Ferrari:Schweigen und fahren

F1 Grand Prix of Austria

Manch einer hatte auf das Karriereende des Finnen Kimi Räikkönen spekuliert. Doch der verlängert nun seinen Vertrag mit Ferrari für die Saison 2017.

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Die Vertragsverlängerung für Kimi Räikkönen kommt nur scheinbar überraschend. Der Druck auf die Scuderia ist enorm, der Finne soll entlastet werden.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

Die Mitteilung las sich so, als hätte der Fahrer selbst sie verfasst: Ein schlichter Zweizeiler, in dem Ferrari vor dem großen Preis von Großbritannien (Sonntag, 14 Uhr) bekannt gibt, das Abkommen als Entwicklungs- und Rennfahrer mit Kimi Räikkönen für die Saison 2017 verlängert zu haben. Schweigen und fahren, so hätten es beide Seiten gern. Zugegeben, mit etwas mehr Erfolg. Der zweitälteste Fahrer der Königsklasse, 36, liegt gleichauf mit seinem Teamkollegen Sebastian Vettel auf dem dritten Platz der Formel-1-Weltmeisterschaft, beide mit gut zwei Rennsiegen Rückstand auf das führende Mercedes-Duo Nico Rosberg/Lewis Hamilton.

Vettel und Räikkönen gehen in ihr drittes gemeinsames Jahr bei der Scuderia, das Fahrerkarussell der Formel 1 ist damit ins Stocken geraten, bevor es überhaupt in Schwung kam. Denn auf das mögliche Karriereende für den Finnen und damit ein Cockpit bei Ferrari hatten einige Nachwuchspiloten spekuliert. Jetzt herrscht bei allen drei Top-Teams Arbeitsplatzsicherheit. Üblicherweise bestätigt Ferrari seine Fahrer erst beim Großen Preis von Italien im September. "Aber wir sind ein neues Team, und wir verändern die Tradition", sagt Teamchef Maurizio Arrivabene selbstbewusst - obwohl die Entscheidung selbst eher gewohnt konservativ war. "Wir haben Kimi weiterverpflichtet, weil er es verdient", ergänzt der Manager.

Etwas Wärme für den "Iceman"

Ferrari befindet sich in Phase zwei des sportlichen Turnarounds. Diese besagte ursprünglich, dass man sich auf gleicher Höhe mit Mercedes befinden sollte. Davon kann, nach drei überraschenden Siegen bereits im Aufbaujahr 2015, derzeit nicht die Rede sein. "Wir wollten mit der Verlängerung auch den Druck von Kimis Schultern neben", ergänzt der Manager, "er mag "Iceman" genannt werden, aber er ist immer noch ein Mensch, und dass er ständig nach seiner Zukunft gefragt wird, hat ihn unter Druck gesetzt." Arrivabene widmet sich dem simplen Fakt wortreich, und beschreibt damit exakt die Bürde, die auf seinen eigenen Schultern liegt. Der ehrgeizige Fiat-Boss Sergio Marchionne hat in dem Telefongespräch, in dem er die Personalie Räikkönen abgesegnet hat, Arrivabene vermutlich erneut seine Erwartungen klar gemacht: Spätestens im kommenden Jahr, wenn sich im technischen Reglement einiges ändert, muss Ferrari sich im Titelrennen befinden.

Deshalb ist die Entscheidung, Räikkönen, der in der Qualifikation in England Platz fünf erreichte, noch ein siebzehntes Formel-1-Jahr zu genehmigen, letztlich nicht überraschend. "Wir müssen sehen, welches die beste Entscheidung für das Team ist, und diese ist nicht, nach einem anderen Fahrer zu gucken, sondern sich auf die Entwicklung des Autos zu konzentrieren", sagt der Teamchef. Kimi Räikkönen war 2007 der letzte Weltmeister im Ferrari. Er sagt: "Ich fahre so gut wie eh und je. Wenn nicht, wäre ich der erste, der von sich aus gehen würde." Der Finne gilt als schnell, wenn das Auto gut ist, als großartiger Entwickler hat er sich nicht hervorgetan. Aber die Scuderia, auf der Ingenieursseite immer noch im Umbruch und in einer technischen Aufholjagd gefangen, braucht Stabilität. Die liefert Räikkönen. "Wir wollten die gute Atmosphäre nicht durch fremde Elemente stören", bestätigt Arrivabene.

Der Finne und sein Kollege Sebastian Vettel ergänzen sich gut

Nicht, dass sich der Iceman als Nummer zwei sieht. Aber Sebastian Vettel, der Mannschaftskapitän mit Perspektive, kommt sehr gut mit ihm klar. In der Tat gibt es zwischen den beiden so etwas wie freundschaftliche Ansätze, eine Eskalation wie bei den Mercedes-Rivalen scheint schwer denkbar. "Wir beide haben im ganzen Fahrerlager wahrscheinlich die wenigsten Ego-Probleme", bestätigt Vettel, "die Entscheidung für Kimi war die richtige. Er ist ohne Zweifel einer der talentiertesten Fahrer im Feld. Wir geben beide Vollgas, versuchen dem Team so viel wie möglich zu helfen und stellen unsere persönlichen Interessen hintenan." Mit einem impulsiven Piloten wie Sergio Perez von Force India oder einem Ehrgeizling wie Valtteri Bottas von Williams, die sich noch beweisen wollen, wäre das kaum möglich.

Allerdings war auch keiner der Über-Fahrer für 2017 wirklich auf dem Markt, weshalb Ferrari abwartet. Daniel Ricciardo und vor allem Max Verstappen, die beide noch an Red Bull Racing gebunden sind, wären attraktive Kandidaten. Auch die Entwicklung im Stallkrieg bei den Silberpfeilen betrachtet man in Maranello interessiert - ein Lewis Hamilton an der Seite von Sebastian Vettel, gleichauf in einem titelfähigen Auto, oder ein Nico Rosberg: Das wäre eine Personalie, die Ferrari wohl nicht nur mit einem Zweizeiler kommentieren würde.

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