Korruptionsaffäre in der Fifa:Zittern vor den Verstoßenen

Re-elected FIFA President Blatter pauses during a news conference after an extraordinary Executive Committee meeting in Zurich

Unruhige Zeiten: Sepp Blatter in Zürich

(Foto: REUTERS)

Die Fifa-Funktionäre sind nervös: Niemand weiß, was noch alles kommt bei den Korruptions-Ermittlungen in den USA. Reist Fifa-Chef Sepp Blatter zur Fußball-WM der Frauen?

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Es ist amüsant in diesen Tagen, Jack Warner zuzuhören. Als er vor knapp einer Woche in seiner Heimat Trinidad und Tobago eine Nacht in Haft verbringen musste, weil er gemäß Anklageschrift der amerikanischen Justizbehörden zu den 14 Personen gehört, die rund um den Fußball-Weltverband (Fifa) im großen Stil Korruption und Geldwäsche betrieben haben sollen, fand er passende Vergleichsgrößen: "Auch Mandela und Gandhi saßen im Gefängnis." Als er nun in einem Video bei Facebook noch einmal alle Vorwürfe zurückwies und sich über das Vorgehen der US-Ermittler mokierte, verwies er an einer Stelle auf einen Bericht von The Onion. Die pflegt ausschließlich Satire.

Doch zwischen solche Humoreinlagen legt er immer wieder Brandsätze - der Mann, der als langjähriger Fifa-Vizepräsident ein enger Weggefährte von Sepp Blatter war und erst verstoßen wurde, als er 2011 eine Geschenkorgie für dessen damaligen Präsidentschafts-Herausforderer Mohammed Bin Hammam in der Karibik organisiert hatte. "Warum ermittelt keiner in Asien, warum nicht in Europa", empört sich Warner im aktuellen Stern. "Warum gibt es keine Ermittlungen gegen Blatter?"

Eine provokante Frage. Blatter hat bisher entrüstet jedes Fehlverhalten von sich gewiesen. Gleichwohl ist auffällig, dass er sich schon seit Jahren nicht mehr in den USA aufgehalten hat - offenbar bereits seit 2011 nicht mehr. Blatter hatte kurz vor der Wahl erklärt, seine Absenz auf US-amerikanischem Boden habe nichts mit den FBI-Ermittlungen zu tun. Noch am vergangenen Samstag hatte er angekündigt, er habe kein Problem, in die USA oder nach Kanada zu gehen. Dort beginnt am Wochenende die Fußball-WM der Frauen. Ob Blatter tatsächlich auftauchen wird, darf nun schon als Lackmustest gelten.

Von allen Seiten drängen schlechte Nachrichten in die Fifa; manche stimmen die Funktionäre recht nervös. Zu den weniger beunruhigenden Mitteilungen zählt am Zürichberg, dass deutsche Politiker wie Innenminister Thomas de Maizière eine Reform der internen Strukturen und die Abkehr vom Prinzip "ein Land, eine Stimme" anmahnen. Das ist das Erfolgprinzip hinter Blatters Wahlen - die vielen Kleinen im Fifa-Kosmos hieven immer wieder den Mann ins Amt, der die Fifa-Gelder verteilt. Weshalb der Weltverband solche Vorstöße routiniert wegmoderiert. Tatsächlich könnte die Politik der Fifa weit mehr Furcht einflößen, wenn sie an für Sportverbände heikle Themen wie etwa die Steuerfreiheit bei Großveranstaltungen ginge. Auch die Drohung des Neuseeländers Nick Davidson, sich wegen der jüngsten Vorgänge aus der verbandsinternen Ethikkommission zurückziehen, dürfte die Fifa-Spitze kalt lassen; es findet sich gewiss ein anderer, der gern dabei wäre.

Pikante, karitative Aktion

Nervös stimmt Sepp Blatter und Co. die diffuse Gemengelage: Niemand weiß, was noch alles kommt bei den Ermittlungen in den USA - und wie sich die Leute gegenüber der Polizei verhalten, die schon in Haft sitzen oder noch auf der US-Liste stehen. Aktuelle Erkenntnisse gehen nicht zuletzt auf das frühere US-Exekutivmitglied Chuck Blazer zurück, der sich dem FBI als Kronzeuge andiente; und auch Warner hatte ja schon nach seiner Verstoßung vor vier Jahren einen "Tsunami" angekündigt.

