Fifa-Funktionär Ricardo Teixeira:Unangreifbar, selbstgewiss, korrupt

Die Hälfte des Gewinns gehört ihm, Verluste trägt der Verband: Der brasilianische Fußballpate Ricardo Teixeira bereichert sich seit Jahren - und genießt die Unantastbarkeit in vollen Zügen. Derzeit profitiert er vor allem von Brasiliens Fernsehkrise.

Thomas Kistner

Dilma Rousseff wollte nicht glauben, was sie da las. Das Magazin Piaui hatte Ricardo Teixeira porträtiert, den starken Mann des brasilianischen Fußballs. Und der rückte seinen Kritikern in Fäkalsprache zu Leibe: Auf die "sch . . ." er, war da zu lesen, er schulde keinem Rechenschaft - und nach der WM 2014 sei er sowieso weg.

Preliminary Draw of the 2014 FIFA World Cup in Brazil

Immer dabei, wenn bei der Fifa was los ist: Ricardo Teixeira bei der Ziehung der WM-Qualifikationsgruppen.

(Foto: Getty Images)

Mit dem Interview verschaffte sich Teixeira kaum weniger Probleme als mit all den dubiosen Geschäften, die ihn zur größten Skandalfigur des nationalen Sports machten. Das Presse-Echo war verheerend, auf Twitter entstand eine Teixeira-Raus-Bewegung. Und Staatspräsidentin Rousseff ging bei der WM-Auslosung jüngst in Rio auf Distanz. Sie ernannte den Volkshelden und Teixeira-Kritiker Pelé zum WM-Botschafter - ein Warnschuss.

Na und? Die Seleção weilt jetzt in Deutschland - und die Situation zu Hause ist höchst komfortabel für Teixeira, der den brasilianischen Verband CBF beherrscht, die WM 2014 organisiert und im Fifa-Vorstand sitzt. Im Land herrscht eine Pattsituation: Einige Abgeordnete fordern zwar wieder Ermittlungen gegen Teixeira, doch Regierung und Presse sind wie gelähmt. Vor allem TV Globo, der Sender, der dem Paten früher oft Probleme verschaffte.

Vor zehn Jahren gab es die letzte Untersuchung von Parlament und Senat, der 1129-seitige Bericht bescheinigte Teixeiras CBF, sie sei "ein krimineller Ort, wo Anarchie, Inkompetenz und Verlogenheit herrschen". Dem mafiösen Funktionär waren allein 536 Seiten mit dutzenden Vergehen gewidmet, von Vertragsfälschung bis zu Währungsspekulationen mit CBF-Geld, deren Gewinne er selbst eingestrichen hatte.

Aufgelistet wurden auch Offshore-Firmen wie die "Sanud", deren Sinn sich erst Jahre später erschloss: Da offenbarten die Schweizer Strafakten zur bankrotten früheren Fifa-Hausagentur ISL, dass allein an Teixeiras Sanud in Liechtenstein 9,5 Millionen Dollar Schmiergeld geflossen waren. Eine Zeit lang soll der Mann, den Fifa-Boss Sepp Blatter in die Komitees für Finanzen, Fairplay und "zum Wohle des Spiels" komplimentierte, die Schweiz gemieden haben - aus Angst vor der Festnahme.

Teixeira, ein verkrachter Finanzjongleur, hat in den Fußball eingeheiratet, Ex-Gattin Lucia ist das einzige Kind von João Havelange. Der regierte die Fifa von 1974 bis 1998 und übergab sie dann seinem Zögling Blatter, dem, so war es avisiert, wiederum Teixeira nachfolgen sollte - was angesichts der Skandaldichte um Blatters Fifa nun schwierig werden dürfte. Doch Teixeira hat auch so ausgesorgt. Ihm eignen eine 600-Quadratmeter-Villa am Strand von Buzios, luxuriöse Fincas, Ländereien, Gastronomie und was sonst anfällt, wenn man sich in hohen Verbandsämtern festbeißt.

Keine Sorgen in der Heimat

In der Heimat braucht sich Teixeira keine Sorgen zu machen. Obwohl aufflog, dass er als Chef des WM-Organisationskomitees einen Bereicherungsvertrag mit sich selbst abgeschlossen hat: Danach ist er an WM-Gewinnen zur Hälfte beteiligt, etwaige Verluste trägt nur der CBF. Nach Ruchbarwerden der Affäre soll der Kontrakt geändert worden sein, nur: Kontrolliert hat das niemand. Die Regierung scheut Affären vor der globalen Fußballsause, und der einst allmächtige Sender TV Globo ist auf Schmusekurs.

Denn im Land tobt eine Fernsehkrise. TV Globo wird seit einigen Jahren von Rede Record attackiert. Die Senderkette des Kirchensektierers Edir Macedo will Globo schon deshalb auslöschen, weil der Sender einst aufgedeckt hatte, wie Macedo seinen Leuten das Eintreiben der Spenden von Gläubigen einbläut. Macedos "Universalkirche" ist eine Geldmaschine, die im Fokus anhaltender Ermittlungen steht.

Nun warb Record zahlreiche Globo-Leute ab und tritt auch auf dem Sportmarkt gegen Globo an: Es ergatterte die Exklusivrechte an den London-Spielen 2012, dazu die Panam-Spiele 2011 und 2015. Doch an den WM-Rechten biss sich Record die Zähne aus. Die Bande zwischen Fußballboss Teixeira und Globo-Chefunterhändler Marcelo Campos Pinto hielt.

Auch im Kampf um die Rechte an der nationalen Liga ging es heiß her: Die Chefs der Klub-Vereinigung "Clube dos 13" inszenierten ein Bieterverfahren, zum Missfallen vieler Vereine, Record bot ein Vermögen - Globo zog sich zurück. Dann stiegen erste Klubs aus, und Stunden vor der Vergabe warf Record das Handtuch. Globo hatte diskret Einzelverträge mit den größten Klubs abgeschlossen.

Der Bischof tobte, seine Senderkette wütet nun gegen Teixeira und Globo. Die Republikaner, Macedos parlamentarischer Arm, fordern eine Untersuchung zum WM-Deal der CBF. Auch der berühmte Abgeordnete Romario macht sich das brisante WM-Thema zu eigen, 2012 will der einstige Rekordtorjäger fürs Bürgermeisteramt in Rio de Janeiro kandidieren. Weshalb Globo alles tut, um Teixeira bei Laune zu halten - ein kritisches Wort, und Erzrivale Record könnte dem gekränkten Paten eine neue Heimat bieten.

Kein Wunder, dass Teixeiras bizarrer Selbstbereicherungsvertrag die meisten Medien kaum interessiert. Und Rousseffs Regierung hat andere Korruptionsprobleme, etwa mit der Koalitionspartei PMDB: Letzte Woche musste der Transportminister gehen, jetzt wackelt der Landwirtschaftsminister, am Wochenende verprügelte ein PMDB-Lobbyist einen Reporter der Zeitschrift Veja. Mit dem Volksheiligtum Fußball legt sich Rousseff derzeit so wenig an wie mit der superreichen, zulaufstarken Freikirche.

Und Teixeira, der Mann in allen Strafakten? Er genießt die Unantastbarkeit in vollen Zügen. Im Interview mit Piaui schlachtete er auch das vollmundig aus: Für ihn zähle allein Globos Berichterstattung. Wann immer ihn Record angreife, stärke dies nur seinen Rückhalt bei Globo. Er könne jetzt, prahlte er, "jede Untat begehen, die ich will".

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