Schalke und Hannover in der Europa League:Chancenlos gegen den Bergdoktor

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Die Europa League beschert dem TV-Sender Kabel 1 Traumquoten, dennoch ist noch kein Fernsehvertrag für die kommende Saison beschlossen. Ein Scheitern der Verhandlungen würde die Zweiklassengesellschaft im europäischen Fußball weiter stützen. Die großen Vereine, Stammgäste in der Champions League, sind an einer nötigen Reform nicht interessiert.

Philipp Selldorf

Große Freude brach neulich beim Münchner Sender Kabel 1 aus, als die Zuschauerzahlen für die Übertragung des Europa-League-Spiels zwischen Schalke 04 und Viktoria Pilsen übermittelt wurden. 4,24 Millionen sahen zu später Stunde die zweite Halbzeit der Partie, nie zuvor in 20 Jahren Sendebetrieb hatte der Sender so viele Zuschauer. Selbst die ehrenwerte Tagesschau und Heidi Klums Topmodels konnten bei diesem Wert nicht mithalten, mehr Resonanz erzielte an diesem Abend nur das ZDF mit seinem "Bergdoktor".

Viele Zuschauer, wenig Geld: Schalke-Stürmer Raùl in der Europa League (Foto: AFP)

Die Manager der Bundesligaklubs, die in der laufenden Saison darum kämpfen, die Europa League zu erreichen, dürften diese Mitteilung als Beruhigungsmittel betrachten. Selbstverständlich gönnen sie dem Bergdoktor auch an diesem Donnerstagabend seine Fans, aber noch mehr gönnen sie es Kabel 1, dass der Sender nach den parallel stattfindenden Achtelfinal-Spielen der Europa League zwischen Twente Enschede und Schalke 04 (19 Uhr) bzw. Standard Lüttich und Hannover 96 den nächsten Rekord melden kann.

Gute Zahlen sind wichtige Argumente, denn die Europa League ist drauf und dran, aus dem frei empfangbaren deutschen Fernsehen zu verschwinden. Der Vertrag zwischen der Uefa und der ProSiebenSat1-Gruppe läuft im Sommer aus, und bisher zeigt der Münchner Fernsehkonzern keine Bereitschaft, ein Angebot für die nächste Saison einzureichen. Dann wäre der kleinere der beiden Europapokale nur noch bei Sky zu sehen.

"Es kann tatsächlich passieren, dass es keinen deutschen Free-TV-Sender gibt, wenn niemand Rechte akquiriert", erklärte ein Uefa-Sprecher und versicherte, man werde sich weiter um einen Abschluss bemühen. "Wir hoffen, dass es eine Lösung gibt", schloss sich Werder Bremens Manager Klaus Allofs den guten Wünschen an. Sein Klub ist ein mutmaßlicher Anwärter auf die Teilnahme an der nächsten Europa-League-Saison.

Reform gescheitert

Ohne unverschlüsselten TV-Empfang gäbe es für die deutschen Vereine deutlich weniger Geld zu verdienen als Schalke und Hannover in der laufenden Saison kassieren. Das liegt daran, dass die Uefa große Teile der Saison-Einnahmen des Wettbewerbes in einem Marktpool einlagert. Zwei Drittel der 7,42 Millionen Euro, die Bayer Leverkusen vorige Saison im ehemaligen Uefa-Cup einstrich, stammen aus dem Fonds. Die Zuweisungen sind variabel, sie richten sich nach dem sportlichen Erfolg der Klubs, aber sie sind auf jeden Fall elementar.

Schalkes Finanzvorstand Peter Peters ist einstweilen zuversichtlich, dass es noch zu einem guten Ende kommt. "Ich glaube, dass sich der Wettbewerb verkaufen lässt. Da mache ich mir wenig Sorgen, der Wettbewerb ist äußerst attraktiv", sagt er. Mehr Sorgen macht er sich darüber, dass sein Klub - nach zwei Niederlagen in der Tabelle auf Platz vier abgerutscht - in der nächsten Saison abermals in dem äußerst attraktiven Wettbewerb antreten könnte anstatt in der noch viel attraktiveren Champions League.

Die hatte Schalke im Jahr zuvor bis ins Halbfinale erleben dürfen, was allein durch Prämien und Pool-Beteiligung fast 40 Millionen Euro einbrachte. Dieser Vorstoß in die europäische Elite beförderte Schalke 04 - auch dank der hohen Einnahmen als DFB-Pokalsieger und der Millionen für den Verkauf von Torwart Manuel Neuer - auf Platz zehn der umsatzstärksten Klubs weltweit.

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Solche Sondereffekte, wie Peters diese Faktoren nennt, wird es 2012 nicht mehr geben. Die Europa League wirft nur einen Bruchteil des Geldes ab, das die Champions League garantiert. Das sind die Phänomene einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Allein die Startprämie für die Gruppenphase der Champions League (7,2 Millionen Euro pro Klub) ist siebenmal so hoch wie die Startprämie, die beim kleinen Bruder fällig wird.

Für ein gewonnenes Spiel erhält jeder Verein in der Champions League 600 000 Euro, in der Europa League sind es 140 000 Euro; der eine Pokalsieger erhält neun Millionen Belohnung, der andere bloß drei. Wahr ist aber auch, dass die Champions League pro Saison rund 750 Millionen Euro erwirtschaftet, die Europa League lediglich 200 Millionen Euro.

Peter Peters hatte vor ein paar Jahren mal einer Initiative gestartet, die gewaltige finanzielle Diskrepanz zwischen dem großen und dem kleinen Europacup zu verringern. Vor allem Klubs, die zwischen den Wettbewerben pendeln, haben große Probleme bei der Planung ihrer Budgets. Eine "moderate Anpassung" hält er nach wie vor für wünschenswert, aber der Glaube an eine solche Reform ist nicht hoch. "Das ist eine Entscheidung der Uefa, die wiederum von den Klubs beeinflusst wird, die am Erhalt des Status Quo interessiert sind", sagt Peters.

Die Rechnung dieses geschlossenen Kreislaufs ist ja einfach: Jahr für Jahr erhalten die immer gleichen Vereine aus Madrid, Mailand, Manchester, München etc. die großen Millionen aus der Champions League und festigen damit ihre Machtstellung. Eine Umverteilung von Geldern aus dem großen in den kleinen Europacup werde es deswegen nicht geben, glaubt Peters, "Barcelona, Bayern oder Manchester United werden dem nicht zustimmen".

Sie müssen sich ja auch nicht mit dem Bergdoktor messen.

© SZ vom 08.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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