Der ist bisher ausgeblieben, aber das FBI soll schon versucht haben, ihn als Mitstreiter zu gewinnen. Personen wie Warner nähren besonders die vielfältigen Ermittlungen, die rund um die Fifa laufen. Im Hinblick auf die Ungereimtheiten bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2018 (nach Russland) und 2022 (nach Katar), denen derzeit die Schweizer Bundesanwaltschaft nachspürt, dürften sich die Ermittler unter anderem für diesen Vorgang interessieren: Kurz nach der Wahl überwies ein Unternehmen Bin Hammams zwei Millionen Dollar an Firmen, die Warner beziehungsweise dessen Söhnen gehörten. Im Zuge der US-Ermittlungen zu Korruption und Geld- wäsche wiederum ist ein zentrales Thema ein Überweisungspaket über zehn Millionen Dollar, das im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2010 nach Südafrika steht und auf einem von Warner kontrollierten Konto des nord- und mittelamerikanischen Verbandes Concacaf landete. Südafrikas Vertreter räumen die Zahlung ein, deklarieren sie aber als Ausgabe für einen "Entwicklungsfonds". Besonders pikant an dieser karitativen Aktion: Die konkrete Überweisung lief über die Fifa.

Es wäre interessant zu wissen, wer genau bei der Fifa die Überweisung in Auftrag gab. Nur wenige Personen kommen angesichts der hohen Summe in Frage. Die Fifa äußerte sich auf SZ-Anfrage am Montag nicht dazu, sondern verwies routiniert wie stets in diesen Tagen auf ein "laufendes Verfahren". Nur, was hat ein laufendes Verfahren damit zu tun, wenn es um die Frage geht, welcher hochrangige Fifa-Mann im Jahr 2008 seine Unterschrift unter ein Dokument für einen angeblich völlig korrekten Geldtransfer setzte?

Auch Warners Söhne Daryll und Daryan hatten die amerikanischen Ermittler im Visier. In der Anklageschrift gegen Daryan geht es den Ermittlern vor allem um die Ticketgeschäfte der Familie. Schon vor der WM 2006 in Deutschland war ein lukrativer Schwarzmarkt-Handel aufgebaut worden. Diese Information landete kurz nach dem Turnier sogar bei der Fifa, die aber nicht ihren Funktionär Jack sanktionierte, sondern nur dessen Sohn und Strohmann Daryan.

Doch schon vier Jahre später, notierten die US-Ermittler, spielte Daryan wieder fleißig mit im Ticketgeschäft. Diesmal sei es über zwei Familienmitglieder eingefädelt worden, die als Fifa-Offizielle zu dieser Zeit zum Erwerb eines bestimmten Ticketkontingents berechtigt gewesen seien. Auch mit den Karten für die WM 2010 hätte Daryan dann wieder einen "substanziellen Profit" gemacht.

In der Anklage gegen Warners älteren Filius Daryll hingegen geht es um den Betrug rund um ein Immobiliengeschäft in den Jahren 2005 und 2006. Damals erwarb dieser für 990 000 Dollar ein Luxus-Hochhaus in der Brickell Avenue in Miami - und machte falsche Angaben über seine Arbeits- und Einkommensverhältnisse, um eine Hypothek über 690 000 Dollar zu erhalten.

Das Pikante an diesen Verfahren ist: Die Warner-Söhne haben sich schon vor zwei Jahren für schuldig bekannt, wie die amerikanischen Ermittler nun mitteilten. Daryan bezahlte mehr als eine Million Dollar und ist vorerst wieder frei - weil er ebenso wie Chuck Blazer mit den Ermittlern kooperierte. Und bei der Fifa müssen sich ein paar Leute fragen, was die Söhne, die mit den windigen Deals des Papas bestens vertraut waren, den Ermittlern noch so alles erzählt haben könnten.

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