Fifa: Wettskandal:Die Achse liegt günstig

Was ist das denn? Die Fifa macht von sich aus einen Wettskandal publik. Doch wer nun denkt, der Geheiminiskrämer-Verband ändere sich endlich, sollte bedenken: Die Affäre kommt dem Wahlkämpfer Sepp Blatter entgegen.

Thomas Kistner

Pünktlich zur heißen Wahlkampfphase um den Fifa-Thron - am 1. Juni fordert Mohamed Bin Hammam aus Katar den Schweizer Amtsinhaber Sepp Blatter heraus - zeigt der Fußball-Weltverband eine ganz neue Seite. Laut Selbstauskunft hat er einen Wettskandal aufgetan, der alles bisher Dagewesene locker übertrumpft. Häppchenweise wird das Publikum auf die große Enthüllung vorbereitet.

FIFA President Sepp Blatter drinks a toast in Luque

FIFA President Sepp Blatter drinks a toast in Luque FIFA President Sepp Blatter drinks a toast in Luque near Asuncion May 1, 2011. REUTERS/Jorge Adorno (PARAGUAY - Tags: SPORT SOCCER)

(Foto: REUTERS)

Nach vielversprechender Ankündigung am Freitag ist für Montag eine Pressekonferenz avisiert. In Zürich wollen Fifa-Boss Blatter, sein Sicherheitschef Chris Eaton sowie Generalsekretär Roland Noble von Interpol, wo Eaton zuvor tätig war, über 300 Spiele auf drei Kontinenten referieren, die unter Manipulationsverdacht stehen. Dabei seien 300.000 Dollar und mehr geflossen, dozierte Eaton laut Daily Telegraph.

Im Zentrum stünde ein Wettpate aus Singapur, London sei die europäische Brutstätte des Betrugs. Tatsächlich ist der in Wembley ansässige Wilson Raj Perumal kein unbeschriebenes Blatt. Der in Finnland mit falschem Pass festgesetzte Asiate soll nach Informationen aus Wettkreisen ungefähr das kriminelle Gewicht seines deutschen Kollegen Ante Sapina haben. Spannender dürften also auch hier die Hinterleute des Zockers sein.

Interpol ermittelt für Fifa

Betroffen seien Partien in Deutschland, der Europa League, der finnischen Liga und Länderspiele von Kuwait, Jordanien, Bolivien, Lettland, Bulgarien, Estland, Malaysia, Simbabwe. Zudem hätten die Betrüger U17- bzw. U21-WM-Turniere anvisiert. "Die Bedrohung ist immens", wird Eaton zitiert. Auch sollen Mitarbeiter aus sechs Nationalverbänden mit Verdächtigen kooperiert haben.

Da will man nicht hoffen, dass es sich um Verbände handelt, die kritische Distanz zu Fifa-Wahlkämpfer Blatter halten. Dass die Falschspieler aus Asien, dessen Kontinentalverband von seinem Herausforderer Bin Hammam geführt wird, eine Achse des Bösen mit England - das Blatters fragwürdiges Fifa-Regime offen anprangert - bilden, ist ein alter Hut, es passt aber gut in die vom Wahlkampf aufgewühlte politische Landschaft.

Die Frage ist, welche Ermittlungen die Fifa betreibt. Finnlands Liga etwa dürfte sie kaum selbst beobachten, sondern der Europa-Verband Uefa. Insider vermuten, die Uefa habe mit ihrer effektiveren Ermittlung diskret der Fifa zugearbeitet. Und dass Fifa-Sicherheitschef Eaton seine guten Interpol-Drähte bemüht, zeigt interessante Vernetzungen. Erst vor Monaten sollte Eatons australischer Ex-Kollege Fred Lord bei der Fifa anheuern; die Sache platzte. Nach Presseberichten befürchteten Fifa-Vertreter, Korruptions-Experte Lord könne auch verbandsinterne Ermittlungen betreiben. Fifa und Lord bestätigten Gespräche.

Uefa wirbt für Blatter

Interpol ermittelt also Wettbetrug für die Fifa, womöglich fließen Erkenntnisse aus Polizeiermittlungen in England und Finnland gen Zürich. Die Frühwarnsysteme von Uefa und Fifa sind mäßig erfolgreich, sie verfolgen hunderte Wettanbieter. Doch solange nicht, wie derzeit in Bochum, Verhaftungen und Täter präsentiert werden, bleibt alles Theorie. Computerhinweise auf Quotenabstürze können viele Ursachen haben: So dürfte etwa die 0:2-Pleite des souveränen Meisters Dortmund beim Krisenklub Bremen kaum einer Abrede geschuldet sein, sondern eher der Nachwirkung tagelanger Meisterfeiern; Profizocker haben das im Kalkül.

Das wahre Betrugsproblem der Fifa hat mit der Zocker-Affäre sowieso nichts zu tun: korrupte Topfunktionäre. Dass Blatter diese zumindest absichert, zeigt der Umstand, dass die Fifa nicht mal im Sommer 2010, als ein Schweizer Gericht Millionen-Rückzahlungen von Amtsträgern zwecks Vermeidung von Strafverfahren vermeldete, die Namen der Übeltäter preisgab. Danach flogen mehr Korruptionsfälle auf, zwei Fifa-Vorständler und vier Ex-Vorständler wurden suspendiert. Höchste Chargen aber, die einst von Zahlungen der Pleite gegangenen Fifa-Hausagentur ISL profitiert hatten, ließ die Fifa weiter unbehelligt.

Während Schweizer Politiker Gesetzesvorlagen erarbeiten, um korrupte Sportfunktionäre anklagen zu können, stellt sich nun just die Uefa-Spitze um Michel Platini und Vorständler Theo Zwanziger offiziell an Blatters Seite. Zum Dank soll Uefa-Chef Platini Ziehvater Blatter auf den Thron nachfolgen. Ob auch fromme Schlagzeilen wie die jüngste zum Großreinemachen im Wettspielsektor Teil des sauberen Paktes sind?

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