Fifa-Präsident Sepp Blatter:Der Pate aus dem Oberwallis

In Zürich kursiert der Witz, was der Unterschied zwischen Gott und Sepp Blatter sei. Die Antwort: Gott hält sich nicht für Blatter. Der Fifa-Präsident glaubt offenbar, unfehlbar zu sein - das muss er auch, anders hätte er die vielen Affären nicht überstehen können. Nun regelt er sein Vermächtnis.

Claudio Catuogno

Vielleicht erzählt diese private Geschichte mehr über Joseph "Sepp" Blatter als all die fragwürdigen Überweisungen, die mysteriösen Umschläge, die scheinheiligen Rechtfertigungen. 1981 wurde Blatter Generalsekretär des Weltfußballverbands, er löste Helmut Käser ab, einen staubtrockenen, grundsoliden Verbandsbuchhalter, der sich aus dem Amt gemobbt sah, es aber mit Fassung trug.

Blatter entlastet

Hält sich für unantastbar: Fifa-Präsident Joseph Blatter.

(Foto: dpa)

Bis er eines Tages eher zufällig von Blatters Hochzeit erfuhr - mit seiner Tochter, Barbara Käser. Ein schönes Fest soll es gewesen sein, und der Einzige, der verbittert nicht teilnahm, war der Brautvater. Das war der Moment, berichtete Helmut Käsers Witwe später, in dem sie ihren Mann das erste Mal weinen sah.

Verrat. Heuchelei. In der Selbstwahrnehmung des inzwischen 75-jährigen Volkswirts aus der Kleinstadt Visp im Oberwallis spielen derlei Aspekte natürlich keine Rolle. Den Friedensnobelpreis hat Blatter bereits für sich reklamiert. Und auf die Frage, ob die Fifa nicht den Vereinten Nationen beitreten müsse, hat er geantwortet: "Umgekehrt! Im Ernst!" In Zürich kursiert nicht erst seit Montagabend der Witz, was der Unterschied zwischen Gott und Sepp Blatter sei. Die Antwort: Gott hält sich nicht für Blatter.

Wahrscheinlich kann ein bisschen Unfehlbarkeit nicht schaden, wenn man so viele Affären überstehen muss. Schon in der Nacht vor seiner Präsidentenkür 1998 erhielten afrikanische Delegierte je 50.000 Dollar zugesteckt, formlos und in bar. Es habe sich da um notleidende Verbände gehandelt, erklärte Blatter zunächst. Später erinnerte er sich an nichts mehr.

Und als ein Funktionär aus Somalia die Bestechungsvorwürfe im TV wiederholte, erschien prompt ein Schiedsrichter aus dem Niger und behauptete, der Somalier sei korrupt, das sei bekannt in Afrika. Dass Blatter dem Schiedsrichter 25.000 Dollar von seinem Privatkonto überwies, stand mit dieser Aussage natürlich in keinerlei Zusammenhang. "Ich gebe oft Geld an Menschen, die Tränen in den Augen haben", sagte Blatter. Keine Bestechung! Nur "ein humanitärer Akt".

In diesem Stil ging es weiter. Vor Blatters erster Wiederwahl 2002 legte Michel Zen-Ruffinen, der damalige Generalsekretär der Fifa, ein Dossier über Blatters willkürliche Amtsführung vor, elf von 24 Vorstands-Mitgliedern zeigten den Präsidenten wegen Misswirtschaft und Amtsmissbrauchs an. Die Anklage wurde recht bald niedergeschlagen, aus formalen Gründen.

Da war Blatter schon wieder im Amt bestätigt. "Mein Leben ist der Fußball, und die Basis des Fußballs hat die Wahrheit inne", rief er der ergebenen Fußballfamilie in seiner Dankesrede zu. Und setzte noch einen drauf: "Die Fifa bietet Erziehungsarbeit für alle Gesellschaftsschichten, sie ist eine Lebensschule!" Das ist sie wohl in der Tat.

Blatter: Sicherung des Vermächtnisses

2007 überstand Blatter die "Mastercard-Affäre": Da hatte die Fifa ihren langjährigen Sponsor gegen den Konkurrenten Visa ausgebootet und musste einem 105-Millionen-Dollar-Vergleich zustimmen. Marketing-Chef Jerome Valcke wurde kaltgestellt. Kurz darauf machte ihn Blatter zum Generalsekretär. Und als 2010 - in der Folge einer Rechteagentur-Pleite - Schwarzgeldzahlungen an hohe Fifa-Leute gerichtskundig wurden, hat Blatter auch davon angeblich nichts gewusst.

Am Tag seiner Wiederwahl zum Fifa-Präsidenten hat Blatter einen revolutionären Vorschlag gemacht. Nicht mehr die 24 Mitglieder des Exekutivkomitees sollen künftig über die Vergabe der Weltmeisterschaften entscheiden. "Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der FIFA beschlossen wird", sagte Blatter.

Zuvor war es ihm auf wundersame Weise gelungen, Jack Warner - der vor wenigen Tagen noch brisante Enthüllungen ankündigte und forderte, Blatter müsse gestoppt werden - wieder auf seine Seite zu bringen. Es gab nicht nur keine Enthüllungen, vielmehr rief Warner den Mitgliedern der Karibischen Fußball-Union CFU zu, sie mögen für Blatter stimmen.

Es ist durchaus möglich, dass Blatter das System, von dem er jahrelang profitiert hat, nun ändern möchte, um sein Vermächtnis ein wenig positiver zu gestalten. In wenigen Jahren wird er sich zurückziehen, unter seiner Präsidentschaft wird keine Weltmeisterschaft mehr vergeben, das hat Blatter mit der Doppelvergabe der Turnier 2018 und 2022 bereits geregelt.

Vermutlich geht Blatter davon aus, dass er nicht als jener Präsident in Erinnerung bleiben wird, der die Fifa in die größte Krise seiner Geschichte geführt hat - sondern als jener Visionär, der den Weltverband aus dieser Krise mit revolutionären Veränderungen geleitet hat.

Auch darauf, sein Vermächtnis zu regeln, wird Blatter vermutlich nicht eingehen. Lieber berichtet er in Interviews davon, wie er manchmal im Fifa-Andachtsraum "Großer Gott wir loben dich" singt. Man ahnt, an wen Joseph Blatter dabei denkt.

Mitarbeit: Jürgen Schmieder

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