Fechten:Britta Heidemann verpasst Olympia

Fencing Olympic qualification tournament

Britta Heidemann verpasst die Olympia-Teilnahme.

(Foto: Filip Singer/dpa)

Zum ersten Mal seit 2000 finden die Spiele ohne die beste deutsche Fechterin statt. Ob der Rückschlag ihr Karriere-Ende bedeutet, lässt sie noch offen.

Von Volker Kreisl, Prag

Die Szenerie war sehr gewöhnlich. Eine kleine Halle, vier Bahnen, auf einer Britta Heidemann gegen Catharina Kock. Die Olympiasiegerin aus Deutschland gegen die Weltranglisten-99. aus Finnland. Eine Metallplanche, eine Trefferanzeige, ein paar Betreuer, kaum Zuschauer: Es hätte auch ein Trainings-Duell sein können. Dass es, im Gegenteil, um alles ging, nämlich um Olympia, wurde erst mit dem letzten Treffer deutlich, als Grün leuchtete, Kock gewann - und einen jaulend-leidenschaftlichen Schrei ausstieß, wie er in der Sparta-Arena von Prag sonst nicht zu hören ist.

Kock hatte im Viertelfinale des Kontinental-Entscheids die bestimmende Degenfechterin der vergangenen zehn Jahre besiegt und aus dem Rennen um den letzten Startplatz für Olympia in Rio geworfen. Britta Heidemann, 33, Goldgewinnerin bei den Spielen 2008 in Peking, 2012 Silbergewinnerin in London, Alles-Gewinnerin bei den Weltmeisterschaften seit 2002, hatte nach routinierter Führung den Faden verloren. Sie geriet in Rückstand und stand plötzlich unter Zeitdruck.

Dann verpufften ihre Angriffe, Kock brüllte schließlich, und nun steht Heidemanns große Laufbahn vor einer Zäsur. Die Spiele finden erstmals seit 2000 ohne sie statt, was für den Deutschen Fechterbund (DFB) ein schwerer Schlag ist. Auch Jörg Fiedler (Degen) und Anna Limbach (Säbel) scheiterten in Prag, aber Heidemann mit ihrer Strahlkraft wäre als weitere Olympiastarterin besonders wichtig gewesen. Nach einer misslungenen Rio-Qualifikation fahren endgültig nur vier deutsche Einzelfechter zu den Spielen: Peter Joppich (Florett), Carolin Golubitzkyi (Florett), Max Hartung und Matyas Szabo (beide Säbel) - das kleinste Olympia-Team seit 60 Jahren.

"Ich hatte meine Chance und habe sie nicht genutzt"

"Es ist natürlich enttäuschend, dass sie an der ersten stärkeren Gegnerin hängen bleibt", sagte Bundestrainer Manfred Kaspar. Heidemann selber war bedient, sie erklärte: "Ich hatte meine Chance und habe sie nicht genutzt." Sie galt als die Favoritin in diesem letzten vorolympischen Turnier, aber nur wegen der Medaillenauflistung hinter ihrem Namen. Aktuell ist sie wegen einer rätselhaften Achillessehnen-Reizung gehandicapt, hat weniger Wettkampfpraxis. Ein Einbruch wie gegen Kock war nicht unrealistisch.

Mit Fechten ist für Heidemann erstmal Schluss

Nun also die Zäsur, die Frage ist nur, wie einschneidend sie sein wird. Mit Fechten ist erst einmal Schluss, ob endgültig, will Heidemann noch nicht sagen. In Prag verwies sie darauf, dass sie alles gewonnen hat, und sich im Grunde auch vom Sport verabschieden könne. Andererseits hatte Heidemann das Fechten schon immer mit dem Studium, dem Schreiben eines Buchs über Erfolg, dem Lernen von Chinesisch und diversen Projekten im Sport und in der Wirtschaft vereinbaren können. Das Fechten erschien da nie hinderlich.

Die WM in Leipzig im nächsten Jahr könnte ein Anreiz fürs Weitermachen sein. Auch ist Fechten grundsätzlich nicht so aufreibend wie andere Sportarten, zahlreiche Top-Leute fechten bis Mitte 30 und holen noch Medaillen. Womöglich hängt nun alles davon ab, wie schnell sich Heidemann von ihrer Malaise erholt. Eine Operation ist geplant und eine lange Erholungsphase.

Der DFB kann jemand wie Heidemann gut gebrauchen

Auch der Verband steht vor einem Umbruch. Er hat ein Olympia-Team, das in einen Pkw passt, und in der Mini-Reisegruppe ist nur noch einer aus der Erfolgszeit der vergangenen Dekade: Der viermalige Florett-Weltmeister Peter Joppich. Die Säbler Szabo, 24, und Hartung, 26, dagegen werden in Rio die neue Generation im deutschen Fechten darstellen, und der große Umbruch, den der Verband zur nächsten Saison plant, wird vorweggenommen. Sportdirektor Sven Ressel und Präsident Dieter Lammer haben erste Vorschläge ausgearbeitet, die sie dem Dachverband DOSB am Montag vorlegen. Natürlich geht es darin um die Verstärkung der Nachwuchsarbeit, und damit diese nicht wieder am Streit mit den Landesverbänden scheitert, so Ressel, habe man sich vorsorglich geeinigt: "Es gibt einen Schulterschluss."

Bis solche neuen Konzepte greifen, dauert es aber viele Jahre. In der Zwischenzeit kann der Fechterbund ein erfolgreiches Team-Mitglied wie Heidemann noch gut gebrauchen. Und vermutlich kann es sich beim DFB auch niemand vorstellen, dass der Auftritt gegen die Nummer 99 in der kleinen Prager Halle Heidemanns letzter gewesen sein soll.

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