Ferrari-Cockpit:Bottas, der Ehrgeizling

Der junge Finne, bisher bei Williams, ist Favorit auf die Räikkönen-Nachfolge, auch wenn sich Vettel für den früheren Weltmeister stark macht.

Von Elmar Brümmer, Budapest/München

Es sind diese verräterischen Kleinigkeiten in der Wortwahl, die auf eine baldige Entscheidung im Poker um den Platz als Teamkollegen von Sebastian Vettel 2016 bei Ferrari hindeuten. Valtteri Bottas, der Favorit um die Nachfolge von Kimi Räikkönen, spricht nicht mehr ausdrücklich von seinem derzeitigen Rennstall Williams, wenn er auf die Zukunft angesprochen wird, sondern sagt: "Ich weiß nichts. Noch ist nicht bestätigt, wer 2016 im Williams sitzen wird und ob ich Teil des Plans bin. Wir müssen abwarten." Abwarten bis zum kommenden Freitag, wenn bei Ferrari die Option auf Vertragsverlängerung von Kimi Räikkönen verfällt. Der angeblich unwissende Bottas, einer jener Rennfahrer mit großer Perspektive, staunte am Hungaroring aber nicht schlecht, als ihm bereits zu seinem Vertrag bei Ferrari gratuliert wurde. Der Finne empfand das als unangenehm. Er ist von der Zurückhaltung her der gleiche Typ wie Räikkönen, nur eben nicht so schroff. Aber mindestens so schnell.

Auch bei der derzeit spannendsten Zukunftsfrage der Formel 1 geht es nicht ganz ohne einen Ausflug in die jüngste, traurige Vergangenheit. Denn für das Cockpit, das Ferrari für 2016 neu besetzen will, war eigentlich Jules Bianchi vorgesehen. Der Franzose, der neun Monate nach seinem Unfall beim Großen Preis von Japan den schweren Kopfverletzungen erlegen und in dieser Woche von seinen Fahrerkollegen zu Grabe getragen worden war, sollte 2015 ein Ausbildungsjahr bei Sauber absolvieren und anschließend in die Scuderia befördert werden. Das zumindest behauptet der ehemalige Ferrari-Lenker Luca di Montezemolo. Doch dann durchkreuzte das Schicksal die Pläne.

Räikkönen hinkt hinterher

Instinktfahrer Räikkönen, 35, ist umstritten. Immer wieder hat der neue Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene betont, es liege allein in Räikkönens Händen und an seinen Leistungen. Mit 76 WM-Punkten und einem zweiten Platz bis zur Saisonhälfte hinkt er weit hinter Vormann Vettel her (135/ein Sieg). Weshalb der Druck auch auf Arrivabene zunimmt, einen neuen Weg zu suchen. Bottas ist die beste Alternative, er hat eine hohe Grundschnelligkeit und gilt dazu als solider Arbeiter. Alternativen zu dem Skandinavier, der im August 26 wird, sind noch der Australier Daniel Ricciardo (26) von Red Bull Racing und Nico Hülkenberg (27) von Force India. Möglich, dass ein Wechsel von Bottas einen Ringtausch auslöst. Der Corriere dello Sport jedenfalls berichtet, dass bereits alles in trockenen Tüchern mit ihm sei. Demnach soll der Transfer nach der Formel-1-Sommerpause in Spa-Francorchamps oder beim Ferrari-Heimspiel in Monza bekannt gegeben werden. Manager Didier Coton dementiert das heftig.

Auch Claire Williams, die den Rennstall ihres Vaters führt, hat in Budapest "vertrauliche Gespräche" mit Ferrari bestätigt. Bottas, der 2010 als Testfahrer bei dem britischen Team begann und 2013 zum Stammfahrer befördert wurde, besitzt noch einen laufenden Vertrag bis Ende des kommenden Jahres. "Wenn Valtteri gehen sollte - und das ist ein großes Wenn - dann wäre das natürlich eine Enttäuschung, denn wir haben viel Zeit und Ressourcen investiert und wissen, dass er ein großes Talent ist", sagt die Britin. Und verklausuliert damit, dass es in den Verhandlungen bereits um die Höhe der Ablösesumme geht - die zwischen zwölf und 20 Millionen Dollar liegen könnte.

In 59 Formel-1-Rennen ist Bottas nie für ein anderes Formel-1-Team gefahren, stand sieben Mal auf dem Podest und war in der vergangenen Saison WM-Vierter. Kaum ein Tag, an dem er nicht im Rennsimulator bei Williams sitzt. Ein echter Ehrgeizling, und so fährt er auch - vor allem seine Überholmanöver sind sehenswert. Er weiß um seinen Fähigkeiten und Perspektiven, und bei Ferrari weiß man das auch.

Vettel: "Mit Kimi gibt es keinen Bullshit"

Kürzlich hat sich Sebastian Vettel im Fahrerlager angeregt mit dem Noch-Williams-Piloten unterhalten, ein erstes Beschnuppern? Es ist kein Geheimnis, dass der Vierfach-Weltmeister aus Heppenheim am liebsten mit Kimi Räikkönen an seiner Seite weitermachen würde. Denn der erfahrene Kollege, der früher mal sein Badminton-Partner im gemeinsamen Schweizer Steuerexil war, wird ihm weniger gefährlich als ein Nachwuchsmann, der sich noch profilieren muss. "Ich kenne meine Rolle, aber ich bin nicht der Projektleiter des Teams", sagt Vettel über seinen Einfluss auf eine Vertragsverlängerung von Räikkönen. Und hält dann doch ein Plädoyer: "Was ich an Kimi sehr schätze, ist, dass es mit ihm keinen 'Bullshit' gibt. Wir arbeiten beide in die gleiche Richtung. Was auch immer passiert, es ist wichtig, dass wir die Atmosphäre und die Moral in der Mannschaft aufrechterhalten." Räikkönen, der Ferrari 2007 den letzten Weltmeistertitel beschert hat, geht mit der Unsicherheit gewohnt lakonisch um: "Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht mehr das Tempo haben würde und wenn ich die Formel 1 nicht lieben würde."

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