FC Bayern vs. BVB:Statt Keilerei nur Kuscheln

Bayern Munich coach Carlo Ancelotti kisses Bayern Munich's Franck Ribery

Bayern-Trainer Carlo Ancelotti beruhigt Franck Ribéry mit einem Kuss auf die Wange.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Da bleibt sogar Zeit für ein Küsschen: Selten gingen Bayern und Dortmunder im "Clásico" so vorsichtig miteinander um - aus gutem Grund.

Kommentar von Claudio Catuogno

Als die Rasenpfleger des FC Bayern in der Halbzeitpause des Spitzenspiels gegen Borussia Dortmund ihre Arbeit aufnahmen, um ein paar herausgetretene Grasbüschel wieder ins Erdreich zurückzudrücken, mussten sie auch zwei Fremdkörper vom Spielfeld in der Münchner Arena entfernen. Der eine Fremdkörper war ein sehr schön gefalteter Papierflieger, der in der 39. Minute in perfektem Gleitflug von der Haupttribüne auf den Rasen gesegelt war. Der andere war ein weißes Tuch mit dem Blut aus Robert Lewandowskis Nase.

Es war nämlich tatsächlich mal kurz giftig geworden in den letzten Minuten der ersten Halbzeit: Erst war der Bayern-Stürmer Lewandowski im BVB-Strafraum mit Matthias Ginter kollidiert, das war schmerzhaft für beide, es floss aber noch kein Blut. Und kurz darauf bekam Lewandowsi dann einen Fuß des unachtsamen BVB-Verteidigers Marc Bartra ins Gesicht. Große Aufregung. Wenn es erkennbar rot wird im Stürmergesicht, dann unterstellt einem keiner Zeitschinden oder Theatralik, der Schiedsrichter rief sofort nach dem Arzt. Und als es dann doch weiterging für Lewandowski, schleuderte dieser wütend das weiße Tuch auf den Rasen, das gerade noch die Blutung gestillt hatte.

Einen Fuß hat man halt schnell mal im Gesicht, und man fällt auch schnell mal unglücklich auf die Schulter - selbst in einem Fußballspiel, in dem beide Mannschaften erkennbar ein Ziel haben: sich nicht weh zu tun. Also in erster Linie: sich nicht selbst weh zu tun. Aber auch nicht den anderen - weil man sich ja bekanntlich oft in jenen Szenen selbst verletzt, in denen man hart gegen den Gegner einsteigt.

Intensiv, dicht, extrem körperlich - so war es sonst.

Bayern gegen Dortmund: Dieses gern als deutscher "Clásico" verklärte Duell der beiden Branchenführer war in den vergangenen Jahren oft eine intensive, dichte, aufreibende und auch extrem körperliche Sache gewesen. Diesmal zogen die Akteure in den entscheidenden Momenten oft zurück. Mal abgesehen von Arturo Vidal natürlich: Der Chilene hat sein Wirken unter das Motto "Einmal Krieger, immer Krieger" gestellt. Er kann nicht anders.

Aber während in so einem Topspiel die Zweikämpfe sonst oft am Rande der fahrlässigen Körperverletzung geführt werden, brachten die Spieler beider Mannschaft diesmal regelmäßig ihre wertvollen Gliedmaßen in Sicherheit. Gut so.

Denn die Wahrheit ist ja: Selten war eine Partie zwischen den beiden Rivalen so unbedeutend für die Konstellation in der Bundesliga. Die Bayern müssen ihren ersten Tabellenplatz gegen niemanden verteidigen. Und die Dortmunder haben auch noch genug Zeit, um sich im Fernduell mit der TSG Hoffenheim Rang drei zu sichern, der die direkte Qualifikation für die Champions League bedeutet. Dass die Hoffenheimer am Samstag - drei Tage nach ihrem spektakulären 1:0-Coup gegen die Bayern - gegen den Hamburger SV alle drei Punkte liegen ließen, zeigt: Ein Problem mit der Konstanz haben nicht nur Thomas Tuchels Dortmunder.

Lewandowskis bittere Pointe

Seine Relevanz zog dieses nationale Gipfeltreffen aus den internationalen Aufgaben der kommenden Wochen: Die Dortmunder bekommen es bekanntlich mit der AS Monaco und die Bayern mit Real Madrid zu tun. Die zentrale Deutungsebene dieses 4:1 von München ist die Champions League, in der beide das Halbfinale erreichen wollen. Und da war es jetzt schon eine bittere Pointe, dass ausgerechnet in diesem weitgehend friedfertigen Aufwärm-Spielchen am Ende der Bayern-Stürmer Robert Lewandowski mit schmerzender Schulter vom Feld ging. Er war da drauf gefallen in jener Szene in der 68. Minute, die zum Elfmeter führte.

Bayern und Dortmunder wollten sich erkennbar nicht weh tun - und am Ende hat der vielleicht wichtigste Spieler der Bayern eine Schulterprellung (das jedenfalls war Lewandowskis Blitzdiagnose eine halbe Stunde nach dem Abpfiff).

Bitte küssen!

Bisher geht Robert Lewandowski davon aus, dass er am Mittwoch mitwirken kann gegen Real. Trotzdem beweist der Schultersturz mal wieder: Fußball ist ein Risikospiel, die Vorsicht hat Grenzen, und wirklich schonen kann man einen Spieler nur, wenn man ihn auf die Bank setzt. Da will aber natürlich auch keiner hin. Als der Trainer Carlo Ancelotti den auch nicht mehr ganz jungen Franck Ribéry vorzeitig auswechselte, war der sehr empört - Ancelotti musste ihm einen Kuss auf die Wange drücken, um ihn zu beruhigen. Das wirkte Wunder.

Ancelotti sollte jetzt dringend Robert Lewandowskis Schulter küssen. Und dann beten, dass es wirkt.

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