Fed-Cup-Team im Finale:30 Stunden Pyjamaparty

Australia v Germany - Fed Cup Semi Final

Deutsche Freude: Das Fed-Cup-Team steht im Finale.

(Foto: Getty Images)

Nach 22 Jahren steht wieder ein deutsches Tennis-Team im Finale des Fed-Cups: Angelique Kerber besiegt Australiens Nummer eins, Andrea Petkovic liest den Grafen von Monte Christo - die Feier im Flugzeug verspricht einiges.

  • Das deutsche Fed-Cup-Team erreicht zum dritten Mal nach 1987 und 1992 das Finale. In Australien gewinnen die deutschen Tennis-Frauen 3:1.
  • Den entscheidenden Punkt holt Angelique Kerber im dritten Einzel gegen Samantha Stosur mit 4:6, 6:0, 6:4.
  • Das Team von Bundestrainerin Barbara Rittner bejubelt den Sieg euphorisch, den Heimflug nach Frankfurt besteigen die Spielerinnen im Pyjama.
  • Im Finale am 8./9. November wird das Team in Tschechien antreten, das Titelverteidiger Italien mit 3:0 bezwingt.

Ausgangslage: Die deutsche Mannschaft gilt unter Rittner als verschworene Einheit, die Spielerinnen bezeichnen sich gegenseitig als Freundinnen, was in dem Individualsport Tennis selten genug vorkommt (siehe deutsches Davis-Cup-Team der Männer). Die diesmal nominierten Kerber, Andrea Petkovic, Julia Görges und Anna-Lena Grönefeld wollten trotz der 30-stündigen Anreise nach Australien unbedingt als erstes deutsches Team seit 22 Jahren das Finale erreichen.

Am Samstag hatte zunächst Petkovic stark begonnen und Australiens Nummer eins Stosur mit 6:1, 7:6 (9:7) bezwungen. Kerber gewann danach gegen Casey Dellacqua 6:1, 6:0 - es fehlte nur noch ein Punkt.

Der entscheidende Sieg: Kerber zeigt in der Pat-Rafter-Arena vor rund 4500 Zuschauern eine starke kämpferische Leistung und steigert sich nach dem verlorenen ersten Satz enorm. Die 26-Jährige hat vor allem zu Beginn Probleme mit ihrem Aufschlag und kann dem Druck von Stosur (WTA 19.) zunächst wenig entgegensetzen.

In der Folge besinnt sich Kerber auf ihre Stärken, diktiert mit ihrer flachen Vorhand die Ballwechsel und holt sich den zweiten Durchgang nach drei Breaks in Serie in nur 23 Minuten. Im entscheidenden Satz erarbeitet sie sich Kerber einen psychologischen Vorteil, als ihr im knapp 16-minütigen dritten Spiel nach achtmal Einstand das Break zum 2:1 gelingt.

Kerber geht mit 5:2 in Führung, muss Stosur aber auf 5:4 verkürzen lassen. Doch die Deutsche behält die Nerven und sorgt mit ihrem insgesamt vierten Ass für die Entscheidung.

Die abschließende Doppel-Niederlage von Julia Görges/Anna-Lena Grönefeld gegen Casey Dellacqua/Ashleigh Barty (2:6, 7:6, 2:10) zum 3:1-Endstand spielt keine Rolle mehr.

Ablenkung des Tages: Andrea Petkovic hält es während Kerbers Spiel nicht neben dem Platz aus. Sie geht in die Lounge. "Ich war wirklich sehr aufgeregt", sollte die 26-Jährige später sagen, denn bei einer Niederlage Kerbers hätte sie anschließend gegen Dellacqua um den vierten Punkt des Duells spielen müssen. Sie ist hin- und hergerissen. Muss ich noch spielen? Soll ich auf die Bank zum Anfeuern? Und was macht die deutsche Nummer zwei zur Ablenkung? Petkovic entscheidet sich für einen erstaunlichen Zeitvertreib - sie vertieft sich in ein Buch und schmökert im "Graf von Monte Christo".

