Felix Magath:Die Freiheit beim Teebeutelbaden

Der Trainer des VfB Stuttgart und sein Anliegen, anderen ein Rätsel zu sein.

Von Josef Kelnberger

Er heiße auch Felix, sagt Felix, zehn Jahre alt. Felix Magath findet das lustig. Schreibt sein Autogramm auf die VfB-Kappe des Jungen, sagt: "Spielst auch Fußball, nicht wahr", ermuntert ihn, fleißig zu üben, blickt ihm dann milde lächelnd hinterher.

Felix Magath

"Ich kann ein Jahr in der Nase popeln, mich aber auch in der Jugendarbeit tummeln": VfB-Trainer Magath.

(Foto: Foto: AP)

Der kleine Autogrammjäger kam im richtigen Moment, denn Trainer Felix Magath ist beim Gespräch im Vereinsrestaurant gerade dabei zu erklären, dass er "sehr viele Möglichkeiten" habe, seine Zukunft betreffend, nicht nur die beiden, die am vernünftigsten erscheinen: entweder sofort zum FC Bayern wechseln oder sofort den Vertrag beim VfB über 2005 hinaus verlängern.

"Ich habe viele Möglichkeiten", sagt er also. "Ich kann hierhin gehen, ich kann dahin gehen. Ich kann ein Jahr lang in der Nase popeln. Ich kann mich aber auch in der Jugendarbeit tummeln." In den letzten Satz legt er besonderen Nachdruck.

Zumindest der Gedanke an Ausstieg, an eine Rückkehr zu den Ursprüngen treibt ihn um. "Anstrengende Zeiten" seien das, sagt er, und meint nicht nur den Endspurt um Platz zwei, nicht nur das Süd-Duell gegen die Bayern, die Spekulationen um seine Zukunft.

Ungefragt kommt er auf das jüngste seiner drei kleinen Kinder zu sprechen, die er mit seiner Frau Nicola großzieht. "Wir haben zu Hause ein kleines Baby, das mich nachts wach hält." Chiara, zwei Monate alt, "die schreit, und immer schreit sie nach mir".

Ob er mit 50 eine Auszeit zum Wohle der Familie ernsthaft erwägt, weil ihn, wie er öffentlich zugab, ein schlechtes Gewissen umtreibt beim Gedanken an die drei inzwischen erwachsenen Kinder aus einer früheren Partnerschaft? Das allerdings weiß Felix Magath ganz allein. Es ist offenbar eines seiner größten Anliegen, anderen ein Rätsel zu sein.

Die Freiheit beim Teebeutelbaden

"Die Situation reizt mich natürlich"

Dass die Münchner Bayern ihn mehrmals ohne Not als ihren Kandidaten auf den Markt brachten, nimmt er ihnen deshalb nicht krumm. "Die Situation reizt natürlich dazu, damit zu kokettieren", sagt er. "Natürlich auch mich." Ihn vor allem, so scheint es.

Die nun seit Wochen andauernden Diskussionen um die Zukunft Magaths empfindet man in Stuttgart als sehr vertraut. Man führte sie vor einem Jahr schon einmal, damals lag ihm ein Angebot von Schalke 04 vor.

Am Donnerstag bei seiner Pressekonferenz zum Duell gegen die Bayern machte er gar nicht erst den Versuch, nur Fragen nach dem Spiel zu beantworten. "Sie glauben doch nicht, dass das hier jemanden interessiert", wandte er sich im Scherz an seinen Pressesprecher.

Dann holte er aus zu einem Monolog, der klang, als würde er Bilanz ziehen über seine Amtszeit im Stuttgart, die am 24.Februar 2001 begann, als würde er sein Vermächtnis formulieren. In Wahrheit war es nur ein Beharren darauf, wie unabhängig und frei er sich in seinen Entscheidungen fühlt.

Magath ließ kaum etwas aus, während er unablässig seinen Teebeutel im heißen Wasser badete. In der ersten Saison den Abstieg "um Schamhaaresbreite" vermieden, in der zweiten Platz acht, 2003 Rang zwei. Diese Saison: Die Sympathiewelle für den VfB in der Champions League.

Kicker-Leser, die Hildebrand besser als Kahn finden. Hildebrand, Hinkel, Lahm, Kuranyi im Nationalteam. Szabics ungarischer Fußballer des Jahres, Hleb weißrussischer Fußballer des Jahres. Uefa-Cup-Platz gesichert, Platz zwei noch möglich, Zuschauerschnitt um 10000 gesteigert. "Diese Mannschaft hat den VfB in einer Weise vertreten, wie es das lange nicht mehr gab. Die Zukunft des Vereins ist rosig."

