FC Schalke empfängt Olympiakos:Geduldsspiel mit zwei Grüblern

Ein Länderspiel mit Folgen: Auf Schalke sind sie über den Einsatz von Lewis Holtby gegen die Niederlande nicht begeistert. Was den Spieler selbstbewusster machte, beunruhigt den Klub. Denn Holtby denkt wie Stürmer Klaas-Jan Huntelaar über seine Vertragsverlängerung nach - in der Partie gegen Piräus braucht Trainer Stevens beide.

Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

FC Schalke 04 v Arsenal FC - UEFA Champions League

Bleiben sie beim FC Schalke 04 oder zieht es Lewis Holtby (li.) und Klaas-Jan Huntelaar ins Ausland?

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Neulich haben Clemens Tönnies und Horst Heldt verlangt, der Bundestrainer solle mehr Spieler aus Schalke in die Nationalmannschaft berufen. Zwar stellte Tönnies, der mächtige Chef des Aufsichtsrates, großmütig fest, Joachim Löw könne "natürlich nicht nur Schalker aufstellen". Er plädierte aber dafür, Benedikt Höwedes in die erste Elf zu nehmen ("der beste deutsche Innenverteidiger"), und meinte, auch Julian Draxler und Lewis Holtby hätten eine Berufung verdient.

Das Problem: Prompt bestellte Löw außer den Dreien auch Roman Neustädter für den Test in den Niederlanden. So viele Schalker hatte es seit den Zeiten mit Fischer, Abramczik, Rüssmann und Bongartz nicht mehr im DFB-Team gegeben - aber in Gelsenkirchen war man darüber auf einmal gar nicht mehr richtig froh.

Vor allem Holtbys urplötzliche Beförderung aus der U21-Auswahl in die Startelf der ersten DFB-Mannschaft sieht man spätestens seit dem vergangenen Wochenende nicht als hilfreich an. In Amsterdam spielte der 23-Jährige, als Ersatz für den Spätabsager Mesut Özil nachnominiert, 87 Minuten im Mittelfeldzentrum, in der Offensive teilte er sich die Arbeit mit den Dortmunder Wunderkindern Marco Reus und Mario Götze - ein großer Karrierefortschritt.

Seinem Selbstwertgefühl als Fußballer hat das gut getan, aber die Schalker befürchten, dass es seiner gesunden Selbsteinschätzung weniger gut getan hat. Beim folgenden 0:2 in Leverkusen bestätigten Holtbys übereifriger, unergiebiger Auftritt und seine zornige Reaktion auf die Auswechslung diese Sorge. Kommentarlos verließ er das Stadion, der übliche Frohsinn war ihm abhandengekommen.

Über Holtbys vermehrt schwankende Leistungen haben sich die Schalker jedoch schon lange vor dem zwiespältigen Länderspiel ihre Gedanken gemacht. Es ist schwer zu übersehen, dass die Diskussionen um seine offene Vertragslage Einfluss auf die Leistung haben. Seit der vorigen Saison steht der Klub mit Holtbys Berater in Verbindung, um den im kommenden Jahr auslaufenden Vertrag zu verlängern, im Sommer bekam die Sache Dringlichkeitsstatus, doch die Gespräche kamen nur zäh voran. Holtby ließ sich nichts anmerken, er spielte hervorragend. Inzwischen sind die Verhandlungen weit gediehen, Heldt verkündete vor drei Wochen, die "finale Phase" sei erreicht. Doch das Ziel der Einigung liegt trotzdem in ungewisser Ferne.

Stevens hat keine Alternativen zu Holtby und Huntelaar

Mittlerweile spielt Holtby zwar nur noch sporadisch hervorragend, aber er hat offenbar Gefallen daran gefunden, dass ihn auch andere Vereine zu schätzen wissen, weshalb er die Entscheidung vor sich herschiebt. Sein Traum ist ein Engagement in England, dem Land, aus dem sein Vater stammt. Berater Marcus Noack verbreitet indes, auf der Insel werde das Interesse lebhaft erwidert, es gebe "immer mehr Angebote". Aus dieser Gemengelage entstehen Falschmeldungen wie die, dass Holtby von Schalke ein Jahresgehalt über sechs Millionen Euro gefordert habe. Alle Beteiligten dementierten das, die Unruhe im Publikum nimmt dennoch zu.

Es ist natürlich nicht gut für Schalke, wenn ein Spieler von zentraler Bedeutung mitten in der hektischsten Phase der Hinrunde im Kopf nicht frei ist. Noch schlechter ist es, wenn es einem anderen wichtigen Spieler ebenso ergeht. Während Holtby über den nächsten Karriereschritt brütet, grübelt Klaas-Jan Huntelaar über den letzten Karriereschritt. Auch sein Vertrag läuft 2013 aus, auch er schiebt seine Antwort auf die angebotene Vertragsverlängerung vor sich her, auch ihn lockt die Premier League (namentlich der FC Liverpool), und auch bei ihm macht sich die Situation allmählich bemerkbar.

Zumal auch Huntelaars Länderspieltrip nach Amsterdam bei seinem Verein Bedenken hinterließ. Während es die Schalker nicht gut fanden, dass Holtby so lange spielte, so ärgerten sie sich bei Huntelaar darüber, dass er gar nicht spielte. Beim Punktspiel in Leverkusen bekam der frustrierte Mittelstürmer kaum einen Ball, was einerseits am indisponierten Spiel der Kollegen, andererseits an seinen aktionistischen Laufwegen lag.

So steckt Schalkes Trainer Huub Stevens bei der Planung der Champions-League-Begegnung mit Olympiakos Piräus im Dilemma. Er würde Holtby vermutlich gern eine schöpferische Pause geben, aber er braucht ihn, weil es um den Einzug ins Achtelfinale geht - und weil er mit Afellay, Höger, Uchida und Metzelder schon genug Ausfälle hat. Den Torjäger Huntelaar braucht er sowieso, eine Alternative gibt der Kader nicht her, und Stevens weiß, dass es für grübelnde Torjäger keine bessere Medizin gibt als Torjägertreffer.

In Schalke ist man vorsichtig optimistisch, dass sich beide Spieler noch in diesem Jahr zur Unterschrift entschließen, bei Huntelaar ist die Zuversicht etwas größer als bei Holtby, aber man ist auch auf ein Geduldsspiel eingerichtet. Wie weit die Geduld des Klubs reicht, hängt von den Umständen ab. Bei Huntelaar währt sie sicherlich etwas länger als bei Holtby. Aber als im vorigen Jahr Jefferson Farfán (bzw. sein Berater) das gleiche zähe Stück aufführte, hat Schalke gezeigt, dass es auch anders geht: Der Klub zog sein Angebot zurück, Farfán bekam, wie er später bekannte, "Angst, dass ich Schalke verlassen muss". Im Mai unterschrieb er einen neuen Vierjahresvertrag.

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