FC Ingolstadt:Gekommen, um zu bleiben

FC Ingolstadt v Werder Bremen - Bundesliga

Lukas Hinterseer, 24, war zu Beginn der Rückrunde nur noch Ersatzspieler in Ingolstadt. Nun hat er in drei Spielen hintereinander getroffen.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Nach einem grundsoliden Auftritt verdienen sich die Ingolstädter auch gegen den 1. FC Köln ein süffisantes Lob.

Von Sebastian Fischer, Ingolstadt

Das Zitat von Christian Heidel sorgte für ziemliche Aufregung damals. Ob so ein Team wie der FC Ingolstadt das Land "elektrisieren" würde, fragte er im Herbst 2014 im kicker rhetorisch, und es sollte so wirken, als würde mit dem Aufstieg des FCI in die Bundesliga das Fußball-Abendland untergehen. Im März 2016 spricht Heidel öffentlich nicht mehr über den FC Ingolstadt (er hat als künftiger Manager des FC Schalke 04 ganz andere, begründete Sorgen). Außerdem ist es so, dass Heidels Frage gerade absurd klänge. Denn, selbst wenn das jemand wollte: Diese Ingolstädter gehen nicht mehr weg. Fußballdeutschland gewöhnt sich daran.

Dienstagabend im Ingolstädter Fußballstadion, der Fußballtrainer Peter Stöger sitzt auf einem Podium und schaut mit regloser Miene ins Publikum. Stöger, Trainer des 1. FC Köln und leidenschaftlicher Realist, will wirken lassen, was er nach dem 1:1 dem Gegner zum Abschied zugerufen hat: "Bis nächstes Jahr!" Erst als der Österreicher seine Miene zu einem Grinsen verzieht, fällt den Zuhörern auf, dass die Worte ein süffisantes Kompliment waren: Bis nächstes Jahr - in der ersten Liga.

Die Gegner planen gegen den Aufsteiger nicht mit drei Punkten

Wie Stöger so da saß und sich über einen Punkt in Ingolstadt freute, war es eine beliebige Szene dieser Saison - und deshalb so besonders. Für grundsolide Bundesligamannschaften wie Köln sind drei Punkte gegen Ingolstadt längst nicht mehr eingeplant. Einer ist schon ziemlich gut.

Dabei war es gar nicht mal eine typische Ingolstädter Vorstellung gewesen gegen Köln. Wäre zufällig ein Hamburger im Stadion gewesen, er hätte gar nicht schmollend über "ekelhafte" Spieler murren können, wie HSV-Mittelfeldspieler Lewis Holtby jüngst nach dem 1:1 des FCI in der Hansestadt. Nur einmal war es kurz ruppig geworden, als FCI-Verteidiger Robert Bauer Kölns Stürmer Anthony Modeste mit dem Fuß im Gesicht traf; Modeste verließ später benommen den Platz. Ansonsten hatte Ingolstadt den vom Kölner Abwehrbollwerk großzügig gewährten Raum zu ungewohnten Ballstafetten genutzt. Das beste Beispiel: Pascal Groß spielte einen Pass in den Lauf des Rechtsverteidigers Danny da Costa, im Strafraum lief Lukas Hinterseer in Position und schloss die Flanke zum 1:0 ab: "Ein Tor, das kaum schöner rauszuspielen ist", fand Trainer Ralph Hasenhüttl. Seiner Mannschaft war letztmals im November ein Tor aus dem Spiel heraus gelungen, danach hatte sie sieben Treffer nach Standards erzielt: "Schön für die Zuschauer", sagte Hinterseer.

Die unaufgeregt zufriedene Art, mit der sie beim FCI diese Saison und die 31 Punkte nach 24 Spielen kommentieren, gleicht ihrer Spielweise. Um mit Christian Heidel zu sprechen: Man muss schon ein ziemlich leidenschaftlicher Anhänger sein, um sich vom Fußball des FCI elektrisieren zu lassen. Es gibt in Hasenhüttls Ensemble einen wirklich aufregenden Fußballer, den Spielmacher Groß, der alle Standards ausführt und exklusiven Anspruch auf Kreativität besitzt. Benjamin Hübner ist ein zweikampfstarker Verteidiger, der später einmal zu Höherem als Abstiegskampf berufen sein wird. Ansonsten besteht die Mannschaft aus folgsamen Arbeitern und Teamspielern. Wen Joachim Löws Assistent Thomas Schneider am Dienstag in Ingolstadt wohl beobachtet hat? Am ehesten noch Kölns Yannick Gerhardt, den talentiertesten Einzelspieler auf dem Platz.

Das Besondere an Hasenhüttls viel gelobter radikaler Pressing-Taktik ist, dass sie auch ohne gute Einzelspieler gut funktioniert. Winter-Zugang Dario Lezcano hat als Stürmer noch kein Tor erzielt, doch er ist trotzdem schon einer von Hasenhüttls Lieblingsspielern: "Er schleppt die Bälle, er ist unangenehm", sagt der Trainer - und das ist das größtmögliche Lob.

Die Kölner hatten den unangenehmen Ballschleppern eine Defensivtaktik mit vier Innenverteidigern und zwei defensiven Mittelfeldspielern entgegenzusetzen versucht. Hasenhüttl sagte: "Das kennen wir aus Zweitligazeiten. Das ist dann kein großer Unterschied, da haben wir solche Spiele auch auf die Art und Weise gestaltet: Da musst du halt versuchen, dich über außen durchzukombinieren und vors Tor zu kommen." Wären seiner Mannschaft nicht am Ende die Kräfte ausgegangen und hätte der FC nicht Modeste, der mit seinem elften Saisontor zum Ausgleich traf - Ingolstadt hätte den Sieg verdient gehabt.

Seit dem Sommer spielt der FCI wie ein Zweitligameister gegen Erstligisten. Was eigentlich nicht gut gehen konnte, funktioniert bestens. Nun trifft auch der zwischenzeitlich zum Tribünengast degradierte Hinterseer wieder, gegen Köln zum dritten Mal in Serie. Es sei ganz normal, sagte er später, auch mal draußen zu sitzen. Es gebe keine Stammplatzgarantien: "Das ist hier die erste deutsche Bundesliga!"

Die deutsche Bundesliga, das ist diese Liga mit 18 Mannschaften, von denen sich 17 zweimal ärgern, wenn sie gegen Ingolstadt spielen müssen.

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