FC Schalke 04:Wie ein fanatischer Künstler

Zwei Stammspieler gehen, der Neffe von Kofi Annan kommt: Felix Magath modelliert schon wieder an einem neuen Kader, transferiert sich in eine Art Rausch - und ignoriert den Misserfolg der aktuellen Elf.

Ulrich Hartmann

Während der offiziellen Spielanalyse arbeitete Felix Magath im Energiesparmodus. Er wärmte sich die Hände an einer heißen Tasse Tee und beantwortete kritische Fragen nach der schwachen Vorstellung seiner Elf mit einer demonstrativen Unlust und derart leise, dass man den Eindruck bekam: Ihm ist längst wurscht, was die Leute über den FC Schalke 04 reden und schreiben.

FC Schalke 04 v 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Schalke-Trainer Felix Magath transferiert sich in eine Art Rausch.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Erst als das Wenige gesagt war über eine vom Publikum ausgepfiffene 0:1-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim und über die neuerliche Demonstration Schalker Gleichgültigkeit, kam Leben in den Trainer. Magath sauste die Treppe hinunter, warf sich den Mantel im Gehen über und hatte die Arena keine Stunde nach dem Schlusspfiff verlassen. Der Mann hatte Wichtigeres vor. Es geht um Millionen, um Spielertransfers. An so etwas hat Magath zurzeit vermutlich mehr Spaß als an der kreativen Ausgestaltung der Auftritte seiner oft so tranigen Mannschaft.

Schalke 04 wird in dieser Bundesligasaison wohl kaum mehr etwas Herausragendes zustande bringen. Zwar haben die launischen Fußballer aus Gelsenkirchen-Buer auch nach einem Sieg und zwei Niederlagen in der Rückrunde aufholbare neun Punkte Rückstand auf den fünften und zum Europapokal berechtigenden Tabellenplatz, doch die Spieler sparen sich Kraft und Konzentration offensichtlich für zwei andere wichtige Ereignisse: für das DFB-Pokal-Halbfinale und für das Achtelfinale in der Champions League gegen den FC Valencia.

In der Champions League können sie sich um ihre internationale Reputation kümmern, im DFB-Pokal um die Qualifikation für die Europa League. Bundesliga? Nicht einmal der ehrgeizige Magath mag sich über Niederlagen wie gegen Hoffenheim noch so recht echauffieren.

Er modelliert wie ein fanatischer Künstler längst an einem neuen Werk und ignoriert dabei, dass niemand sich für seine fertigen Arbeiten erwärmt. Magath bastelt schon wieder intensiv an jenem Kader, den er erst im vergangenen Sommer teuer und aufwändig umgestaltet hatte, der aber bis jetzt selten die von ihm versprochene Qualität erreicht hat. Magath transferiert sich in eine Art Rausch.

Nach Jermaine Jones (Blackburn Rovers), Ivan Rakitic (FC Sevilla) und Erik Jendrisek (SC Freiburg, erst im vergangenen Sommer verpflichtet) wird wohl auch der flotte Rechtsaußen Jefferson Farfan sofort verkauft, womöglich an den VfL Wolfsburg. Dafür holt Magath den brasilianischen Linksfuß Danilo Avelar (Karpaty Lwiw) und wohl auch den Ghanaer Anthony Annan (Rosenborg Trondheim), und er hat auch Interesse an Frankfurts Patrick Ochs. Eintracht-Boss Heribert Bruchhagen bestätigte am Sonntag eine Anfrage aus Schalke.

Babels Eigensinn

Als Schalkes Trainer schon einmal wie im Rausch Spieler abgegeben und gekauft hatte, war es Ende August 2010, die sommerliche Transferperiode endete, und Magath kaufte binnen 24 Stunden für 13 Millionen Euro den Spanier José Jurado und für 14 Millionen den Niederländer Klaas-Jan Huntelaar.

Jurado saß am Samstag gegen Hoffenheim durchgängig untätig auf der Ersatzbank, und Huntelaar demonstrierte eine vergleichbar intensive Beteiligung an der Partie, obwohl er die erste Hälfte auf dem Rasen stand. Danach wechselte Magath den teuren Stürmer aus, er hat seit dem 13. November kein Liga-Tor mehr erzielt. Die engagierteren Alternativen heißen bei Schalke derzeit Julian Draxler, 17, und Mario Gavranovic, 21, sie sind jung und haben praktisch kein Geld gekostet.

33 Spieler hat Magath in eineinhalb Jahren nach Schalke geholt und 25 abgegeben. Am Montag könnten beide Zahlen noch wachsen, denn es endet die winterliche Transferperiode und Magath hat am Wochenende nicht bestritten, dass er noch Transfers zu tätigen beabsichtigt. Auch Farfan mochte nicht ausschließen, dass er den Verein trotz eines bis 2012 gültigen Vertrags sofort verlässt. 15 Millionen Euro, heißt es, könnten für den 26-jährigen Peruaner von Wolfsburg nach Gelsenkirchen überwiesen werden.

Wie man wichtige Männer transferiert und dennoch ansprechenden Fußball spielt, demonstrierten die frohen Hoffenheimer. Ohne ihre namhaften Verluste Luiz Gustavo und Demba Ba sowie mit den Zugängen David Alaba und Ryan Babel zeigten sie ein flottes Spiel, kamen durch Isaac Vorsah zum frühen Siegtor (4.) und bloß deshalb nicht zu einem Kantersieg, weil Babel mehrere Chancen durch mustergültigen Egoismus vergab.

Trainer Marco Pezzaiuoli zeigte sich dennoch in zweierlei Hinsicht zuversichtlich: erstens, was das "Ziel Klassenerhalt" angehe; zweitens, dass sein alter Assistenten-Vertrag bald seinem Status als Chefcoach angepasst werde.

Pezzaiuoli wird aber auch danach nur einen Bruchteil jener sechs Millionen Euro pro Saison erhalten, die der entfesselte Personaldienstleister Magath beim FCSchalke bekommt. Mit der Qualifikation für die Champions League hatte er in seiner ersten Spielzeit auf Schalke einen adäquaten Gegenwert erzielt, doch in dieser Saison könnte es sein, dass er sich im Transferwahn um die eigenen Erfolge bringt.

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