Energie Cottbus:Ein Aufstieg mit Makel

SC Weiche Flensburg 08 v Energie Cottbus - Third League Playoff Leg 1

Jubeltraube um Trainer Claus-Dieter Wollitz: Energie Cottbus steigt wieder auf, hat aber mit einigen Problemfans zu kämpfen

(Foto: Matthias Kern/Getty)
  • Rund um die Aufstiegsfeier von Energie Cottbus holt den Verein sein altes Image wieder ein.
  • In der Vergangenheit waren immer wieder rechtsgerichtete Fans in der Anhängerschaft aufgefallen, eine Gruppe löste sich auf - soll aber noch im Hintergrund aktiv sein.
  • Doch es gibt auch wohlwollende Worte einstiger Kritiker, was die Arbeit des Vereins angeht.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Es hätte ein perfekter Tag für Energie Cottbus werden können. Ausgelassen feierten die Fans den Aufstieg in die dritte Liga, zwei Jahre Regionalliga sollten genug sein, der Verein hatte schließlich einst glorreiche Zeiten in der Bundesliga verbracht. Die Cottbusser Mannschaft kaperte nach dem Spiel mit lautem Gebrüll die Pressekonferenz mit Trainer Claus-Dieter Wollitz. "Nicht übertreiben", rief noch jemand, dann standen schon einige Spieler auf den Tischen herum, überschütteten ihren Trainer mit schäumenden Sekt.

So weit, so üblich bei Aufstiegsfeiern, doch bei durchnässten Hemden blieb es an diesem Sonntag nicht. Neben dem Video von der Sektdusche landete im Netz auch eine Aufnahme, auf der die siegestaumelnden Spieler singen: "Trainer, du Zigeuner". Und Wollitz antwortet mit "Spieler, ihr Zigeuner". Hinzu kommt das Foto von Energie-Fans, die auf dem Marktplatz der Stadt mit Kapuzen des Ku-Klux-Klans posieren. Sie tragen ein Banner mit der Aufschrift: "Aufstieg des Bösen".

Und schon umwehte Cottbus wieder das Image, mit dem sich der Klub 2016 aus dem Profifußball verabschiedet hatte: Als der Verein, der in Reihen seiner Anhängerschaft mit rechten Gesinnungen zu kämpfen hat. Und bei dem nun auch Mannschaft und Trainer einen ähnlichen Anschein erweckten.

Jahrelange Duldung von Rechtsextremen in der Kurve

Trainer Wollitz entschuldigte sich einen Tag nach der Feier für die Zigeuner-Rufe, er bezeichnete sie im Nachgang als "Fauxpas". Während seiner Trainerkarriere wurde er von Fans gegnerischer Mannschaften wiederholt als Zigeuner beleidigt. "Wir wollten damit niemand beleidigen oder diskriminieren", sagte Wollitz der Lausitzer Rundschau: "Wir haben uns damit gegenseitig auf den Arm genommen."

Die Vermummten vom Marktplatz ernteten vom Verein eine deutliche Reaktion. "FC Energie distanziert sich entschieden", schreibt der Verein auf seiner Homepage und bezeichnet den Auftritt als "menschenverachtend, abstoßend und in keiner Weise tolerierbar". Er droht mit bundesweiten Stadionverboten und lebenslangem Hausverbot. "Wir begrüßen ausdrücklich die Bemühungen durch Polizei und Staatsschutz und hoffen hierbei auf schnellstmögliche Ermittlungsergebnisse", heißt es in der Mitteilung und auch: "Wir sind zutiefst betroffen, dass einige wenige Personen [...] das Image von Zehntausenden Energiefans und des Vereins beschädigen." Damit kennt man sich in Cottbus ganz gut aus. Der Umgang mit den Problemfans ist einer, der auch von Vereinsseite lange nicht angemessen kritisch ausfiel.

Jahrelang hatte der Verein Rechtsextreme und gewaltbereite Hooligans in der Fankurve geduldet. Die Verantwortung schob er auf die Sicherheitsbehörden ab. Erst auf deren Druck reagierte Energie 2013 gegen die Gruppierung Inferno, zu deren Anhängern Rechtsextreme, Kampfsportler und Rocker gehören. Man verhängte kein Stadion-, sondern ein "Erscheinungsverbot", die Anhänger durften die Gruppensymbole nicht mehr zeigen, sorgten im Stadion aber weiterhin für Stress. Nach dem Abstieg in die vierte Liga traf Energie im November 2016 auf den SV Babelsberg, ein Verein mit linker Fangemeinschaft. Rechtsextreme brüllten damals: "Arbeit macht frei, Babelsberg 03".

