Fifa-Präsident Sepp Blatter:Wow, Katar - ein Fehler!

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Kommunikationskünstler Sepp Blatter weiß, was in medialen Krisenzeiten zu tun ist

(Foto: AFP)

Was wäre als Reizthema geeigneter als Katar? Geschickt lenkt Sepp Blatter von den Problemen von der WM in Brasilien ab. Das vermeintliche Eingeständnis, es sei ein Fehler gewesen, das Turnier 2022 nach Katar zu geben, verfehlt seine Wirkung nicht. Dabei geht es dem Fifa-Präsidenten nur um eins.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Unruhen in São Paulo, Rio und Recife, miserable Wirtschaftsdaten für das WM-Land, Europas Steuerfahnder auf der Spur von Felipe Scolari, dem Trainer der Selecão - dazu droht der Baustopp im WM-Eröffnungsstadion Itaquerão. Sie reißen nicht ab, die Hiobsbotschaften aus Brasilien, das trübt sehr die Vorfreude aufs Mega-Turnier. Aber der Fußball-Weltverband Fifa hat einen Kommunikationskünstler an der Spitze, der weiß, was in medialen Krisenzeiten zu tun ist: Themen anschieben, die von der aktuellen Spannung ablenken. Also haut Sepp Blatter wieder etwas raus: Und was wäre als Reizthema geeigneter als Katar?

Blatter nennt die WM-Vergabe an das Emirat nun einen "Fehler". Zerknirscht verweist er auf den technischen Report, der den 22 Fifa-Wahlmännern doch vorgelegen und die Bruthitze im Emirat klar gerügt habe. Prompt setzt der öffentliche Reflex ein: Wow, Katar - ein Fehler! Wird denen die WM 2022 doch noch aberkannt?

Das ist die erwünschte Reaktion - und die falsche. Blatter wäre ja jetzt zu fragen, warum der technische Report bei der Vergabe durch den Fifa-Vorstand, dem er selbst vorsitzt, keine Rolle spielte? Antwort: Weil Blatter das selbst verfügt hatte. Er war es,der dem Gremium bedeutete, dass der Report für den Papierkorb ist: Kurz vor der Doppelvergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 beschwor er seine Kollegen, auf keinen Fall England zu wählen; angeblich ließ er gar Fifa-kritische Artikel aus britischen Blättern kursieren. Da ist es ein Witz, wenn nun just der Hauptakteur von Fehlern raunt, die gar keine waren: Neben Katar 2022 wurde auch für die WM 2018 der Kandidat mit der schlechtesten Bewertung gekürt: Russland.

Alles ist Taktik in Blatters Reich, und Katar die sportpolitische Allzweckwaffe. Blatters Kernbotschaft ist nicht die theatralische Selbstkasteiung, man habe einen Fehler gemacht. Natürlich beging die Fifa bei ihrer WM-Kür keine Fehler, sie wusste genau, was sie tat. Deshalb kam sie auch nicht umhin, dem politischen Druck aus aller Welt nachzugeben und eine Untersuchung zur mutmaßlich korrupten Vergabe einzusetzen. Ermittelt wird, klar, völlig unabhängig. Nur wird die Arbeit von Chefermittler Michael Garcia und Stab mit Millionen der Fifa bezahlt.

Alles ist Show, und im Kunstnebel schlägt Blatter seine Volten. Die Katar-Kritik verbindet er nun auch gleich mit einer Terminempfehlung: Wie wäre es mit einer WM Ende 2022, wenn's dort kühler ist? Blatter spielt mit den Themen; da ist nichts, das ihm wichtig wäre - abseits des eigenen Machtherhalts. Und er nimmt es persönlich, wenn Politiker wie nun Peer Steinbrück vom Korruptionsverdacht bei der Vergabe reden, auf die Arbeiternöte in Katar verweisen und den WM-Entzug fordern. Wo bleibt da der Respekt? Ist nicht er, Blatter, Alleinherrscher des Fußballuniversums - das ja, wie er gern bemerkt, größer ist als die katholische Kirche?

Dies schöne Hochamt will der 78-jährige noch lange Zeit versehen. Weshalb er im selben Interview bestätigt, dass er 2015 wieder antritt und vom einzigen Rivalen Michel Platini keine Kampfkandidatur erwarte. Denn das ist es, was Blatter bewegt: Angst vorm Fall. Platini sei unter ihm groß geworden, erzählt er nun, der habe genug erreicht. Und Platini? Schweigt - er sagt erst nach der Brasilien-WM, ob er antritt. Das ist clever. Sollte die WM so chaotisch verlaufen, wie sie sich nun darstellt, muss Blatter für das Drama einstehen. Dann würde es sehr, sehr eng für ihn.

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