Fechten:Abwarten, was der Oligarch so denkt

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Der Fecht-Weltverband kommt mit der zwingenden Modernisierung seiner Wettkampfformen nicht voran.

Volker Kreisl, Antalya

Vielleicht ist Antalya der richtige Ort, um über die Zukunft zu diskutieren. In Antalya kann man gut beobachten, wie es ist, wenn ein Sport, ein sehr traditioneller noch dazu, eine Weltmeisterschaft ausrichtet und niemand zuschaut außer den eigenen Athleten, die gerade Wettkampfpause haben. Die Menschen aus der Ausrichterstadt und der Umgebung haben in ihrer Freizeit anderes zu tun.

Alisher Usmanow bei einer Pressekonferenz im Jahr 2008. (Foto: Foto: Reuters)

Sie treffen sich auf einen Cay-Tee, manche liegen am Konyaalti-Strand, dort, wo sich abends Grüppchen vor riesigen Fernsehern versammeln und Süper Lig schauen, Fußball. Tagsüber scheint immer die Sonne, am Meer gibt es Beachvolleyball- und Fußballfelder und fast das ganze Jahr über Party. Die Türkei kennt Sportfechten nicht, und die Urlaubsstadt Antalya symbolisiert auch noch den Gegensatz zu diesem strengen Konzentrationssport. Seit einiger Zeit bringt die Welt, für die Antalya steht, die Welt des Fechtens in Bedrängnis.

Der schwer durchschaubare Zweikampf musste vor fünf Jahren Platz machen im olympischen Programm für beliebte neue Produkte. Er ist wenig tauglich fürs Fernsehen, und er ist fast nur in Stammländern verbreitet. Zehn statt zwölf Goldmedaillen heißt seitdem die Formel, und nichts konnte dies ändern. Keine Argumentation, kein Aussitzen und auch nicht die Wahl eines neuen, politisch umstrittenen, dafür aber schwerreichen Weltverbandspräsidenten, des ersten Oligarchen auf so einer Position. Von dem Russen Alisher Usmanow hat man sich mehr Einfluss im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) erhofft, aber das IOC winkte vor zwei Monaten ab: Es bleibt bei zehn statt zwölf.

Die Fechter müssen das Problem also intern lösen, und alles, was diskutiert wird, wirkt bizarr. Letztlich geht es darum, die sechs Team-Entscheidungen - Männer und Frauen an je drei Waffen - auf vier zu reduzieren. Man könnte, was in den Gremien getuschelt wird, die weniger beliebten Gattungen für immer verbannen, das wäre aber eher unsportlich. Man könnte neue Wettkampfformen einführen, zum Beispiel Mixed-Stafetten, um alle unter einen Hut zu bringen.

Oder man könnte so weitermachen wie bisher, was olympische Rotation heißt, tatsächlich aber ein unwürdiges Abwechseln ist: zwei von sechs Disziplinen müssen an den Katzentisch - statt zu Olympia zu einer Extra-WM, für die die Gastgeber so wenig Interesse aufbringen wie die Spaziergänger von Konyaalti.

Bis zum nächsten Kongress des Weltverbandes FIE Ende November sollte eine Entscheidung fallen, aber in Antalya geht nichts vorwärts. "Jeder hält sich zurück", sagt Claus Janka, Mitglied in der Kampfrichterkommission. Argumentationslinien und Mehrheitsverhältnisse sind nicht erkennbar, was auch damit zusammenhängt, dass die Delegierten erst mal abwarten, was der Oligarch denkt.

Auf der nächsten Seite: Welche Vorwürfe es gegen Usmanow gibt und welche Optionen die Fechter haben.

Alisher Usmanow hat angeblich viel Geld verloren, das Wirtschaftsmagazin Forbes bezifferte sein Vermögen 2009 aber noch auf 1,6 Milliarden Dollar. Es gründet auf Bergbaulizenzen, die Gewinne legte Usmanow sukzessive in weiteren Branchen an. Er hat die russische Zeitung Kommersant gekauft, besitzt maßgebliche Anteile am Mobilfunkbetreiber Megafon, als Vorsitzender der Gazprom Investholding entscheidet er über die Geldanlagen des staatlichen Energiekonzerns.

Alles in allem wirkt dieser Mann viel zu groß für den kleinen Fecht-Weltverband. Usmanow war früher ein passabler Säbelfechter, er ließ sich erst für den russischen Verbandsposten überzeugen, dann warb der Weltverband um ihn. Wie jede Sportföderation hat auch die FIE viele arme Mitglieder, die Zuschüssen nicht widerstehen können.

Usmanow selbst bringt der Posten Renommee. Sein Image vor allem in der westlichen Welt ist nicht das beste. Er bezeichnet sich als aufrechten Demokraten, doch englische Menschenrechtsaktivisten bestreiten das. In London wurde intensiv über Usmanow diskutiert, als dieser kurz davor war, eine Aktienmehrheit beim Fußball-Klub Arsenal zu erwerben. Zwischendurch ließen Usmanows Anwälte Teile der Website des Menschenrechtsaktivisten Craig Murray sperren.

Der war früher britischer Botschafter von Usbekistan und hält bis heute heftige Vorwürfe gegen Usmanow aufrecht. Nach seiner Verurteilung wegen Erpressung zu Sowjetzeiten verdanke Usmanow seinen Aufstieg der Begnadigung durch das usbekische Folterregime, nicht wie behauptet durch Michail Gorbatschow. Niemals, sagt Murray, sei Usmanow ein politischer Häftling gewesen. Er unterhalte Beziehungen zum usbekischen Diktator Karimow. Usmanow bestreitet alles, Murrays Internetseite ist aber wieder frei, und der Vorstand des FC Arsenal hat beschlossen, seine Aktien nur noch an eigene Leute zu verkaufen.

In Antalya hat sich Usmanow kurz gezeigt, die Titelkämpfe mit warmen Worten eröffnet und nicht den Eindruck aufkommen lassen, der Klub der Fechter sei nur ein Spielzeug für ihn. In den kommenden Wochen gibt es ja auch viel Arbeit für die Bedrängten. Der Auftritt der Mannschaften bei Olympia ist wichtig für den Nachwuchs, für die Zukunft: Es ist eine Medaillenchance für die Athleten unterhalb der Spitze.

Die Mixed-Stafette könnte deshalb eine Option werden. Für Traditionalisten klingt das albern, aber um gegen das leichte Flair der Freiluftsparten zu bestehen, müssen sich die Fechter umstellen. Ihre Wettbewerbe werden immer ernste, von großer Anspannung geprägte Auftritte sein, der Kampf hinter der Maske ist das direkte Gegenteil zum Spaßsport. Auf den Zulauf eines fremden Publikums, das zeigt Antalya, können die Fechter jedenfalls nicht setzen.

© SZ vom 06.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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