Fifa:Fallstricke hinter den Kulissen

Blatter-Herausforderer Prinz Ali stellt Strafanzeige: Unbekannte hätten ihm für die Fifa-Wahl 47 Stimmen angeboten. Derweil sorgt angebliches Insiderwissen über den Amtsinhaber für Irritation.

Von Thomas Kistner, Zürich

Graue Wolkenbataillone rollen über den Zürichsee, es regnet ohne Unterlass. Aber die sauertöpfischen Mienen im Hotel Baur au Lac sind eher auf das Binnenklima zurückzuführen. Die Anspannung wächst unter den Spitzenfunktionären des Fußball-Weltverbands vor dem Wahlkongress am Freitag. Die letzte Fifa-Vorstandssitzung am Montag war schon mit galliger Lagerstimmung gewürzt: Hier der Präsident Sepp Blatter, der ein fünftes Mal gekürt werden will, dort Europas Fußballchef Michel Platini, der dies um jeden Preis verhindern will. Weshalb er französischen Medien vor der Zürich-Reise noch einmal erklärt hat, dass der 79 Jahre alte Amtsinhaber mit seiner ewigen Regentschaft vor allem eine bleierne Leere in seinem Leben auszufüllen versuche.

Die öffentlichen Nadelstiche sind das eine. Hinter den Kulissen jedoch werden die Säbel gewetzt. Blatter, der traditionell das Stimmvolk aus der zweiten und dritten Fußballwelt hinter sich hat, geht als klarer Favorit in die Kongresswoche. Doch die Opposition um Platinis Uefa und deren Kandidaten Ali bin al-Hussein, Prinz von Jordanien, glaubt noch immer an eine veritable Chance. Platini versichert seinen Getreuen, dass Ali auf rund 40 Stimmen aus Europa zählen könne. Weitere 35 Voten bräuchte der Herausforder allerdings noch aus den anderen Kontinentalverbänden, um wenigstens einen Erstrunden-Sieg Blatters zu verhindern: Dafür sind zwei Drittel der Stimmen aus den insgesamt 209 Mitgliedsverbänden erforderlich.

Tatsächlich würde ein solches Votum an den Grundfesten des Blatter-Imperiums rütteln. Und mehr? "Alle Wähler wüssten dann vor dem zweiten Wahlgang, dass es eine echte andere Option gibt", sagt ein enger Berater des Uefa-Chefs.

So weit die Hochrechnungen. Aber in einem zweiten Urnengang würde dann schon die einfache Mehrheit entscheiden. Und ohnehin lautet die Kernfrage: Ist der Prinz, dem eher dosiertes Charisma eignet, überhaupt in der Lage, viel mehr als 40 Stimmen hinter sich zu versammeln?

Die 47 Voten, die ihm eine unbekannte Person angeboten hatte, führt der Jordanier jedenfalls nicht im Kalkül. Am Dienstag sagte sein Kampagnen-Sprecher im Baur au Lac, dass Strafanzeige erhoben worden sei wegen dieser unmoralischen Offerte, die dem Lager des Prinzen in den letzten Wochen unterbreitet worden sei. Zudem bestätigte die für Ali tätige internationale Großdetektei Quest gegenüber Nachrichtenagenturen, dass die Anbieter auch heikles finanzielles Insiderwissen über den Fifa-Chef feilgeboten hätten. Derlei Aktionen könnten in der Schweiz strafbar sein.

Prince Ali press conference

Ali bin al-Hussein, 39, ist der einzige verbliebende Herausforderer von Sepp Blatter. Der Prinz von Jordanien wird vom Europa-Verband Uefa unterstützt.

(Foto: Andy Rain/dpa)

Trotzdem erscheint dieser Vorstoß aus dem Lager des Herausforderers recht ungewöhnlich. Normalerweise bleiben solche Dinge im Dunkeln. Hat der Prinz in dem Angebot eine Falle gewittert, sucht er Distanz dazu in der Öffentlichkeit? Schon Blatters Herausforderer 2011, dem Katarer Mohamed Bin-Hammam, war ja ein windiger Deal zum Verhängnis geworden. Ein Meeting mit korrupten Vorgängen, über das der Fifa-Chef vorab informiert wurde.

Jedenfalls gewährt der Vorgang im Nebeneffekt spannende sportpolitische Einblicke. Er zeigt, wie im Kampf um den Fußballthron global tätige, private Nachrichtendienste eifrig mitmischen - und auch, dass es offenkundig Kontakte gab mit den Anbietern denkwürdiger Materialien.

Und schließlich ist die Firma Quest eng mit Katar verbunden, wo sie eine Niederlassung hat. Mit Doha verbandelt war zumindest bis vor kurzem auch die britische Kommunikationsagentur Vero, die den Prinzen betreut. Das deutet in der Summe darauf hin, dass es eine diskrete Unterstützung des Blatter-Herausforderers durch den WM-Veranstalter 2022 geben könnte.

Im Uefa-Lager sehen viele darin den Grund, dass der Prinz in diesen ersten Züricher Tagen so aufgeräumt wirkt. Hätte er die Machthaber in Doha im Kreuz, ließen sich wohl schon ein paar Voten mehr in Asien und Afrika akquirieren. Zugleich ist Alis königliche Schwester, Prinzessin Haya, als Werberin in den olympischen Sportzirkeln unterwegs. Auch diese haben eine Schnittmenge mit der Fifa. Die Prinzessin gehört dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) an und saß bis Ende 2014 dem Reitsport-Weltverband FEI vor.

Verliert Südamerika einen Platz bei der WM? Anderswo wären mehr Wählerstimmen zu holen

Vor allem aber lässt Platini, der Stratege hinter Alis Kandidatur, die Drähte glühen. In Zürich bearbeitete er als ersten Juan Ángel Napout, den Präsidentenkollegen an der Spitze der Südamerika-Föderation Conmebol. Dieser hat mächtig Ärger mit der Fifa - Aufruhr herrscht, weil ihm der Verlust des fünften WM-Startplatzes droht. Die Fifa hat nach üblen Ausschreitungen beim Klassiker in Südamerikas Landesmeister-Wettbewerb Copa Libertadores harsche Konsequenzen angekündigt. Mitte Mai, beim argentinischen Derby der Boca Juniors gegen River Plate, hatten Hooligans der Heimmannschaft die Gästespieler sogar mit Pfefferspray attackiert, als diese aus dem Tunnel aufs Spielfeld liefen. Um den steten Unruheherd in der Bombonera, der Arena von Buenos Aires, einzudämmen, steht nun die harte Verbandssanktion zur Debatte.

Bisher hatte Südamerika vier Fixstarter bei der WM, zudem durfte die Conmebol ihr fünftbestes Nationalteam in Playoff-Spiele gegen Ozeaniens Klassenprimus schicken. Was gewöhnlich den WM-Einzug garantiert. Beim Kongress am Freitag aber könnte dieses Playoff-Recht an den Erdteilverband von Asien (AFC) oder Nord- und Mittelamerika (Concacaf) gehen. In Blatters Wahlkampfschema könnte so etwas passen. Immerhin haben AFC und Concacaf jeweils das Mehrfache an Mitgliedern wie der nur zehn Nationalverbände umfassende Conmebol. Das heißt: ein Mehrfaches an Wählern.

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