Fifa-Sondersitzung:Weichenstellung für die Zeit nach Blatter

Joseph Blatter

Fifa-Präsident Joseph Blatter gibt wohl am Montag den Termin für die Wahl seines Nachfolgers bekannt.

(Foto: dpa)
  • Fifa-Präsident Joseph Blatter gibt am Montag den Termin zur Wahl seines Nachfolgers bekannt.
  • Europäer um DFB-Präsident Wolfgang Niersbach drängen auf Wahltermin in diesem Jahr.
  • Ein Scheich aus Kuwait hat das Stimmpotenzial Asiens und Afrikas hinter sich und gilt als Königsmacher im Weltsport.

Von Thomas Kistner

Gegen zehn Millionen Dollar ist Jeffrey Webb auf freiem Fuß - mehr oder weniger. Das Geld musste er nebst den zwei Pässen hinterlegen, auch den privaten Sicherheitsdienst bezahlt er, der ihn rund um die Uhr bewacht. Er trägt eine Fußfessel, und das FBI muss er um Erlaubnis bitten, wenn er das Haus verlässt; und sei es zum Kirchgang.

Ein treuer Katholik ist auch der Mann, den Webbs Aufenthalt in New York beunruhigen dürfte: Sepp Blatter, 79. Der noch amtierende Fifa-Präsident betrachtete Webb, 50, einst als seinen Wunsch-Nachfolger, nun hängt der Bankier von den Kaimaninseln in den Fängen der US-Justiz. Am Mittwoch war Webb - einer der sieben Festgenommenen vor zwei Monaten beim Kongress des Fußball-Weltverbands Fifa in Zürich - in die USA überführt worden.

Am Samstag verlas ihm Richterin Vera Scanlon die Anklage. Webb plädierte auf nicht schuldig, jedoch wird erwartet, dass er mit den Behörden kooperiert. Ähnlich wie sein langjähriger Funktionärskollege, der US-Amerikaner Chuck Blazer, der nach erstem Sträuben mit dem FBI kooperiert und bei Richter Raymond Dearie in Brooklyn weitestgehend ausgesagt hat. Am 17. August soll Webb bei Dearie erscheinen.

Webb ist ein Intimkenner des Fifa-Innenlebens, Blatter holte ihn schon 2002 in eine handverlesene Audit-Kommission. Auch hatte Webb viele Jahre Einblick in die atemberaubenden Geschäfte von Jack Warner (Trinidad & Tobago), Blatters langjährigem Vize und Wahlhelfer. Warner erhielt seit den Neunzigern die karibischen WM-Fernsehrechte von der Fifa zugeschanzt. Die verkaufte er mit Millionen-Gewinnen weiter, über seine Firma JD International auf den Kaimaninseln. JDI-Direktor seit 1995: Jeffrey Webb.

Sponsoren fordern Überwachung der Reform-Ankündigungen

Nachdem Warner 2011 korruptionsbedingt alle Ämter abgab, übernahm Webb von ihm auch das Chefamt im Kontinentalverband für Nord-/Mittelamerika, Concacaf. Er simulierte eine Verbandsreform, ähnlich wie Blatter parallel eine Reform der Fifa, nach den umstrittenen WM-Vergaben 2018 (Russland) und 2022 (Katar).

Nun sind beide Organisationen am Ausgangspunkt: Die Concacaf verspricht die nächste Reform, diesmal eine echte; auch Blatter dekorierte seine Rücktritts-Ankündigung vom 2. Juni mit dem Versprechen, er wolle den Abgang mit einem Reformwerk krönen. Dieser Abgang wird von großen Teilen der Fußballfamilie und wichtigen Sponsoren ersehnt.

Coca-Cola stellt Forderungen

Laut BBC fordert Coca-Cola eine unabhängige Kommission zur Überwachung der Aufarbeitung des Korruptionsskandals; McDonalds stößt ins selbe Horn. Unklar ist allerdings weiter, ob Blatter nicht doch ans Weitermachen denkt. Tut er dies, könnte es zur Eskalation im globalen Problemkomplex rund um die Fifa kommen. Die führenden Fußball-Verbände der Welt - Briten, Deutsche, Niederländer - können sich ein Weiter-so des ewigen Fifa-Patrons nicht leisten.

Wenn sich an diesem Montag in Zürich der Fifa-Vorstand zur Sondersitzung trifft, um den Termin für einen neuen Wahlkongress festzulegen, wird sich weisen, wer geblufft hat: Blatter, der sich nicht mehr aus der Schweiz in die westliche Welt wagt und vielleicht auch deshalb starke Töne anschlägt? Oder die Europäer um den Franzosen Michel Platini. Sie drängen auf einen Wahltermin noch in 2015.

Auf der FBI-Wanted-Liste stehen mehr Leute als bislang bekannt

Doch spielt Blatter mit? Hat er für die Ära danach alle Weichen gestellt - von der Situation im Fifa-Haus, aus dem bis heute nie gedrungen ist, wie viele Millionen der Chef pro Jahr einstrich, bis zur Frage, wer ihn auf dem Thron beerben soll? Vom Nachfolger hängt ab, ob und wie intensiv die Vergangenheits-Recherche im eigenen Hause stattfindet. Und auch, ob es vielleicht ein weiteres Ehrenamt für Blatter gibt. Da überrascht nicht, dass sogar von Annäherungsversuchen an seinen Zögling und heutigen Haupt-Widersacher Platini, Chef des Europa-Verbandes Uefa, die Rede ist.

Auch Wolfgang Niersbach drängt zur Eile. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes findet, der Wahlkongress solle "unter Beachtung der Fifa-Statuten" im Dezember sein, "vor Weihnachten". Amtsbewerber sollten bis August feststehen.

Während in Mitteleuropa noch über Niersbachs künftige Rolle im Weltfußball spekuliert wird, rechnet die Funktionärsbranche bereits damit, dass schon kurz nach dem Montag-Termin ein neuer Kandidat in den Ring tritt: ein Vertreter Asiens, der seit Wochen auf Werbetour sei und auf das Plazet von Fifa-Vorstand Ahmed Al-Sabah (Kuwait) baue. Der Scheich hat das Stimmpotenzial Asiens und Afrikas hinter sich und gilt als Königsmacher im Weltsport.

Als Hintergrundrauschen bleiben die FBI-Ermittlungen. Während Webb sowie immer mehr lateinamerikanischen Kollegen und Vermarktern wegen Beteiligung an Verschwörung, Betrug, Bestechung und Geldwäsche der Prozess gemacht werden soll, wurde in Bolivien am Freitag Carlos Chavez festgesetzt, Chef des Nationalverbandes und Schatzmeister im Südamerika-Verband Conmebol. Nach SZ-Informationen sind deutlich mehr Fußball-Funktionäre auf der Wanted-Liste des FBI, als bisher im Zuge der ersten Verhaftungswelle bekannt wurden.

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