Fifa:Zwischen Titanic und Kabarett

FIFA President Blatter holds an official 2014 FIFA World Cup soccer ball during a media conference in Sao Paulo

Unruhige Zeiten vor WM-Beginn: Sepp Blatter in Brasilien

(Foto: REUTERS)

Dass der "Saustall" Fifa Dimensionen hat, die jede Vorstellungskraft sprengen, ist bekannt. Nun taucht auch noch Beckenbauers Name auf. Das ist delikat und erklärungsbedürftig. Aber in der Bredouille steckt vor allem Sepp Blatter.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Wenn die Fifa-Funktionäre am Mittwoch in São Paulo ihren Kongress abhalten, erinnert einiges an die Reisegesellschaft der Titanic, auch da wurde getanzt und musiziert, als der Dampfer unterging. "Die Fifa gehört abgeschafft", fordert die New York Times, die die Vorgänge in der Fußballwelt sonst aus der Distanz betrachtet. Dazu passt die Nachricht des Wochenendes: Sepp Blatter und seine selbstgewissen Sportsfreunde sind mit Feuereifer dabei, die Anregung aus den USA selbst umzusetzen.

Dass der "Saustall" Fifa (Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt) Dimensionen hat, die jede Vorstellungskraft sprengen, ahnen Branchenkenner seit Langem. Dass diese Dimension jetzt - ansatzweise - vorgeführt wird, verdankt sich den Möglichkeiten der elektronischen Spurensuche. Der Fundus, aus dem die Londoner Sunday Times täglich zitiert, stammt aus Computern von Asiens Fußballverband AFC. Zugriff darauf hatten Mitarbeiter des früheren AFC-Chefs, Blatter-Intimus und Fifa-Vizes Mohamed Bin Hammam.

Es ist müßig, angesichts der Geschäftsumtriebe Katars rund um die Bewerbung noch ernsthaft zu erörtern, ob diese WM-Vergabe 2022 sauber war. Zumal die bisher veröffentlichten Papiere gewisse Personen ja noch gar nicht erfassen, die für Katar stimmten und die auch ohne dieses Votum im Ruch schräger Geschäfte stehen.

Vorneweg die Südamerika-Connection um Blatters ewigen Stellvertreter Julio Grondona, den Argentinier, den alle "Don Julio" nennen. Und in dessen Landesverband die Bewerber aus Katar damals ein Loch von 76 Millionen Dollar ermittelten (das sie aber nicht gestopft haben wollen).

Dafür taucht nun Franz Beckenbauer auf, samt Geschäftsfreund Fedor Radmann. Der sorgt ja verlässlich für Schlagzeilen, wo immer er aus den stillen Tiefen des Sportlobbytums emporgespült wird. Die Causa Beckenbauer erscheint erklärungsbedürftig. Er spielte ja auch im Kontext der Russland-Kür für die WM 2018 eine spannende Rolle: Kurz nach der Wahl gab er sein Fifa-Mandat auf und wurde Sportbotschafter der russischen Energiewirtschaft. Wen er kurz zuvor wohl gewählt hatte, der Kaiser?

Am Ende liegt der Ball in München

Umso delikater, wenn es nun auch Vermittlertätigkeiten für eine von ihm beratene Firma in Doha gab; in zeitlicher Nähe zur Katar-Entscheidung. Das Duo Beckenbauer/Radmann hatte auch die deutsche Bewerbung um die WM 2006 betrieben, und diese wurde nicht nur von der deutschen Wirtschaft und dem Kirch-Konzern mit denkwürdigen Aktivitäten unterstützt, sondern Insidern zufolge auch vom Emir Katars. Nur geschah das diskreter, als es etwa der damalige TV-Rechtehalter Kirch mit satten Verträgen für Mannschaften von Fifa-Wahlleuten tat.

Im Kern aber bringen all die Enthüllungen Sepp Blatter in die Bredouille; und auch dessen Chefermittler Michael Garcia. Der US-Anwalt hat viele Millionen bei der Untersuchung der WM-Vergaben 2018 und 2022 verbraten. Mit seinem just zum Turnierbeginn in Brasilien fertiggestellten, aber noch nicht öffentlichen Report wird er künftig im Kabarett auftreten können, sollte er darin tatsächlich all die jüngsten Enthüllungen ignoriert haben. Oder aber, Garcia hat selbst schon genug Brisantes beisammen - zu Grondona und Konsorten? - und braucht für ein klares Sanktionsbegehr gegen Katar kein zusätzliches Material mehr.

So oder so: Für Katar wird es eng, und am Ende liegt der Ball in München. Dort sitzt Hans-Joachim Eckert, Chef der Fifa-Spruchkammer. Egal, was Garcia vorlegt - der bayerische Richter darf nicht noch einmal zögern, den Hauptverantwortlichen für die seit Jahrzehnten rotierende Skandal-Spirale im Weltfußball in Mithaftung zu nehmen: Sepp Blatter, Patron der Fifa seit gut drei Dekaden. Denn in der Fifa firmiert Eckert nicht als Strafrichter, sondern als oberste ethische Instanz.

Und für den Fall, dass Garcia ein zu dünnes Brevier übermittelt: Richter Eckert kann die Ermittlungen ja laut Regelwerk jederzeit selbst ausdehnen. Sollte also Garcia die jüngsten Vorwürfe wirklich ignoriert haben, bemisst sich Eckerts Glaubwürdigkeit auch daran, ob er dieses Versäumnis korrigiert.

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