Felix Sturm:Boxen in Deutschland: Ein leicht zu durchschauendes Märchen

Sturm - Tschudinow

Muss mal wieder in den Ring: Felix Sturm (rechts).

(Foto: dpa)

Und schon wieder kämpft Felix Sturm: Das Interesse der Deutschen am Boxen hat abgenommen. Das liegt an den Protagonisten - und an ihren Beratern.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Der Zustand des deutschen Boxens hat sich immer auch daran ablesen lassen, welchen Einfluss er auf die Intellektuellen des Landes hatte. Als der Sport in den Zwischenkriegs- jahren erstmals populär wurde, in den Erfolgsjahren von Max Schmeling, saßen auch Bert Brecht oder Egon Erwin Kisch am Ring. Die wiedergekehrte Sogwirkung des Boxens in den Neunzigerjahren beschreibt Clemens Meyer in seinem Roman "Als wir träumten" in einer Szene, in der sich die Hauptfiguren in einer Kneipe treffen, zerstört vom Alkohol und von den Drogen, desillusioniert vom Leben, aber eines hält sie zusammen: das Interesse am Kampf zwischen Henry Maske und Graciano Rocchigiani.

Brecht, Kisch, Meyer, sie alle reizt am Boxen die Geschichte von Aufstieg und Fall eines Einzelkämpfers, vom Scheitern und vom verzweifelten Anrennen dagegen. Zuletzt aber waren die Box-Veranstalter froh, wenn Lukas Podolski am Ring saß. Oder wenigstens Ben Becker. Das deutsche Boxen hat an Reiz verloren. Weil schon zu lange die Geschichte eines Aufsteigers fehlt.

Seit einem knappen Jahrzehnt besteht die deutsche Boxszene aus denselben Namen, es war ein langes Jahrzehnt, und mit Ausnahme von Arthur Abraham haben in den vergangenen Monaten alle alten Helden verloren. An diesem und am nächsten Wochenende wird zum Beispiel um zwei Boxer eine Aufregung gemacht, deren letzter guter Kampf ein paar Jahre zurückliegt; beide haben ihr vergangenes Duell verloren. Zuerst will Felix Sturm gegen Fedor Tschudinow den WM-Titel gewinnen - an diesem Vorhaben und Gegner war er erst im Frühjahr gescheitert. Eine Woche später muss Marco Huck beweisen, dass seine K.o.-Niederlage im Sommer ein Versehen war. Er tritt an gegen Ola Afolabi, zum vierten Mal.

Sturm und Huck fehlte die Rafinesse

Dass das Interesse am deutschen Boxen und an seinen Protagonisten abgenommen hat, liegt an zwei Entwicklungen. Sturm und Huck (oder ihre Promoter) haben sich lange davor gescheut, gegen die besten Boxer des Planeten anzutreten, und als sie es dann doch wagten, fehlte ihnen die Raffinesse, um zu bestehen. Das musste Huck in seinem letzten Kampf erleben, in dem er Krzystof Glowacki lange dominierte, aber in der elften Runde ausgeknockt wurde.

Dass die immer gleichen Helden in jedem Kampf aufs Neue ihren Ruf gefährden, vermeiden aber auch die Promoter nicht (was im Fall von Felix Sturm ausgerechnet auch noch Sturm selbst ist). Denn die nächste starke Generation ist nicht zu sehen - anders als bei Maske und Rocchigiani, hinter denen am Ende mehrere spätere Weltmeister lauerten. Zuletzt sollte Vincent Feigenbutz diese Rolle übernehmen, er scheiterte am Italiener Giovanni De Carolis - und an sich selbst und seinen viel zu vorlauten Sprüchen. Die jungen deutschen Boxer sind alle nicht allein sportlich aufgestiegen, sie wurden vielmehr von ihren Beratern als Ausnahme- erscheinungen inszeniert, die sie im Ring nicht sind, zumindest noch nicht. Die Geschichte vom Aufstieg, die die Promoter erzählen wollten, war viel zu leicht zu durchschauen als ein Märchen.

In den USA dagegen gelingt es seit wenigen Jahren wieder einem Boxer, die Menschen für sich zu gewinnen: Gennadi Golowkin boxt spektakulär, außerdem hat er sich mühsam nach oben gekämpft, das gefällt den Anhängern auf der ganzen Welt. Die ersten und besonders mühsamen Jahre als Profiboxer verbrachte der Kasache in einem Land, in dem die Promoter sein Talent nicht förderten, im Glauben daran, dass die alten Helden noch lange siegen werden. Die ersten Jahre seiner Profikarriere verbrachte Golowkin in Deutschland.

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