Rechtsgerichtete Gruppe "Inferno" soll im Hintergrund weiter aktiv sein

Anhänger von Inferno schüchterten über Monate andere Fangruppen mit teils brutalen Methoden ein, versuchten in der Fankurve die Kontrolle zu übernehmen. Szene-Beobachtern zufolge herrschte ein Klima der Angst. Die Situation eskalierte schließlich beim Rückspiel in Babelsberg im April 2017. Damals kam es zu schweren Ausschreitungen. Im Block der Energie-Fans war mehrfach der Hitler-Gruß zu sehen. Mehrere Vermummte stürmten den Platz, darunter Rechtsextreme, die in Cottbus Stadionverbot haben. Sicherheitskräfte verhinderten, dass auch Babelsberger Fans auf das Spielfeld gelangten.

Nach der Randale, die Cottbus bundesweit in die Schlagzeilen brachte, schaltete sich Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter ein. Der SPD-Politiker machte die Versäumnisse des Vereins deutlich: Polizei und Verfassungsschutz seien in den vergangenen Jahren immer wieder vorstellig bei Energie geworden, doch auf Hinweise und Vorschläge habe man nicht reagiert. "Wenn der Verein das nicht umsetzt, muss man sich auch nicht wundern, wenn aus einem kleinen Krebsgeschwür eine große Wucherung entsteht", sagte Schröter. Selbst der Innenausschuss des Landtages beschäftigte sich mit Energie Cottbus.

Der Verein musste handeln. Auf einer Versammlung im Juni 2017 kündigte der Verwaltungsratsvorsitzende Matthias Auth verschiedene Maßnahmen an, darunter die Überarbeitung der Satzung sowie eine bessere Kontrolle der Security. In diesem Jahr soll eine neue Stelle geschaffen werden: Ein Beauftragter für Vielfalt und Toleranz soll die Zusammenarbeit mit der Stadt und zivilgesellschaftlichen Akteuren aber auch dem Verfassungsschutz koordinieren. Wie weit der Verein mit der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen ist, ist unklar. Eine Presseanfrage blieb unbeantwortet.

Es gibt auch wohlwollende Worte einstiger Kritiker

Die Gruppe Inferno löste sich im Mai 2017 aus Angst vor Stadionverboten auf, im September berichteten die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) aber darüber, wie sie im Hintergrund weiter ihre Fäden ziehen und andere Fangruppen bedrohen. Sie soll laut PNN ein Zusammenschluss aller Fangruppen geplant haben, in diesem wollte sie wieder die Macht übernehmen und ihre rechtsextremen Gesinnungen weiter verbreiten. Dass sich schließlich die größte Fangruppierung des Vereins auflöste, führt die Zeitung auf die Bedrohungen durch Inferno zurück.

Mehr als ein Jahr nach den Krawallen in Babelsberg haben einstige Kritiker aber auch wohlwollende Worte für den Verein übrig. "Sie haben verstanden, dass der Klub eine Außenwirkung abseits des Punktestandes hat", sagt Bettina Handke vom "Cottbusser Aufbruch", einem Verein, der sich für Vielfalt und Toleranz einsetzt. Zu den Mitgliedern gehören Seniorenverbände, Stadtvertreter und zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen. Energie Cottbus ist seit vergangenem Sommer auch bei den regelmäßigen Treffen vertreten. Anlässlich des Jahrestages der Bombardierung von Cottbus liefen Matthias Auth und Spieler der Mannschaft bei einem Sternenmarsch mit, um für ein friedliches Zusammenleben zu demonstrieren.

All dies sind positive Signale, die aber schnell hinfällig werden, wenn sich Mannschaft und Trainer öffentlich danebenbenehmen wie bei den Aufstiegsfeierlichkeiten. Der größte Fehler könnte sein, wenn sich bei Energie Cottbus zu schnell Zufriedenheit breitmacht, weil man im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit ja schon etwas erreicht hat.

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