Felix Sturms WM-Titel:Seine Ehefrau muss nicht lange leiden

Felix Sturm v Darren Barker - IBF Middleweight World Championship

Zum vierten Mal Weltmeister: Felix Sturm

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Eine Runde lang sieht es nach einem munteren Kampf aus, doch dann geht es ganz schnell: Dreimal kann Felix Sturm seinen Gegner auf den Ringboden schicken, er gewinnt den WM-Kampf durch technisches K. o. Während Sturm einen verbitterten Gruß an seine Kritiker schickt, muss Darren Barker um die Fortsetzung seiner Karriere fürchten.

Von Saskia Aleythe, Stuttgart

Bei seiner eigenen Pressekonferenz liest Felix Sturm SMS. Glückwunsch-Nachrichten aus der Welt außerhalb der Stuttgarter Arena, in der Sturm gerade dem Briten Darren Barker den WM-Titel abgeknöpft hat. "Edin Dzeko von Manchester City hat mir geschrieben", sagt Sturm grinsend und liest die Botschaft vor: "Your English is amazing." Sturm ist sichtlich erleichtert über seinen Erfolg im Ring, der nur leichte Blessuren an Stirn und Wange hinterlassen hat. Seinem Gegner geht es schlechter, viel schlechter, er ist längst im Krankenhaus. "Es ist fraglich, ob er wieder in den Ring steigen kann", sagt Promoter Eddie Hearn.

Es ist die erschütternde Botschaft in dieser Nacht. Barker kämpft seit längerem mit Hüftproblemen, mehrere Operationen hat er schon hinter sich. In der ersten Ringpause habe er seinem Team klar gemacht, dass er wieder Probleme an der Hüfte habe, erklärt Hearn. In der zweiten Runde, nach dem dritten Niederschlag durch Sturm, flog dann das Handtuch aus der Ecke des Briten. Es ging nicht mehr weiter. "Er hat sehr viel Herz gezeigt, ich wünsche ihm, dass er wieder auf die Beine kommt", sagt Sturm, "der Junge ist ja erst 31".

Eigentlich hatte vor seiner eigenen Zukunft ein Fragezeichen gestanden und es wäre noch größer geworden, wäre Sturm an diesem Samstag als Verlierer aus dem Ring gestiegen. "Ich werde seine Karriere beenden", hatte Barker vor dem Kampf getönt, tragische Worte angesichts des tatsächlichen Ausgangs. In seinen vergangenen Auftritten ließ es Sturm an Kampfgeist vermissen, allzu leicht hat er es da seinen Gegnern gemacht. Die Niederlagen gegen Sam Soliman und Daniel Geale schmerzen ihn heute noch. Leicht verbittert spricht über die "vielen großen Boxexperten, die immer alles besser wissen", und schickt dann noch einen Gruß hinterher: "Für mich zählt nur mein Erfolg."

Und der fühlt sich für Sturm enorm an. "Das war eine schwierige Zeit, da muss jeder mal durch", sagt er und verweist auf Muhammad Ali, "ich hatte irgendwie abgeschlossen mit meiner alten Karriere und wollte ein neuer Boxer sein, ein neuer Mensch, das war meine Motivation für diesen Kampf". Wieder den WM-Gürtel tragen zu dürfen sei für ihn "persönlich eine Genugtuung für alles, was wir entbehrt haben".

Fünf Minuten und neun Sekunden dauerte sein Auftritt in Stuttgart, den er als Außenseiter betrat und als Weltmeister verließ. Fünf Minuten, in denen sich der neue Sturm in Ansätzen zeigte. Der gebürtige Leverkusener mit bosnischen Wurzeln startete aktiver als damals, als er noch der alte Boxer und Mensch war, musste sich dazu aber kurz von Barker animieren lassen. Der Brite schickte angetrieben von den Hunderten mitgereisten Fans gleich ein paar Jabs an Sturms Kopf, einige Kombinationen an seinen Körper. Sturm konterte forsch, es versprach ein munterer Kampf zu werden. Ob sie dieses Tempo über zwölf Runden hätten halten können? Sturm antwortet mit einem kräftigen "Ja", ohne jeglichen Zweifel in der Stimme.

Sturm will noch lange boxen, wenn es seine Frau erlaubt

In der zweiten Runde wurde zunächst der Deutsche in die Enge getrieben, doch dann bearbeitete er seinen Gegner mit empfindlichen Kopftreffern, mal links, mal rechts. Impulse, die eine labile Hüfte nur schlecht verträgt. "Ich habe ihn getroffen mit meinen Schwingern", erklärt Sturm, "ich habe mehr mit der Drehung aus der Hüfte gearbeitet und war insgesamt stabiler". Trainer Fitz Sdunek, der zuvor vor allem seine neue Einstellung zur Fitness gelobt hatte, ist nach dem Kampf beseelt und zeigt offen seine gute Laune. "Er hat immer große Worte gehabt", sagt Sdunek über seinen selbstbewussten Schüler, "aber heute haben die Taten geredet".

Wie es nun für Sturm weitergeht, der als erster Deutsche mit vier WM-Titeln Geschichte geschrieben hat? Mit Barker vereinbart ist ein Rückkampf in London, der ursprünglich im Frühjahr 2014 stattfinden sollte. "Boxen ist ein Gentleman-Sport", sagt Sturm, "Daniel ist ein Gentleman und ich auch. Wenn er wieder auf die Beine kommt, werden wir den Rückkampf machen". Ansonsten habe er noch ein paar Rechnungen offen mit anderen Boxern, gegen die er sich noch beweisen möchte.

Worte eines Mannes, der im Profisport noch einiges vor hat. 34 Jahre ist Sturm jetzt alt, "das ist nicht so alt wie ich mich fühle oder aussehe, trotz mancher grauer Haare", witzelt er und zählt ein paar Kollegen auf, die noch immer kämpfen und schon älter seien als er. "Irgendwas zwischen vier und sechs Jahren wird noch gehen", sagt Sturm, mutmaßt aber: "Da wird meine Frau nicht mitmachen".

Dass der Kampf gegen Barker so schnell vorbei war, gefiel Sturm gut, auch seiner Familie wegen. "Da musste meine Frau nicht so viel leiden". Sturm scheint zu ahnen, dass alles auch ganz anders hätte kommen können, an diesem Dezemberabend in Stuttgart.

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