FC Liverpool:Magier Klopp fehlt das Kaninchen

Liverpool v Man City

Jürgen Klopp: Große Pläne für Liverpool, doch ihm fehlt das Material

(Foto: dpa)

Trotzig erträgt Jürgen Klopp die Finalniederlage im Ligapokal. Und wirkt dabei wie ein Zauberer, der beim FC Liverpool nicht das richtige Material im Hut hat.

Von Sven Haist, London

Auf dem Weg in den Kabinentrakt des Wembley-Stadions drehte sich Jürgen Klopp noch einmal um. Jubelschreie hatten ihn aufgeschreckt. Sein Blick wanderte auf die überdimensionale Videowand, um nachzusehen, was ihm in seiner Enttäuschung entgangen war. Klopp bekam eine Bildsequenz zu sehen, auf der Willy Caballero, der eigentliche Ersatztorhüter von Manchester City, seinen Fans den kleinen Ligapokal präsentierte, der für den unterlegenen Klopp und seinen FC Liverpool im Erfolgsfall ein großer gewesen wäre.

Mit drei gehaltenen Strafstößen im League-Cup-Finale rechtfertigte Caballero beim 4:2 n.E. (1:1) die Maßnahme seines Trainers Manuel Pellegrini, ihm in den englischen Pokalwettbewerben den Vorzug zu gewähren. "Lieber verliere ich ein Finale als mein Wort", sagte Pellegrini.

Die Boulevardzeitung Sun fand anderntags, dass "3 Willy" reichen, um aus Caballero einen "Caballhero" zu machen. Den neuen Helden bei den Neureichen aus Manchester trug dann Mitspieler Wilfried Bony auf den Schultern durchs Stadion. Nur den Pokal durfte dann doch der Kapitän Vincent Kompany als Erster auf der Ehrentribüne in Empfang nehmen.

Den Moment der Pokalübergabe ertrug Jürgen Klopp, 48, auf dem Platz im Beisein seiner Mannschaft. Das Elfmeterschießen zuvor hatte er aber aus Gründen des Aberglaubens lieber einsam verbringen wollen. Erst als Yaya Touré für ManCity zum entscheidenden Strafstoß antrat, suchte Klopp die Nähe seines Assistenten Zeljko Buvac am Spielfeldrand. Im Halbfinale gegen Stoke City hatte dieser Einfall ja noch geholfen, weil Emre Can zwar seinen Elfmeter verschoss, aber die Mitspieler alle trafen. Nun war es genau umgekehrt, Can traf, alle anderen scheiterten - was dazu führte, dass Liverpool erstmals in seiner Vereinsgeschichte ein Elfmeterschießen in einem Finale verlor.

Die einst stolze Serie der Liverpudlians begann 1984 im Europapokal im Duell mit der Roma und fand ihren Höhepunkt 2005, als sich der Klub zum Sieger in der Champions League krönte. Zu Ende ging diese Serie nun ausgerechnet mit einem Trainer, der aus einem Land kommt, dessen fußballerischer Mythos darauf basiert, Elfmeterschießen in Endlosschleife zu gewinnen. Mit gesenktem Kopf saß Klopp auf dem Podium und sagte schuldig: "Es tut mir leid. Man muss Niederlagen fühlen - und es fühlt sich scheiße an."

Klopp hatte extra das Quartier umgebucht

Vor genau 1009 Tagen war Jürgen Klopp schon einmal in Wembley gewesen, damals mit Borussia Dortmund. Die schlechten Erinnerungen an das 1:2 im Champions-League-Endspiel gegen den FC Bayern kamen offenbar wieder hoch, als Liverpools Vereinsverantwortliche das Hotel Grove in Hertfordshire als Unterkunft reservierten. Weil Klopp in dem Fünf-Sterne-Haus bereits mit dem BVB nächtigte, ließ er das Quartier kurzerhand umbuchen; aber auch das konnte seine vierte Finalniederlage hintereinander nicht verhindern.

"Nur Dummköpfe bleiben auf dem Boden liegen", poltert Jürgen Klopp

Erkennbar schlecht gelaunt war Klopp nach dem Spiel, allein seine Wortwahl verriet seinen Gemütszustand. Nacheinander hallten die englischen Kraftausdrücke "shit", "rubbish" und "silly idiots" durch den kinoartigen Pressesaal. Es war Klopps Versuch, in der Niederlage die Fassade des launigen Unterhalters zu wahren. Einen Glückwunsch an den Sieger gab es hingegen nicht. Stattdessen formte Klopp in den letzten Zügen seiner Ausführungen seine rechte Hand zu einer Faust. "Nur Dummköpfe bleiben auf dem Boden liegen und warten auf die nächste Niederlage. Wir werden weitermachen", polterte er - als müsste er den FC Liverpool aufwecken.

Der Triumph im Ligapokal sollte für den Rekordgewinner des Wettbewerbs der Aufbruch in eine Ära unter Jürgen Klopp sein, eine Ära, die im besten Fall die Sehnsucht nach der seit 26 Jahren erwarteten Meisterschaft stillen könnte. Um sich dem Anlass in Englands Fußballkathedrale anzupassen, hatte Klopp seinen Trainingsanzug gegen eine edle Abendgarderobe ausgetauscht, aber im pechschwarzen Mantel erinnerte der Coach aus Deutschland weniger an einen Fußballtrainer als vielmehr an einen Magier, der mit seinen geheimnisvollen Handbewegungen gerne zaubern möchte, aber gar nicht die Spieler hat, die sich verzaubern lassen. Klopps Skript sei "selbst für die Oscar-Nacht zu weit hergeholt", schrieb der Liverpooler Echo.

Vielleicht war es Klopp am Ende ganz recht, dass sich unter den 86 206 Zuschauern die Eigentümer des FC Liverpool eingefunden hatten. Auch sie könnten erkannt haben, dass die Elf nicht nur auf den Positionen des Torwarts und des Linksverteidigers dringend eine Aufbesserung benötigt. Ohne neues, qualifizierteres Personal lässt sich die Resignation der Fans bald kaum mehr einfangen. Als Jürgen Klopp sich bei ihnen bedanken wollte, waren die meisten schon gar nicht mehr im Stadion.

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