Fifa:Die Uhr tickt

Im Korruptionsskandal beim Weltverband überstellt die Schweiz den ersten Top-Funktionär an die USA. Bei der Anhörung fehlen Blatter und der US-Fußballchef.

Von Thomas Kistner, München/Washington

Der lustigste Moment war, als Dan Flynn, Generalsekretär des amerikanischen Fußballverbandes USSF, einem Senator erklären sollte, wie er die Amtsführung der Spitzenleute im Kontinentalverband für Nord-und Mittelamerika (Concacaf) empfunden habe. Flynn, der während des Hearings durchgehend den Eindruck eines Grundschülers vermittelte, der die Hausaufgaben vergessen hatte, setzte zur nächsten ausweichenden Erklärung an - da robbte sich von hinten eine Beraterin heran; nach langem andächtigen Lauschen war mit juristischem Beistand der Begriff gefunden: "Unbehaglich!"

Verbandschef Gulati soll geraten worden sein, dem Hearing in Washington fernzubleiben

Das Thema Korruption im Fußball-Weltverband Fifa hatte es am Mittwoch auf den Capitol Hill in Washington geschafft. Allerdings wirkten bei der Anhörung im amerikanischen Senat manche Begleitumstände weit erhellender als die Aussagen, die von den USSF-Vertretern kamen. Dabei interessierte sich der Senat ganz besonders für die Rolle, die ihre Funktionäre im Affärensumpf der Fifa spielten - und gewisse Hinweise, so ließen die Politiker dabei anklingen, entnahmen sie allein schon dem Umstand, dass sich neben Fifa-Präsident Sepp Blatter auch dessen Vorstandskollege, der amerikanische Verbandschef Sunil Gulati, der freundlichen Einladung zum Hearing entzogen hatten.

Das Nichterscheinen der beiden Fifa-Spitzenleute ließ tief blicken. Dass Blatter internationales Terrain scheut, auf das die US-Justiz Zugriff hat, ist länger bekannt und wurde von ihm selbst schon angedeutet. Gulatis Absenz in Washington liefert indes Anlass zu Spekulationen, die von Flynns Aussagen noch befeuert wurden: Demnach blieb der USSF-Chef und Fifa-Vorstand dem Hearing auf externen Rat hin fern. Gulati zählte lange zum Umfeld der Skandalfunktionäre Jack Warner (Trinidad/Tobago) und Chuck Blazer (USA). Das Duo regierte über Dekaden die Concacaf und zweigte zweistellige Millionenbeträge in die eigene Tasche ab. Blazer ist nun ein kooperierender Kronzeuge des FBI, für Warner ist Auslieferung beantragt. Gulati hat sich zwar längst losgesagt von den früheren Förderern, doch gilt als wahrscheinlich, dass die US-Justiz zu einem späteren Zeitpunkt viele Fragen an ihn haben könnte. Der US-Funktionär ist seit den Neunzigerjahren eng mit den WM-Ticket-Geschäften der Fifa verwoben, die nach SZ-Informationen bald einen eigenen Ermittlungskomplex bilden könnten. Stellvertreter Flynn mauerte im Senat, räumte "ungute Gefühle" im Hinblick auf die Rolle der international führenden Kollegen ein und bot den klassischen Glaubenssatz der Sportfunktionäre feil: "Ich wusste nichts von Korruption, und auch niemand, mit dem ich bei der USSF zusammengearbeitet habe, hat davon etwas gewusst." Dem stand die Einschätzung von Senator Richard Blumenthal gegenüber. Der Demokraten-Obmann bezeichnete die Fifa schon im Eröffnungsstatement "als mafia-ähnliches Syndikat. Mich lässt bei der Formulierung allein der Umstand zögern, dass ein Vergleich der Fifa mit der Mafia fast eine Beleidigung der Mafia wäre. Denn die Mafia würde ihre korrupten Geschäfte nie in einer solch himmelschreiend unverdeckten und arroganten Weise abwickeln."

Switzerland extradites first of FIFA Seven to US

Bis zu seiner Festnahme galt Jeffrey Webb, der frühere Fifa-Vizepräsident, als Sepp Blatters Lieblingszögling.

(Foto: Szilard Koszticsak/dpa)

Was nun die Verwicklung von US-Bürgern in die Machenschaften des Fifa-Syndikats angeht, war zum Zeitpunkt des Hearings schon Hilfe im Anflug: Der Blatter-Intimus Jeffrey Webb - in Begleitung von drei FBI-Beamten, die ihn Mittwoch in Zürich aus der Auslieferungshaft abgeholt hatten. Dass es nach allgemeiner Darstellung Webb ist, der seiner Überstellung in die USA zugestimmt hat, werten Experten als klares Zeichen, dass der Funktionär zu weitgehenden Aussagen bereit sei. Strafmilderung ist ein wichtiges Thema: Immerhin stehen für manche der festgenommenen Fußballfunktionäre jahrzehntelange Haftstrafen in Aussicht. Für solche, die nicht dem inneren Fifa-Kreis zugerechnet werden. Webb hingegen gehörte dazu, er zählte zu Blatters Lieblingsfunktionären und wurde vom Fifa-Boss sogar im April zum möglichen Thronerben erhoben. Schon 2002 hatte Blatter den Bankier von den Kaimaninseln in seine handverlesene interne Buchprüfer-Kommission berufen. In eine Gruppe, der schon damals mindestens drei Funktionäre angehörten, die Ärger mit der Justiz hatten.

Webb wäre ein enorm wertvoller Zeuge für die US-Justiz. Zumal über sein Fußballinsel-Reich vielerlei Geldflüsse beim Verkauf der Sportvermarktungsrechte für Turniere in den USA und Lateinamerika geschleust worden sein sollen. Nach FBI-Recherchen sollen daneben Schmiergelder in dreistelliger Millionenhöhe geflossen sein. Und das ist nur ein regionaler Teil dieser global laufenden Ermittlungen.

Für die sechs in Zürich verbliebenen Häftlinge tickt nun die Uhr. Wenn Webb erst einmal auspackt, ist für sie die Zeit der Deals mit der Justiz vorbei. Im August wird auch über ihre Auslieferung entschieden.

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