Fifa-Skandal und die Fußball-Basis:"Dann kommen irgendwann auch keine Leute mehr ins Stadion"

Markus Baumann

Markus Baumann, Vorsitzender des Fußballkreises Bielefeld.

(Foto: Privat)

Fifa-Funktionäre kassieren Millionen Euro Schmiergeld, so die Anklage. Wie kommt das bei einem an, der für den Fußball seine Freizeit opfert, ehrenamtlich?

Von Florian Gontek

Markus Baumann, 44, ist einer von der Fußball-Basis. Seit 2007 ist er Vorsitzender des Fußballkreises Bielefeld, der etwa 38 000 Mitglieder aus 94 Vereinen vereint. Er und seine Vorstandskollegen organisieren den Spielbetrieb - ehrenamtlich.

SZ: Herr Baumann, Sie haben gestern Mittag von den Verhaftungen der Fifa-Funktionäre in der Schweiz erfahren. Hat Ihnen das Essen noch geschmeckt?

Markus Baumann: Ich esse mittags nichts, so schlimm war es deshalb nicht. Aber es ist ein Schlag ins Gesicht. Es bestätigt vieles, was schon lange vermutet wurde. Denn wenn jetzt Leute verhaftet werden, ist klar: Da steckt mehr dahinter als vage Vermutungen.

Was sagt jemand wie Sie, der nicht nur viel Herzblut, sondern auch unzählige Stunden seiner Freizeit in den Sport investiert, zu solchen Entwicklungen?

Wir sind hier fernab vom ganz großen Fußball. Die Fifa macht Gesetze und Regeln, die wir umsetzen müssen. Im Fußballkreis Bielefeld sind wir nah dran an der Praxis. Doch je höher man in den Strukturen aufsteigt, desto mehr verliert man den Kontakt zur Basis. Es muss mir keiner erzählen, dass von denen jemand weiß, was auf einem kleinen Dorfsportplatz passiert. Das wissen nur die Vertreter und Funktionäre vor Ort. Hier müssen wir begeistern.

Fällt das zunehmend schwer - bei all den Skandalen?

Irgendwann verliert man tatsächlich die Lust - man hat ja überhaupt keinen Einfluss auf das, was oben passiert! Aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Die Leute bei der Fifa sollten sich fragen: Was wäre der Profifußball ohne den Amateursport? Der ist die Basis der Fußballkultur. Wenn sich niemand mehr für die Sportart interessiert - weil ihre Glaubwürdigkeit zerstört ist -, dann kommen irgendwann auch keine Leute mehr ins Stadion.

Machen Skandale wie dieser für Sie den Fußball kaputt?

Nein, nicht hier vor Ort. Natürlich wirft es ein negatives Bild auf den Sport. Ich vergleiche das mit der Tour de France: Vor zwölf, 13 Jahren hat die jeder im Fernsehen geguckt. Mittlerweile muss man Programme suchen, die die Rennen übertragen. Fußball ist die Sportart Nummer eins - damit brüsten wir uns. Es wird aber immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. Stichwort: demografischer Wandel. Jetzt besteht zusätzlich die Gefahr, dass sich die Kinder fragen: "Warum soll ich so etwas noch machen? Ich gehe lieber zu einer ehrlichen Sportart."

Was kann man gegen das negative Image tun?

Wir hier vor Ort organisieren unseren Sport direkt: fair und ehrlich. Auch hier gibt es Ausschreibeverfahren für Turniere und den Ligabetrieb, das sind unsere kleinen Weltmeisterschaften. Aber klar, der Außenstehende könnte sagen: Wenn die das da oben alles schieben, wie macht das dann unser Kreisvorstand hier vor Ort?

Ziehen Sie für sich - auch als Anhänger des Sportes - Konsequenzen aus den Vorkommnissen?

Dafür bin ich zu sehr Fan. Auch, wenn ich nicht jedes Spiel anschaue. Aber das muss jeder für sich selbst hinterfragen. Eigentlich müsste man so viel Arsch in der Hose haben und sagen: "Ich boykottiere das Ganze." Dem eingefleischten Fußballfan mögen solche Skandale völlig egal sein. Aber die, die sich nicht tagtäglich mit dem Fußball beschäftigen und alle zwei oder vier Jahre zur Welt- und Europameisterschaft auf der Straße stehen, die könnten bei alledem ins Grübeln kommen.

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