"Ich erfülle meinen Vertrag"

Also kann er guten Gewissens nach München aufbrechen?, fragte jemand. Entschuldigung, wenn er diesen Eindruck erweckt habe, antwortete Magath. "Ich wollte nur, dass das nicht in Vergessenheit gerät." Weiter ging die Fragestunde in dem ironischen Ton.

Bedächtig Teebeutel badend und Teebeutel über dem Löffel auswringend, zwischendurch am Tee nippend, vermied er wortreich jede Festlegung über seine Zukunft. Sagen Sie doch: Ich erfülle meinen Vertrag bis 2005! Magath: "Ich erfülle meinen Vertrag." Punkt.

Man wird für Pressekonferenzen mit einem Bayern-Trainer Felix Magath sehr viel Wasser und viel Pfefferminztee brauchen, aber auch eine Menge Spaß haben an seiner Ironie, seinem Sarkasmus. Ob das allerdings die richtige Art und Weise war, mit einer Situation wie dieser umzugehen? Ob er sich Fehler vorzuwerfen hat?

"Die Hauptsache", sagt er nach der unterhaltsamen Fragestunde, "ist doch, dass ich mit mir im Reinen bin. Dass ich mich nicht von meiner Linie abbringen lasse." Dafür nimmt er in Kauf, dass die Stimmung in Stuttgart nach dem 1:2 in Hamburg zu seinem Nachteil "gekippt" ist, wie er selbst merkt. "Ich bin bereit, den Unmut der Fans zu ertragen." Allein gegen alle, so sieht er sich gern.

Die Stimmen mehren sich, dieser Magath, der den FC Bayern Traumverein nannte, solle sich vom Acker machen. Er verunsichere die Mannschaft. Der Vorsitzende Staudt erntet Zustimmung für seine öffentliche Suche nach einem Nachfolger. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hundt wird mit dem Satz zitiert: Schon letztes Jahr habe er 36 Stunden lang mit Magath gefeilscht, um ihn von einem Wechsel zu Schalke abzuhalten: "Ich weiß nicht, ob ich mir das wieder antue."

Falls es Magath das angelegt hat, das Verhältnis zu zerrütten, hatte er Erfolg. An dem Punkt legt er allerdings Widerspruch ein. Sein Bruch mit dem VfB datiert vom Mai 2003, als der Verein seinen Vertrag nur um zwei Jahre verlängerte. Magath fühlte sich unzureichend belohnt dafür, dass er nach der Entlassung von Manager Rolf Rüssmann auch diese Funktion übernahm.

Der bedächtige Fluss seiner Rede, der manchmal zu stocken scheint, gewinnt an dem Punkt mächtig an Fahrt: "Ich bin an der jetzigen Situation unschuldig. Ich habe nichts getan, außer Verantwortung zu übernehmen für einen Verein, der fast pleite war. Jetzt, wo alles rosig ist, kommen sie von überall her und wollen mitreden.

"Ich verzeihe sehr gerne."

Jetzt bin aber ich nicht mehr bereit." Auf den Einwand, er sei aber sehr nachtragend, blickt Magath streng über seine Brille hinweg und erwidert: "Ich verzeihe sehr gerne." Aber er tut es nur zu seinen Bedingungen.

Felix Magath auf dem Trainingsplatz, das ist eine imposante Erscheinung. Zwanzig Minuten nach Trainingsbeginn kommt er erst, beobachtet seine Spieler zunächst einmal ungerührt, neben ihm die Cotrainer Balakov und Eichkorn, die scheinbar nur da sind, den Chef zu flankieren. Falls er die Herausforderung in München annimmt, wird man diesen kleinen Feldherrn noch sehr viel genauer unter die Lupe nehmen.

Man wird versuchen, diesen so umgänglichen und doch misstrauischen Menschen zu verstehen. Die Sprache wird auf seine vaterlose Kindheit kommen, auf sein Vorbild Ernst Happel, mit dem zusammen er 1983 beim Hamburger SV den Europacup der Landesmeister gewann.

Die turbulente Abschied auf seinen Trainerstationen in Hamburg, Nürnberg, Bremen und Frankfurt wird noch einmal untersucht werden, und die Attribute die ihm damals seine Spieler anhefteten: Saddam, Quälix, letzter Diktator Europas. Dass er die Fähigkeit besitzt, Ottmar Hitzfeld zu beerben, bezweifelt nach seinen Stuttgarter Jahren kaum jemand.

Er habe kein Problem damit, an diesem Samstag in Stuttgart Ottmar Hitzfeld gegenüber zu treten, sagt Felix Magath. "Ich respektiere ihn und schaue auch auf zu ihm für das, was er geleistet hat. Das möchte ich irgendwann auch einmal leisten."

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