegierten gerne zum Thema gemacht, aber gleich zu Beginn des Kongresses hatte eine Mehrheit beschlossen, dass keiner der Kandidaten etwas sagen darf. Also sagte Barelli es eben hinterher: "Die Fina muss begreifen, dass sie das Tempo und die Richtung ändern muss."

Die aktuelle Fina-Spitze aber spielt lieber mit dem Feuer. "Wir hatten einen ganz klaren Kongress", sagte der alte, neue Präsident Julio Maglione begeistert, "hundert Prozent demokratisch!" Um kurz nach halb vier am Samstagnachmittag schloss der Exekutivdirektor Marculescu diesen Kongress. "Ich denke", schnaufte er, "alles lief sauber ab." Ab Sonntag wird dann geschwommen.

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