Fifa-Reform:Chef-Aufklärer mit fragwürdigen Schwerpunkten

Die fromme Fifa-Selbstreform schreitet flott voran: Der als unabhängig bezeichnete Aufklärer Michael Garcia pickt sich als erste Amtshandlung zufällig den Fall von Mohamed Bin Hammam heraus - dem Intimfeind von Präsident Sepp Blatter. Die Fifa selbst sieht sich auf einem guten Weg.

Von Thomas Kistner

Als gesprächig ist Michael Garcia nicht bekannt. Das liegt an dem wichtigen Amt als Chefermittler im Fußballweltverband Fifa, das er seit Juli 2012 ausübt. Gesellig aber ist der New Yorker Jurist durchaus, er weilte sogar bei der Weltfußballer-Kür der Fifa am Montag in Zürich. Dort ließ ihn die AP zufrieden eine Zwischenbilanz ziehen. Zwar beanspruche der Job "mehr Zeit, als ich dachte", doch findet Garcia, der Mehraufwand lohne sich: "Wir sind auf einem sehr gutem Weg."

Den Eindruck teilt der als unabhängig bezeichnete Aufklärer mit dem Führungszirkel der Fifa. Deren Präsident Sepp Blatter war gewiss nicht traurig, dass sich Garcia - völlig unabhängig - als erste Amtsmaßnahme ausgerechnet den Fall von Blatters Erzfeind Mohamed Bin Hammam rausgepickt hatte. Der Herausforderer im Präsidentenwahlkampf 2011, obwohl im Fußball längst nicht mehr aktiv, konnte nach zähem Ringen im Dezember 2012 lebenslang gesperrt werden. Das geschah ohne nähere Begründung, gleich nachdem der Katarer netterweise die Ämter niedergelegt hatte - was er wiederum nach einem Blitzbesuch Blatters beim Emir in Katar tat.

Während Sylvia Schenk, Sportbeauftragte von "Transparency International", fehlende Transparenz auch in diesem Verfahren beim Europarat rügte, hält Garcia sein Werk für gelungen. Die Kritik, er habe sich bisher nur dem Lieblingsfeind Blatters gewidmet, kontert er: Schade sei, wenn die Leute wegen des großkalibrigen Bin-Hammam-Falls glaubten, in seiner Arbeit ginge "sonst nichts vorwärts".

Da geht es in der Tat vorwärts. Post von Garcias Kammer erhielt jüngst ein gewisser Najeeb Chirakal: Gegen ihn wird ein Disziplinarverfahren eröffnet, wegen Ungehorsams. Der Mann ist im Fußball unbekannt, er war Sekretär Bin Hammams und des katarischen Verbands. Als solcher wurde er bereits suspendiert, weil er auf Aufforderungen von Garcias Kammer nicht reagiert hatte, ihr allen Schriftverkehr mit seinem Arbeitgeber abzuliefern.

Fromme Fifa-Selbstreform

Abgesehen davon, welche Weisungsbefugnis eine Fifa-Kammer gegenüber einem angestellten Sekretär besitzt: Garcias Prioritätensetzung erscheint immer weniger geeignet, den Verdacht zu zerstreuen, gegen den er sich in Zürich so wehrte. Die Gewichtung der Aktivitäten des angeblich unabhängigen Ermittlers gerät noch mehr in Schieflage durch den Umstand, dass schon seit Garcias Amtsantritt ein Gerichtspapier auf dem Tisch der Fifa dahinwelkt, das es in sich hat: Darin attestiert die Schweizer Strafjustiz Blatter langjährige Mitwisserschaft und Absicherung von Korruption an der Verbandsspitze.

Ein Dokument, demzufolge die Fifa, stellvertretend beschuldigt für ihr Chefpersonal, selbst eine Millionensumme zahlen musste. Brisantes Material also, das für den Fifa-Fahnder gut vorrecherchiert wurde von echten Strafjuristen. Doch bei der feudalen Weltfußballer-Wahl dürfte Garcia das Thema eher nicht beschäftigt haben.

So schreitet die fromme Fifa-Selbstreform flott voran, wie alle Beteiligten stets versichern. Immerhin: Während Fifa-Vorstand Chuck Blazer, für dessen Fußball-Insidergeschäfte sich das FBI interessiert, die Messi-Kür in Sitzreihe zwei verfolgte, fehlte sein brasilianischer Gegenentwurf Ricardo Teixeira. Der Skandalfunktionär aus Rio musste nach allerlei Machenschaften, denen die Bundespolizei nachgeht, 2012 die Spitze des Fußballverbands CBF räumen. Auch das Amt im Fifa-Vorstand gab Teixeira ab, ehe er sich nach Florida absetzte.

Das erwähnte Gerichtspapier zeigt, dass neben der Fifa Teixeira persönlich eine Zahlungsauflage in Millionenhöhe akzeptierte - wobei er einräumt, Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe kassiert zu haben. Teixeira also verursachte einen enormen Reputationsschaden für die Fifa - um so erregter wird nun in Brasilien diskutiert, dass ihm die Fifa eine Rente zahle: 30 000 Dollar pro Jahr, doch das bis 2030; gut eine halbe Million kommt zusammen.

Weil die Akten von Blatter, Teixeira und Kollegen für den Fußball von weit größerer Bedeutung sind als Herr Chirakal in der Wüste, legt Garcias aufreibende Arbeit bisher zwei Schlüsse nahe. Entweder bereitet er diskret den großen Schlag gegen die Fifa-Spitze vor. Oder er wird ein heißer Tipp fürs Sport-Kabarett.

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