Fifa-Skandal:Wer übernimmt den Laden?

File picture shows UEFA President Platini congratulating FIFA President Blatter after Blatter was re-elected at the 65th FIFA Congress in Zurich

Fifa-Präsident Blatter (li.) und Uefa-Chef Platini: Wie es mit ihnen weitergeht, ist ungewiss

(Foto: REUTERS)
  • Seit Freitagnachmittag weiß die Fußballwelt, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter ermittelt und ihn als Beschuldigten vernommen hat.
  • Auch auf Michel Platini liegt ein Schatten - er galt bisher als Favorit auf Blatters Nachfolge.
  • Wer neuer Fifa-Chef wird, ist wieder völlig offen.

Von Johannes Aumüller

Kohzo Tashima ist nach Mainz gekommen, um einen schönen Fußball-Nachmittag zu erleben. Und über weite Strecken gelingt ihm das auch. Er sieht dort drei Tore des FC Bayern, nach dem Spiel winkt er voller Freude seinem japanischen Landsmann Yoshinori Muto zu, der sich im Angriff der Mainzer so prächtig entwickelt. Und Tashima hält ein kurzes Schwätzchen mit dem Münchner Co-Trainer Hermann Gerland, den er noch von früher kennt.

Doch zwischendurch ist dieser Nachmittag unangenehmer, als es sich der 57-Jährige bei der Planung wohl gedacht hat. Tashima ist seit Mai Mitglied im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes. Und in dieser Funktion soll er jetzt ein paar Fragen beantworten: zu Sepp Blatter, zu Michel Platini, zur Zukunft der Fifa.

Was der Japaner sagt, ähnelt in etwa dem, was auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) um seinen Präsidenten und Fifa-Vorständler Wolfgang Niersbach mitteilt. Sie geben sich bestürzt über die neuen Entwicklungen, sie verweisen auf Aufklärung und Reformen, die nun nötig seien. Aber auf die beiden entscheidenden Fragen stehen die Antworten noch aus. Die erste lautet: Wie weiter mit Blatter? Die zweite, mindestens genauso wichtige Frage lautet aber: Wie weiter mit Platini?

Seit Freitagnachmittag weiß die Fußballwelt, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter ermittelt und ihn als Beschuldigten vernommen hat. Es geht um den "Verdacht der ungetreuen Geschäftsbesorgung und - eventualiter - Veruntreuung". Zwei Gründe nannte die Behörde für ihr Strafverfahren gegen Blatter.

Der eine ist ein Vertrag, mit dem Blatter seinem langjährigen Vertrauten und Vizepräsidenten Jack Warner (Trinidad & Tobago) WM-Fernsehrechte zu einem Schnäppchenpreis übertrug - statt der Fifa machte Warner den Reibach. Dieser Vertrag war seit einigen Wochen bekannt. Der zweite Grund ist eine Überweisung, die bisher nicht öffentlich bekannt war: Demnach erhielt Michel Platini, der Präsident der Europäischen Fußballunion Uefa, im Februar 2011 von der Fifa etwa zwei Millionen Euro für eine Tätigkeit, die er zwischen 1999 und 2002 erbracht hatte.

Michel Platini bestreitet die Zahlung nicht - er hält sie für gerechtfertigt

Platini bestreitet die Zahlung nicht, er sagt: "Dieser Betrag steht in Bezug zu meiner Arbeit, die ich unter einem Vertrag mit der Fifa geleistet habe." Aber die Kernfrage ist: Warum überweist die Fifa im Februar 2011 Platini zwei Millionen Euro für eine "Arbeit", die schon neun Jahre und mehr zurückliegt? Die Uefa antwortet darauf bisher nicht, sie verweist darauf, dass es zeitnah ein Statement von Platini mit weiterführenden Informationen geben soll. Beobachter wiederum merken an, dass just zum Zeitpunkt der Überweisung der mit harten Bandagen geführte Präsidentschaftswahlkampf zwischen Sepp Blatter und Mohammed bin Hammam lief. Platini hatte Blatter über lange Jahre gestützt, ehe aus den beiden Verbündeten Gegner wurden.

Bisher galt Michel Platini als Favorit für die Nachfolge Blatters, die Europäer unterstützen ihn weitgehend, auch aus anderen wichtigen Kontinentalverbänden erhielt er entsprechende Signale. Am 26. Februar soll die nächste Präsidentschaftswahl stattfinden, neben dem Franzosen wollen der jordanische Prinz Ali, der Südkoreaner Chung Mong-joon sowie der frühere brasilianische Topfußballer Zico kandidieren.

Zwei Fragen lasten auf der Fifa

Doch auf Platini liegt nicht nur wegen der nun bekanntgewordenen Überweisung ein Schatten. Von ihm ist auch bekannt, dass er für Katar als Gastgeber der WM 2022 votierte. Kurz danach kam sein Sohn bei einer katarischen Staatsholding unter. Die Schweizer Behörden befragten Platini ebenfalls - als sogenannte "Auskunftsperson". Dies ist eine Besonderheit des Schweizer Rechtes. Eine Auskunftsperon ist (noch) kein Beschuldigter, aber auch mehr als nur ein Zeuge. Auch die zehn Mitglieder der Fifa-Exekutive, welche die Schweizer Behörde rund um den Wahlkongress im Mai zu den WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022) befragt hatte, hatten den Status von "Auskunftspersonen".

Blatter beschuldigt, Valcke suspendiert - wer führt gerade die Fifa?

Zwei Fragen lasten spätestens mit der Eröffnung des Strafverfahrens auf der Fifa. Die erste ist, wer sie eigentlich führt. Blatter im Visier der Justiz, Platini in Erklärungsnot, der Generalsekretär Jerome Valcke in der vergangenen Woche suspendiert. Im Weltverband ist Blatters formal erster Ersatzmann der Kameruner Issa Hayatou, der auch schon so manchen Skandal hinter sich hat. Weil der Kameruner vom früheren Sportvermarkter ISL Schmiergelder annahm, erhielt er vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem er auch angehört, eine Rüge; die Fifa unternahm nichts. Derzeit ist Hayatou schwer krank. Bei der Uefa wiederum ist Platinis erster Stellvertreter der Spanier Angel Maria Villar Llona, ein auch nicht gerade gut beleumundeter Fußballfunktionär.

Die zweite Frage: Was wäre eigentlich gewesen, wenn die Bundesanwaltschaft erst in wenigen Wochen ihre Mitteilung gemacht hätte? Dann wäre die Frist für die Präsidentschaftswahlen verstrichen gewesen. Der Fifa-Kongress hätte die Wahl gehabt zwischen dem Kandidaten Platini, der im Zwielicht steht; dem Kandidaten Chung, für den sich die Ethiker des Weltverbandes wegen einer Offerte für Entwicklungsprojekte als angebliche Gegenleistung für die WM 2002 in Südkorea interessieren; und dem Kandidaten Prinz Ali aus Jordanien, einem bisher eher blassen Funktionär, der diverse Jahre unter Blatter Fifa-Vize war und bei der Wahl im Mai keine Chance hatte gegen den Patriarch.

Nun aber sieht es fast so aus, als hätten die Schweizer Ermittler den europäischen Fußballfunktionären noch ein paar Wochen Zeit gegeben, um zu überlegen, ob es neben Michel Platini vielleicht noch andere Kandidaten gibt, die sich fürs Fifa-Präsidentenamt eignen.

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