Spontane Freude: Direkt nach dem verwandelten Matchball von Kerber liegt sich die deutsche Mannschaft in Armen, tanzt Ringelreih auf dem Platz und singt: "Finale, oho! Finale, oho!" In der Kabine gibt es die ersten Flaschen Bier, die Toten-Hosen-Fed-Cup-Klassiker "Altes Fieber" und "Tage wie diese" dröhnen aus den Lautsprechern.

Reaktionen: "Das ist sehr speziell für uns alle und den Tennissport in unserem Land. Wir sind stolz auf dieses Finale und haben hart dafür gearbeitet", sagt Kerber: "Ich war sehr nervös. Aber nach dem zweiten Satz habe ich einfach nur gedacht, dass ich für das Team kämpfen muss. Für jeden Einzelnen."

"Ich bin unglaublich glücklich und unglaublich stolz. Das war eine harte Woche mit dem Jetlag und dem schnellen Court", meint Rittner und sagt in Richtung ihrer Gewinnerinnen: "Das ist ein bisschen Geschichte, die sie schreiben. Ich weiß, dass in den Mädels auch im Finale ein Sieg steckt. Aber jetzt genießen wir erst einmal den Moment."

Ähnlich erfreut zeigt sich der mitgereiste Vizepräsident des Deutschen Tennisbundes, Bernd Greiner: "Das ist ein Riesenerfolg für Barbara Rittner und das Team, den sich alle zusammen über Jahre hinweg verdient und erarbeitet haben. Besonders schön ist die Art und Weise, wie er zustande gekommen ist: zuerst ein schweres Auswärtsspiel in der Slowakei, jetzt die fast schwersten Bedingungen mit dem weiten Flug nach Australien und den Umstellungsschwierigkeiten. Dass trotzdem alle mitgezogen haben, zeigt den guten Teamgeist. Das ist ein Riesenerfolg für die Mannschaft und für das deutsche Tennis, auch weil die Mädchen alle absolute Sympathieträger sind."

Heimflug: Die deutschen Frauen hatten angekündigt, bei einem Erfolg in Down Under im Schlafanzug nach Deutschland zurückfliegen zu wollen. Rittner setzt das Versprechen ihrer Spielerinnen um und fährt bereits im Schlafanzug zum Flughafen. "Ich habe natürlich noch eine Trainingsjacke drüber, aber den Pyjama habe ich drunter. Das Oberteil ist hellblau und die Hose kariert, das geht also", sagt Rittner dem Sport-Informations-Dienst (SID) während des Bus-Transfers und kündigt an: "Die Spielerinnen werden sich dann am Airport umziehen."

Bereits um 13 Uhr MESZ am Sonntagmittag fliegt das Team von Brisbane via Dubai nach Frankfurt zurück. Dort soll die Maschine am Montag um 13.15 Uhr MESZ landen. Von Frankfurt aus geht es direkt nach Stuttgart, wo in den nächsten Tagen das hochkarätig besetzte WTA-Turnier (bis 27. April) stattfindet.

Die Pyjamas hat das Team als Geschenke von den Australierinnen bekommen. Für den vermutlich weitgehend schlaflosen Rückflug kündigt Petkovic Champagner satt an. "Wir werden komplett durchfeiern", sagt Kerber.

Finalgegner: Tschechien. Beim Halbfinale gegen Italien sorgte die ehemalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova in Ostrau für die entscheidende 3:0-Führung gegen den Titelverteidiger. Kvitova gewann 6:3, 7:5 gegen Roberta Vinci, damit sind das letzte Einzel und das abschließende Doppel ohne Bedeutung. Die Tschechinnen holten zuletzt 2011 und 2012 den Fed Cup und haben im Finale gegen die DTB-Auswahl am 8. und 9. November Heimrecht. Deutsche Mannschaften konnten bislang nur einen von sieben Vergleichen gegen Teams aus Tschechien oder der einstigen Tschechoslowakei für sich entscheiden.

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