Fifa:"Die Absetzung war ausschließlich politisch motiviert"

Gianni Infantino

Fifa-Präsident Gianni Infantino entledigte sich seiner Aufklärer.

(Foto: AP)
  • Überraschend wird die Spitze der Fifa-Ethikkomission abgesetzt.
  • Die Ermittler Eckert und Borbely zeigen sich enttäuscht - und vermuten, dass die Aufklärungsarbeit um Jahre zurückgeworfen wird.
  • Wurden beide abgesetzt, weil Fifa-Boss Infantino fürchtete, dass auch gegen ihn ermittelt werden könnte?

Die plötzlich abgesetzte Spitze der Fifa-Ethikkommission sieht die Verfolgung von "mehreren hundert" offenen Fällen im Skandal um den Fußball-Weltverband gefährdet. Auch die Ermittlungen gegen die Macher der WM 2006 in Deutschland um Franz Beckenbauer sind damit weiter offen.

"Die erfahrenen Richter und Ermittler sind weg - es gibt keine Garantien, dass die laufenden Verfahren fortgesetzt werden. Es sind sehr komplizierte Untersuchungen.", sagte der frühere Chef-Ermittler Cornel Borbely am Mittwoch in Bahrain. Es gebe keine Phase des Übergangs. "Mehrere hundert Fälle sind noch offen. Wir haben viele laufende Untersuchungen", sagte Borbely bei einer kurzfristig einberufenen Presse-Konferenz im 13. Stock des Al Raya Suites Hotel. Dieser Schritt werfe die Fifa "um Jahre zurück".

Der Schweizer und der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert waren zuvor vom Fifa-Council nicht wieder zur Wiederwahl vorgeschlagen worden. Damit können sie vom Kongress am Donnerstag in der bahrainischen Hauptstadt nicht gewählt werden. "Ich bin nicht sicher, wie lange es dauern wird, bis jemand anders mit diesen Fällen umgehen wird", sagte Eckert. "Die erfahrensten Verfolger und Richter sind weg", sagte Borbely. Bis auf zwei Mitglieder der beiden Ethikkammern wurde das Personal komplett ausgetauscht. "Der Ethik-Code ist nun ein wertloses Stück Papier", sagte Borbely.

Allein seit 2015 über 70 Funktionäre verurteilt

Beide erfuhren nach eigenen Angaben die Entscheidung nach der Landung in Bahrain durch die Medien. "Die Absetzung war unnötig und deswegen ausschließlich politisch motiviert", sagte Borbely. Scheinbar habe die Fifa-Spitze die eigenen Interessen höher gewichtet als die langfristigen Interessen der Fifa, hieß es in einem schriftlichen Statement der von Eckert und Borbely.

Die Fifa-Ethikkommission hat allein seit 2015 über 70 Funktionäre verurteilt, darunter Schwergewichte wie Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter, Ex-Uefa-Präsident Michel Platini, oder Ex-Generalsekretär Jérôme Valcke. Spätestens mit diesen Aktionen demonstrierte die Kommission ihre Unabhängigkeit. Auch gegen Infantino selbst führte die Kommission Vorermittlungen. Der neue Fifa-Präsident war mit Privatjet-Flügen und anderen Eskapaden in den Fokus gerückt - diese Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.

Aktuell gibt es Vorwürfe, er habe die Wahl des Präsidenten des afrikanischen Kontinentalverbandes CAF beeinflusst - laut Fifa-Statuten darf er das nicht. Infantino hatte ein großes Interesse daran, dass Ahmad Ahmad aus Madagaskar die Wahl gewinnt und ihm die zahlreichen Stimmen aus Afrika zusichert. Die Ethik-Kommission hätte wohl nach dem Kongress Ermittlungen in diesem Fall aufgenommen.

Eckert sieht durch die Absetzung auch offene Fragen für die strafrechtlichen Verfolgungen in der Schweiz und den USA im Korruptionsskandal rund um den Weltverband. "Was werden die Strafverfolger in Bern machen, was werden die Strafverfolger in den USA machen?", fragte der Korruptionsexperte aus München. "Aber es wird nicht einfacher für die Fifa."

Eckert und Borbely weisen Vorwürfe zurück

Vor einer Woche hätte es keinerlei Anzeichen gegeben, dass die Kommission ihre Arbeit nicht fortsetzen dürfe, sagte Eckert: "Vielleicht ist das eine Art von Politik - die ich aber nicht unterstütze. Das hat nichts mit Respekt zu tun." Borbely bezeichnete die vermeintlichen Fifa-Angaben, die beiden hätten sich nicht für die Wiederwahl beworben, als "absolut lächerlich". Sowohl Eckert als auch Borbely durchliefen den nötigen Integritätscheck, den Governance-Chef Miguel Poiares Maduro durchgeführt hatte. Der Portugiese wurde am Dienstagabend ebenfalls nicht zu Wiederwahl vorgeschlagen.

Den Vorwurf, die Ethikkommission habe zu viel gekostet, wiesen beide vehement zurück. Die Ausgaben beliefen sich im Jahr auf "zwei Millionen Euro für jede Kammer", sagte Borbely: "Im Vergleich zu dem, was die Fifa-Anwälte genommen haben oder die externen Ermittler von der Kanzlei Freshfields für die deutsche Untersuchung, ist das nicht viel." Die interne Aufarbeitung des Skandals um die WM 2006 hatte den Deutschen Fußball-Bund (DFB) über fünf Millionen Euro gekostet.

Eckert saß der rechtsprechenden Kammer seit knapp fünf Jahren vor, Borbely war seit zwei Jahren Chef der Untersuchungskammer. Die beiden wollten ihre Posten für vier weitere Jahre behalten. Als neue Chefermittlerin schlug das Fifa-Council die Kolumbianerin María Claudia Rojas vor, die rechtsprechende Kammer soll der frühere Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Vassilios Skouris aus Griechenland, leiten.

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