FC Bayern:"Wenn wir ein 5:0 nicht verteidigen, müssen wir aufhören"

Abflug FC Bayern München nach Istanbul

Bereit für den Abflug: Uli Hoeneß am Flughafen in München.

(Foto: dpa)

Von Thomas Hummel, Istanbul

Die Brücke über den Bosporus glitzerte am Dienstagabend in rot und blau, die Fähren schipperten gemächlich hinüber zum asiatischen Teil der Stadt, ihre Lichter spiegelten sich im Wasser. Die Dolmabahçe Moschee neben dem Stadion von Besiktas stand hell erleuchtet am Wasser. "Wenn man aus dem Fenster im Hotel schaut, Richtung Bosporus runter, gibt einem das ein schönes Gefühl", sagte Thomas Müller: "Aber man darf nicht vergessen, dass wir zum Arbeiten da sind."

Herrje. Da darf man nach Istanbul fliegen, in diese spezielle Stadt zwischen den Kontinenten. Und muss doch wieder an den Job denken. Schließlich ist Champions League, das Achtelfinal-Rückspiel bei Besiktas. Doch ist die selbstauferlegte Müllersche Strenge das nicht ein wenig übertrieben, nach dem 5:0 im Hinspiel vor drei Wochen in München? Kann da ein kleiner Rundgang durch das historische Zentrum drüben in Eminönü wirklich schaden? Vom Mannschaftshotel ist es nicht weit zur Trambahn, die direkt hinüber fährt.

Hoeneß selbstbewusst: "Da kann nichts passieren"

Trainer Jupp Heynckes weiß vermutlich von der Trambahn und den Schönheiten der Stadt. Er ist 72 Jahre alt und beginnt die meisten öffentlichen Auftritte inzwischen mit dem Satz: "Ich weiß ja aus Erfahrung, ..." Zum Beispiel weiß er diesmal: "Du musst immer bereit sein, das Spiel gewinnen zu wollen, abgesehen vom Ergebnis im Hinspiel." Immer mit höchster Konzentration ins Spiel gehen. Und er wisse, dass das auch seine Spieler wissen.

Der Topkapi-Palast, die blaue Moschee und der große Basar müssen also ohne die Gäste aus München auskommen. Immerhin nehmen sie abends am Fußballspiel teil, natürlich ganz pflichtbewusst. Müller: "Wir wollen von Anfang an zeigen, dass hier gar keine Hoffnung aufkeimt, es könnte ein Wunder passieren." Auch Uli Hoeneß wird im Besiktas-Stadion sitzen, vermutlich mit rot-weißem Schal und einer Tasse türkischem Tee in der Hand. Der Bayern-Präsident traute sich, die Wahrheit auszusprechen: "Da kann nichts passieren. Da habe ich keine Sorge. Wenn wir ein 5:0 nicht verteidigen, müssen wir aufhören."

Mangels sportlicher Brisanz schwingt eine Menge Folklore mit in diesem bayerischen Ausflug. Alle sind neugierig auf die Atmosphäre im Stadion von Besiktas, wo die Fans gerne einen Höllenlärm veranstalten. Klubchef Karl-Heinz Rummenigge erwartet einen "gewaltigen akustischen Orkan" und erinnerte sich: Nach dem bislang letzten Auftritt der Münchner in Istanbul 1997 habe man "noch tagelang Ohrensausen gehabt, wie nach einem Rolling-Stones-Konzert".

Ob die Bayern Oropax dabei haben? Oder ob die Türken angesichts des aussichtslosen Unterfangens ihrer Mannschaft doch lieber an der Tasse schlürfen statt zu brüllen?

Die Bayern hangeln sich von Ausflug zu Ausflug

Mangels ernsthaften Wettbewerbs in der Bundesliga und des deutlichen Vorsprungs in diesem Achtelfinale hangelt sich der FC Bayern von Ausflug zu Ausflug, in Erwartung, dass irgendwann doch ein ernsthafter Gegner vorbeischaut und dann alle plötzlich eine Topleistung bringen müssen. Die Gespräche kreisen um diesen ominösen Tag. "Wenn die Spiele kommen, in denen wir von den Gegnern richtig gefordert werden, dann können wir uns keine Nachlässigkeiten erlauben", orakelte Müller. Während Trainer Heynckes berichtete: "Ich kenne ja aus Erfahrung, was in der Champions League verlangt wird." Das klang beruhigend.

Natürlich ging es dann um die noch fernere Zukunft. Ob dieser erfahrene Heynckes auch mit 73 Jahren im Juli noch Bayern-Trainer sein wird. Da geht es seit Wochen hin und her und inzwischen weiß kaum einer mehr, wer nun was wie angedeutet hat und ob die Chancen nun eher besser oder schlechter stehen als vor drei Tagen. Heynckes selbst gefällt sich in der Rolle des Geheimniskrämers und Verwirrers.

Nachdem er kürzlich erklärt hatte, er habe nie gesagt, dass er am Saisonende aufhöre, attestierte ihm Rummenigge eine "Rolle rückwärts". Darauf erwiderte nun Heynckes: "Ich bin nicht geneigt, die Aussagen von Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge zu interpretieren. Ich weiß, was ich will und was ich tue." Die Öffentlichkeit müsse abwarten, bis die Entscheidungen bekannt gegeben werden.

Thomas Müller und seine Mitspieler saßen da vielleicht im Hotel am Fenster, blickten auf den glitzernden, in vielen Farben schimmernden Bosporus und vergaßen für einen Moment das Schicksal ihres Trainers. Manchmal gibt es eben wichtigeres.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: