Fifa-Krise:Wie zu Blatters Zeiten

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An große internationale Bühnen gewöhnt: Fatma Samoura (links), die neue Fifa-Generalsekretärin, am Samstag mit Federica Mogherini (rechts), der EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, bei einem Treffen über die Sicherheitsprobleme in Afrika durch die Terroristen von Boko Haram. (Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP)

Der neue Fifa-Chef Gianni Infantino überrascht die Welt und den Fifa-Kongress mit der Kür seiner neuen Generalsekretärin - und mit trickreichen Winkelzügen.

Von Thomas Kistner, München

Die neue Chefin der Fußballwelt hat gute Nachrichten. "Ich bringe 21 Jahre Erfahrung in den Vereinten Nationen in Sachen Regierungsführung, Transparenz und Rechenschaft in die Fifa ein", sagt Fatma Samoura. Am Freitag wurde die Senegalesin in Mexiko dem verdutzten Kongress als neue Vorstandschefin vorgestellt. Samoura hat aber auch eine weniger gute Nachricht: "Mein Ziel ist, das Programm des Präsidenten zu unterstützen."

Das Präsidenten-Programm verkörpert die 54-Jährige gewissermaßen selbst, seit sie Gianni Infantinos diskretem Werben nachgab. Samoura wird den langjährigen Fifa-Finanzmanager Markus Kattner ablösen, der zuletzt auch Interims-Generalsekretär war und vielleicht schon beim Personaltreff am Dienstag in Zürich die Papiere erhält. Zwar hat die Quereinsteigerin aus Westafrika bisher keine Bezüge zum oder in den Fußball. Vermutet wird aber, sie könnte gerade deshalb das Kernprofil erfüllen, das Infantino an die Figur hat, die künftig die Fußballgeschäfte lenken soll.

Politisch ist die Personalie Samoura peinlichst korrekt: Wer traut sich, da Kritik anzumelden? In der Praxis sieht es so aus, dass die neue Vorstandschefin keinerlei Erfahrung im Sport oder im Marketing mitbringt, erst recht keine in der Führung eines globalen Milliardenbetriebs. Über Nacht bekam die UN-Mitarbeiterin ein Amt, das sie in Lottogewinner-Dimensionen katapultiert: Zwei bis drei Millionen Franken inklusive Boni kann es einbringen. Es wird aber dauern, bis sich Samoura in die äußerst verfilzte Fußballbranche eingelebt hat. Wie verfilzt diese ist, offenbarten just die präsidialen Handstreiche in Mexiko-City.

Den Verdacht, dass der zum Chefauf- seher degradierte Infantino ein Führungsvakuum an der Spitze schaffen und sich als Super-Generalsekretär inszenieren wolle, schürt ja gerade das Solo in Sachen Fifa-Schlüsselpersonalie: Samoura erwählte Infantino vorbei am Vorstand, der in ein 36-köpfiges Council umgewandelt wurde, vorbei an der Kongress-Agenda, die das Thema nicht führte. Und vorbei am Medienstab, der öffentlich stets auf eine Beschlusslage im späteren Sommer verwies.

Das ist eine Intransparenz, die für alte Verhältnisse steht. Der Basler Compliance-Experte Mark Pieth rügt einen "Rückfall in die düsteren Zeiten Sepp Blatters". Hinzu kommt ja ein zweiter Coup, mit dem Infantino soeben einen lästigen Aufseher los wurde: Domenico Scala. Der Chef des Compliance-Komitees hat maßgeblich die Reformen vorangetrieben; er saß auch dem Entschädigungskomitee vor, das vor Wochen die Saläre von Präsident und Generalsekretär festlegte. Scalas Gremium verfügte, dass Infantinos Salär unter dem der Generalsekretärin liegt; der Präsident hat ja keine operative Aufgabe mehr. Nach (nicht dementierten) SZ-Informationen soll der Betrag bei rund zwei Millionen Franken liegen; auch Pieth nannte öffentlich diese Dimension. Die dem Aufseher offenbar nicht genügt - am Rande des Kongresses hieß es erneut, Infantino sei unzufrieden. Und das könnte den zweiten Coup erklären.

Der Chefaufseher hat die Nase voll und reicht umgehend seinen Rücktritt ein

Jedenfalls überrumpelte Infantino die Delegierten nicht nur mit seinem Samoura-Solo. Der Kongress sollte plötzlich, ohne nähere Darlegung, auch abnicken, dass bis Mai 2017 nur das Council die Mitglieder der bisher unabhängigen Komitees für Compliance und der zwei Ethikkammern ernennen darf - und auch absetzen. Die Regelung wurde damit begründet, dass nur so die Vakanzen in den Gremien rasch behoben werden könnten. In der Tat sind gerade wieder einige Personalvorschläge am internen Integritätscheck gescheitert.

Aber das Recht zur Abberufung schafft Brisanz. Es dürfte auch die US-Justiz interessieren, die die Reformversuche der Fifa aufmerksam verfolgt. Immerhin arbeiten nun die zuletzt unbequemen Gremien mit der Pistole an der Schläfe: Alte Fifa-Granden, auch solche, die selbst in den Fokus von FBI-Ermittlungen rücken könnten, dürfen sie absetzen. Die Ethik-Kammern reagierten offiziell gelassen, intern soll die Abberufungsklausel aber für Irritation sorgen. Scala reagierte: Am Samstag trat er zurück. Der erste Eklat der Ära Infantino.

Scala wertet die Ermächtigung des Councils als Manipulationsmöglichkeit. Dieses könne nun Untersuchungen " jederzeit verhindern", indem Kommissionäre "abgesetzt oder mit der Drohung der Absetzung gefügig gehalten werden", teilte er mit. Die Aufsichtsgremien würden ihrer Unabhängigkeit beraubt, sie "drohen zu Erfüllungsgehilfen derjenigen zu werden, die sie überwachen sollten".

Die Fifa reagierte hektisch. Am Samstag sprach sie von einer "Fehlinterpretation" Scalas. Berufungen und Absetzungen würden auch unter dem Fifa-Rat statutengemäß erfolgen. Am Sonntag bekundete sie Verwunderung, dass ihr früherer Chefreformer Mark Pieth "offenbar im Besitz von vertraulichen Informationen zur Vergütung von Fifa-Mitarbeitern ist". Damit könnten falsche Behauptungen und "eigene Ziele" von Dritten verfolgt werden.

Die Saläre Infantinos und Samouras müssen ohnehin 2017 in der Bilanz erscheinen. Aber nun lässt sich beobachten, ob das Präsidentensalär diskret nachgebessert wird. Scalas Job übernimmt interimsmäßig Sindi Mabaso Koyana, Unternehmerin aus Südafrika. Auch sie könnte bei Bedarf abgesetzt werden - von denen, über deren Entschädigung sie bestimmt.

Auch an der Ethiker-Front wird es spannend. Wie mancher im neuen Fifa-Rat kann Infantino nicht sicher sein, dass er nicht in den Fokus der eigenen Ermittler gerät. Kurz nach seiner Kür im Februar war er im Kontext der Panama Papers aufgetaucht. Und gleich, nachdem fragwürdige Geschäftsvorgänge in der europäischen Fußball-Union publik geworden waren, für die er damals als Direktor der Rechtsabteilung gezeichnet hatte, durchsuchte die Schweizer Bundesanwaltschaft den Uefa-Sitz. Ermittelt wird gegen unbekannt. Infantino weist jedes Fehlverhalten von sich.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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