Fifa-Kongress:Showdown in Manama

Einige Strukturänderungen der Fifa beim Kongress in Bahrain könnten die US-Justiz herausfordern - insbesondere ein Rauswurf der Ethiker.

Von Thomas Kistner

Wenn die US-Bundespolizei in der Fußballwelt zuschlägt, pflegt sie das mit klaren Botschaften zu verbinden. Sie flankierte auch die jüngste Anklage gegen den hohen Fifa-Funktionär Richard Lai (Guam) mit einem Pressetext, der die Entschlossenheit der US-Justiz bekräftigte, den letzten Erdenwinkel nach korrupten Amtsträgern zu durchleuchten. Und wie bei zwei früheren Verhaftungswellen am Stammsitz in Zürich, haben die Jäger auch diesmal den Zeitpunkt mit Bedacht gewählt: rechtzeitig vor dem nächsten Fifa-Kongress von Mittwoch an in Bahrain. Daher bewegt sich der Weltverband nun im Emirat auf brüchigem Geläuf. Immerhin hat Boss Gianni Infantino die FifaGate-Affäre just für beendet erklärt, beseelt von starkem Wunschdenken. Damit wollte er endlich ein paar unerschrockene Sponsoren anlocken, aber vor allem war es ein politischer Dreh, um die Machtstrukturen im Inneren wieder der Sonnenkönig-Ära seines Vorgängers Sepp Blatter anzupassen. Und so erwartet Manama, die Hauptstadt des Golfstaats, nun ein veritabler Showdown, falls Infantino und Co. ihre stillen Planspiele dort umsetzen wollen.

Denn die US-Justiz hat wiederholt klargestellt, die Fifa könne jederzeit ihren Opferstatus in den unter dem Anti-Mafia-Gesetz Rico geführten Ermittlungen verlieren und als Täter geführt werden, falls ihre Spitze kein glaubwürdiges Aufklärungs- und Reformbemühen zeige. Die ehemalige Justizministerin Loretta Lynch hatte sogar persönlich diese Botschaft in Zürich überbracht.

Nun stehen in Bahrain kräftige Reformarbeiten an. Aber diese reizen die Amerikaner nur noch mehr; mindestens drei Vorhaben wirken als Affront. Erstens soll der neu gegründete Fifa-Rat, der als Vorstand mit 36 (statt bisher 25 Exekutiv-) Mitgliedern für demokratischere Entscheidungsprozesse gedacht ist, zur Kaffeerunde reduziert und stattdessen eine kleine Entscheiderclique etabliert werden. Die Änderungswünsche zu den Statuten sehen vor, den Fifa-Ratsausschuss (bestehend aus Infantino und den Chefs der sechs Erdteilverbände) de facto in ein Beschlussgremium umzuwandeln, das die Macht der alten Exekutive ausübt - verteilt auf nur noch sieben statt damals 25 Köpfe. Wie es heißt, soll der bisher nur als Dringlichkeitskomitee etikettierte Ausschuss künftig "andere Angelegenheiten, auch wenn sie nicht besonders dringend sind (...) behandeln und daher sollen die Kompetenzen des Ratsausschusses teilweise erweitert werden, um bestimmte nicht-dringende Sachverhalte einzubeziehen". Die neue Selbstermächtigung gipfelt darin, "dass es nicht mehr erforderlich ist, dass der Rat die vom Ratsausschuss gefassten Beschlüsse ratifiziert".

Das ist nicht alles. Dafür, dass sie Entscheidungsgewalt an den Ausschuss abtreten, soll den Rats-Kameraden eine fürstliche Bezahlung zuteil werden. Seit März debattiert, publiziert und von der Fifa nicht dementiert wird der Plan, die Vorstandssaläre von 300 000 auf 450 000 Dollar anzuheben. Nicht übel für vier Treffen im Jahr. Dass so eine Aufstockung, auf die sich auch der angehende deutsche Ratsherr Reinhard Grindel freuen dürfte, in diesem Kontext als Schweigegeld verstanden werden kann, ist keine allzu steile These. Auch fiele die Erhöhung hinein in eine Phase rasant sinkender Erlöse: Der Fifa laufen die Sponsoren davon. All das dürfte nicht dem entsprechen, was die US-Justiz als Aufbruch in eine saubere Zukunft versteht. Noch entlarvender ist Punkt drei: Strikt bedeckt halten sich Infantino und Co. zu der Frage, ob sie ihr Ethikkomitee entmachten wollen. Das Gremium hat sich als scharfes Verfolgungsinstrument profiliert und nicht nur Blatter sowie Infantinos früheren Chef und Förderer in der Uefa, Michel Platini, aus dem Fußball verbannt - es hat 2016 sogar gegen Infantino selbst eine Vorermittlung geführt. Dass die Chef-Ethiker Cornel Borbely (Schweiz) und Hans-Joachim Eckert (München) ihren Willen bekundet haben, weiterzumachen, wird bisher ignoriert. Zugleich ist kurz vor dem Kongress offen, wie die angeblich transparente Fifa ihre Gremien zu besetzen gedenkt; es gibt keine offizielle Personalliste. Nun heißt es in Zürich, vor Tagen hätten Uefa-Vertreter in Moskau um ihren neuen Verbandschef Aleksander Ceferin und Russlands Fußballboss Witali Mutko den Angriff auf Eckert und Borbely beschlossen. Tatsächlich rügt Ceferin die Arbeit der Ethiker schon seit Januar; sein origineller Ansatz: Die seien zu teuer für die Fifa. In Moskau weilte jüngst auch der neue Uefa-Vize Grindel, aber von Debatten über die Ethiker will der Chef des Deutschen Fußball-Bundes nichts mitgekriegt haben. Wirklich nicht? Grindel sagt der SZ, er wisse nichts von einem Uefa-Treff zur Abberufung des Ethikerstabs, noch habe er "teilgenommen oder Teilnehmer dieses angeblichen Treffen selbst gesehen". Zugleich zeigt Grindels bisher glasklare Solidarität mit dem Ermittlerduo Risse - und die passen exakt zu Ceferins Kosten-Gejammer. Der DFB-Chef formuliert vorsichtig, er sei "weiterhin grundsätzlich" für den Verbleib von Borbely/Eckert. Aber: "Es muss sichergestellt sein, dass sich die Aufwandsentschädigung für die Mitglieder der Kommission in einem ethisch angemessenen Rahmen hält. Im Interesse von Transparenz und Compliance wäre es gut, wenn die Mitglieder (...) öffentlich machen würden, welche Honorare sie für ihre Arbeit verlangt und erhalten haben." Laut Governancebericht lag der Gesamtaufwand nur für die Stäbe Eckerts und Borbelys 2016 bei rund drei Millionen Euro, rund ein Drittel dessen, was der DFB für eine halbjährige, fruchtlose Selbstermittlung in die Kanzlei Freshfields gesteckt hat; genauere Beträge sind bis heute leider nicht bekannt. Zugleich nähert sich der um die Fifa-Finanzen besorgte DFB-Chef der Position Ceferins an, der dank diskreter russischer Wahlhilfe aus dem Nichts an die Uefa-Spitze kam. Die Aufklärer zu teuer - das ist ein kabarettreifes Argument angesichts der Überlegung der Fifa-Spitze, ihre Ratsleute finanziell so fett auszupolstern, dass sie in einer Amtszeit Doppelmillionäre werden könnten. Sollte all das noch gestoppt werden? Dann wohl nur aus Furcht vor der Justiz.

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